Deutsche Redaktion

"Koalitionsvertrag ohne heikle Themen"

03.11.2023 09:59
Bei den Verhandlungen um den Koalitionsvertrag hat offenbar das Konzept des "Programm-Minimums" gesiegt, bei dem strittige Themen außen vor gelassen werden. Oppositionsführer Tusk muss bei der Regierungsbildung auch die Präsidentschaftswahlen 2025 im Auge behalten. Und: Außenminister Zbigniew Rau bezeichnet deutsch-polnische Beziehungen als alles andere als perfekt und nennt zwei Gründe für die wichtigsten Differenzen. Die Einzelheiten in der Presseschau.
Liderzy KO, PSL, Polski 2050 oraz Lewicy: jesteśmy gotowi do tworzenia rządu
Liderzy KO, PSL, Polski 2050 oraz Lewicy: jesteśmy gotowi do tworzenia rządu PAP/Paweł Supernak

SUPER EXPRESS: Auf der Suche nach dem Präsidentschaftskandidaten

Donald Tusk stelle langsam seine neue Regierung zusammen, aber er denke wahrscheinlich schon darüber nach, wer der Kandidat seiner Partei bei den Präsidentschaftswahlen 2025 sein werde, stellt die Tageszeitung Super Express fest. Werde der ehemalige und zugleich wahrscheinlich der neue Premierminister in das Rennen um die Präsidentschaft einsteigen? - fragt das Blatt. Infolge der Parlamentswahl von Mitte Oktober werde die jetzige Opposition höchstwahrscheinlich die Macht übernehmen. An der Spitze der neuen Regierung werde voraussichtlich Donald Tusk stehen. Der Chef der Bauernpartei PSL, Władysław Kosiniak-Kamysz, solle stellvertretender Ministerpräsident werden. Über die verbleibenden Positionen werde derzeit noch verhandelt, auch weil die Aufteilung der Macht sehr weitreichende Folgen haben könnte. Nächstes Jahr, erinnert das Blatt, würden die Polen die Kommunalbehörden und ihre Vertreter ins Europäische Parlament wählen, und im Jahr 2025 finden dann die Präsidentschaftswahlen statt. Laut Publizisten sei es möglich, dass Donald Tusk im Rennen um den Präsidentenpalast antreten werde.

Für Donald Tusk wäre die Präsidentschaft der perfekte Höhepunkt seiner politischen Karriere, lesen wir weiter. Ja, 2007 habe er ironisiert, dass der Präsident nur auf den Kronleuchter blicken könne. Aber in einer Situation, in der man nicht wisse, wie stabil die neue Regierung sein werde und ob die PiS ihre aktuelle Niederlage überstehen und dann gestärkt in die nächsten Wahlen gehen werde, könnte sich die Rolle des Präsidenten als entscheidender Faktor der politischen Stabilität erweisen.

Auch Jarosław Kaczyński müsse seinen Präsidentschaftskandidaten finden. Bekanntlich dürfe der amtierende Präsident nicht mehr ein drittes Mal antreten, so Super Express.

WYBORCZA.PL: Koalitionsvertrag ohne heikle Themen

Mehr als zwei Wochen nach der Parlamentswahl sei immer noch nicht bekannt, wer den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten werde, stellt die Tageszeitung Gazeta Wyborcza fest. Die immer noch regierende Recht und Gerechtigkeit argumentiere, dass man hinter den Kulissen Gespräche mit Politikern der Bauernpartei führe. Kürzlich berichteten Medien, dass Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bereits eine Einigung mit sechs Mitgliedern dieser Formation erzielt habe.

Im Gegenzug hätten die Bürgerkoalition, der Dritte Weg und die Linke ihre volle Bereitschaft erklärt, eine Regierung unter der Führung von Donald Tusk zu bilden. Der Koalitionsvertrag werde von einem Sonderteam vorbereitet, in dem jede Gruppierung einen Vertreter habe.

Laut Wyborcza habe der Dritte Weg anfangs darauf bestanden, eine möglichst detaillierte Einigung über die Bildung einer neuen Regierung zu erzielen. Gewonnen habe jedoch das Konzept der Bürgerkoalition und der Linken, also des „Programm-Minimums“, das alle Koalitionsparteien vereine. Die Parteien hätten separate Kampagnen durchgeführt und Versprechen gemacht, die mit ihren Programmen im Einklang standen. Jetzt müssten wir einen vernünftigen Kompromiss finden, sagte dem Blatt ein Oppositionspolitiker, der anonym bleiben wollte.

Laut „Wyborcza“ umfassen die Vereinbarungen der Unterhändler bisher: Erhöhungen für Staatsbeamte, die Finanzierung des In-vitro-Programms und eine Anhebung des Kindergelds von 500 auf 800 Zloty monatlich. Wichtig sei, dass die Koalitionsvereinbarung das Thema der Liberalisierung der Abtreibung höchstwahrscheinlich nicht umfassen werde. Die Linke habe auf eine solche Bestimmung gedrängt, aber Polska 2050 und PSL hätten dies mit der Begründung abgelehnt, dass der Koalitionsvertrag ideologische Fragen vermeiden sollte. Die Tusk-Partei und die Neue Linke seien aber mit dem Slogan der Liberalisierung des Abtreibungsrechts in die Parlamentswahlen eingetreten. Der Vorsitzende der Bürgerplattform, Donald Tusk, habe sogar „Abtreibung auf Wunsch“ bis zur 12. Schwangerschaftswoche versprochen, erinnert die Tageszeitung.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Beziehungen zwischen Warschau und Berlin problematisch

Die polnisch-deutschen Beziehungen seien alles andere als perfekt, habe Außenminister Zbigniew Rau am Donnerstag in Berlin gesagt. Er habe darauf hingewiesen, dass die größten Probleme die Einstellung der Bundesrepublik den Kriegsentschädigungen gegenüber sowie unterschiedliche Visionen der europäischen Integration seien.

Zbigniew Rau habe sich an der EU-Ministerkonferenz zur EU-Erweiterungspolitik und institutionellen Reform in Berlin beteiligt, schreibt die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Auf die Frage von Journalisten, wie er die polnisch-deutschen Beziehungen bewerte, antwortete er, dass die deutsche Seite nicht alle Schlussfolgerungen akzeptiere, die sich aus dem Bericht über die Kriegsverluste ergeben, und dass sie nicht konstruktiv auf alle Fragen reagiert habe, die Polen angesprochen habe.

Er habe auch hinzugefügt, dass sich die polnische Regierung die europäische Integration völlig anders vorstelle als die Bundesrepublik. Warschau befürworte ein Europa souveräner Staaten, und die deutsche Seite strebe offensichtlich danach, die Kompetenzen der Europäischen Union auszudehnen, sagt Außenminister Rau im Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna.

Autor: Jakub Kukla