Deutsche Redaktion

Debatte um Migrationsvorschriften: "Brüssel will migrationspolitische Fehler des Westens auf osteuropäische Steuerzahler abwälzen"

07.06.2023 10:17
Polnische Obst- und Gemüseverarbeiter müssen in Nepal und Indonesien nach Saisonarbeitern suchen. Unter den EU-Staaten mehren sich die Zweifel in Bezug auf die von Schweden forcierte Reform des Migrations- und Asylsystems. Und: Sollte Premierminister Mateusz Morawiecki Justizminister Ziobro aus der Regierung werfen? Die Einzelheiten in der Presseschau. 
Rosną podziały między krajami UE ws. propozycji KE dot. relokacji migrantów; szwedzka prezydencja w UE forsuje przyjęcie projektu
Rosną podziały między krajami UE ws. propozycji KE dot. relokacji migrantów; szwedzka prezydencja w UE forsuje przyjęcie projektuShutterstock/ Ajdin Kamber

RZECZPOSPOLITA: Ausländische Arbeitskräfte dringend nötig

Sogar in Nepal und Indonesien würden polnische Produzenten von Beerenobst und Gemüse nach Saisonarbeitern suchen. Niedrige Löhne, die bei 15 PLN pro Stunde (samt Unterkunft) beginnen, tragen nicht dazu bei, Menschen anzulocken, schreibt in der aktuellen Ausgabe die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Ein weiteres Hindernis sei die Tatsache, dass zum Beispiel Nepalesen nach Indien reisen müssen, um ein Visum zu beantragen. Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine habe einen enormen Arbeitskräftemangel nach sich gezogen, weshalb die Branche Arbeiter aus Georgien, Asien, Südamerika und der ganzen Welt anzuziehen versuche, sagt Andrzej Gajowiczek, Präsident des Nationalen Verbands der Obst- und Gemüseverarbeiter. Polen sei derzeit das führende Land in der Obstverarbeitung und Geflügelproduktion. Aber es brauche eine Menge Arbeiter, denn zum Beispiel im Obstanbau gebe es noch keine Obstpflückmaschinen, sagt der Experte im Gespräch mit Rzeczpospolita.

Wenn heute jemand aus der Ukraine zur Arbeit komme, dann seien es überwiegend Frauen. Junge Männer seien vor einem Jahr vom polnischen Arbeitsmarkt verschwunden, sagt der Präsident der Genossenschaftsgruppe der Obstproduzenten „Nasz Sad“, Dariusz Szymański. In seinem Unternehmen seien es vor allem Frauen, die Äpfel verpacken. Aber auch vor dem Krieg hätten die Männer diese Arbeit schnell aufgegeben.
Die Zahl der in Polen arbeitenden Ukrainer könnte, insbesondere in der Sommersaison, in den kommenden Jahren weiter zurückgehen. Es würden dringend Menschen aus anderen Ländern benötigt. Der Blick der Arbeitgeber richte sich deshalb weiter als bisher, auf Asien und auf afrikanische Länder. Marokkaner seien bislang hauptsächlich nach Spanien gekommen, die schwierige Situation auf dem lokalen Arbeitsmarkt habe sie aber dazu veranlasst, sich nach anderen Orten umzusehen, lesen wir. Eine weitere Herausforderung bestehe jedoch darin, was die Saisonarbeiter nach der Ernte leisten sollen. Denn erst wenn ein Aufenthalt in Polen mindestens ein Jahr dauert, mache es Sinn, aus der Ferne anzureisen.
Gajowiczek stellt zusammenfassend fest, dass die polnische Wirtschaft ohne externe Arbeitskräfte nicht funktionieren werde. Unternehmen hätten ihre Kapazitäten erweitert, neue Werke seien gebaut worden und die Agrar- und Lebensmittelverarbeitung habe sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Der Krieg in der Ukraine habe die Arbeit sehr erschwert und es habe sich bisher kaum etwas verbessert, fügt der Chef der Verarbeitergewerkschaft hinzu.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Büchse der Pandora

Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft drängt auf die Annahme des Vorschlags zur Reform des Migrations- und Asylsystems in Brüssel, der de facto eine Wahl zwischen der Umsiedlung von Migranten und einem finanziellen Gegenwert vorsieht. Nach inoffiziellen Informationen polnischer Medien würden jedoch in den EU-Ländern Zweifel an dem Projekt wachsen. Vor allem die Staaten Mittel- und Osteuropas, darunter Polen, würden zu den Gegnern des Vorschlags gehören, berichtet die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna.

Das Projekt sei von Griechenland und Luxemburg direkt unterstützt worden. Dagegen seien Polen, Bulgarien, Ungarn, Kroatien, Rumänien und die Slowakei gewesen. Auch Deutschland habe Zweifel. Mit fortschreitender Diskussion würden sich die Divergenzen mehren, lesen wir.

Geht es nach dem Blatt, habe der Ständige Vertreter Polens bei der EU, Andrzej Sadoś, bei zuletzt erneut betont, dass Polen mit einer Wahl zwischen einer Umsiedlung und faktischer Bestrafung nicht einverstanden sei. Polen sei der Ansicht, dass der Vorschlag zur Reform des EU-Asyl- und Migrationssystems in Brüssel noch viel Arbeit erfordere. Sadoś habe unter anderem auf die Unterschiede im Pro-Kopf-BIP und den Löhnen in den Ländern West- und Mittelosteuropas hingewiesen und in diesem Zusammenhang betont, dass der Betrag von 22.000 Euro pro Migrant für alle EU-Länder schlicht ungerecht sei.

Schweden, so der Diplomat, würde die Büchse der Pandora öffnen. Die Diskussion werde vom russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem weißrussischen Anführer Alexander Lukaschenko beobachtet. Und ihr Ziel sei die Destabilisierung Europas. In seiner aktuellen Version sei der Vorschlag der Kommission ein Anreiz für Schleuser. Damit würde Brüssel die migrationspolitischen Fehler der westeuropäischen Länder faktisch auf den osteuropäischen Steuerzahler abwälzen, meint Andrzej Sadoś.

SUPER EXPRESS: Ziobro soll bleiben

Die raue Freundschaft und die schwierigen Beziehungen im Regierungslager zwischen Mateusz Morawiecki und Zbigniew Ziobro würden immer wieder zu der Frage führen, ob Souveränes Polen, die kleine Partei um Justizminister Ziobro, der Koalition weiterhin angehören sollte, schreibt das Boulevardblatt Super Express. Wenn einer der wichtigsten Minister der Regierung immer wieder den Premierminister kritisiere, dann stimme etwas nicht und vielleicht sollte man im Regierungslager über den Sinn eines solchen Ministers nachdenken, sagt einer dem Regierungschef nahestehender Politiker dem Blatt. Was sei aber mit den Wählern der Vereinigten Rechten? – fragt die Zeitung. Laut einer aktuellen Meinungsumfrage, seien 64 Prozent der Befragten der Meinung, dass Mateusz Morawiecki Zbigniew Ziobro nicht aus der Regierung rauswerfen sollte. Die Polen würden die Formel der Vereinigten Rechten schätzen. Ziobro sei die ausdrucksstärkste Figur aus dem Kreis der Vereinigten Rechten, sagt der Politologe, Prof. Kazimierz Kik dem Blatt Super Express.

Autor: Jakub Kukla