Deutsche Redaktion

Obsession Trumps plus Obsession Putins

12.02.2024 13:19
Die neueste Aussage von Donald Trump zur NATO und Putins Interview für Tucker Carlson schlagen hohe Wellen in der polnischen Presse. Trump hatte bei einem Wählertreffen in South Carolina erklärt, dass er Russland dazu ermutigen werde, mit den NATO-Verbündeten, die nicht genug für die Verteidigung zahlen, zu tun, was es wolle. Putin wiederum hat den Krieg in der Ukraine gerechtfertigt und Polen beschuldigt, während des Zweiten Weltkriegs mit den Nazis kollaboriert zu haben.
Donald Trump
Donald Trump Joseph Sohm / Shutterstock

Rzeczpospolita: Obsession Trumps plus Obsession Putins 

Der ehemalige US-Präsident habe von jeher als unberechenbar gegolten und gesagt, was ihm gerade in den Sinn gekommen sei, auch in Bezug auf die Sicherheit, schreibt dazu in der Rzeczpospolita der Publizist Jerzy Haszczyński. Trotzdem sollte die neueste Aussage des Milliardärs als Ankündigung ernsthafter Probleme für die westliche Welt, insbesondere für Polen und unsere Region betrachtet werden. Zumal die schockierende Erklärung von Trump kurz nach der Veröffentlichung des Interviews gefallen sei, das Trumps Lieblingspropagandist Tucker Carlson mit Wladimir Putin geführt hatte.

Das Interview habe deutlich gezeigt, dass der russische Präsident eine Obsession in Bezug auf Polen hat. Man, so Haszczyński, könne sich kaum ausmalen, was aus der Verbindung von Putins Obsession und Trumps Obsessionen entstehen könnte, wenn er im November die Präsidentschaftswahlen in den USA gewinnen würde. 

- Ist in Trump noch etwas von dem unternehmerischen Pragmatismus übrig, für den er stand? Und den er immer noch predigt? - fragt der Autor. Es werde immer schwieriger, daran zu glauben, denn der Milliardär, der damit drohe, Russland zu ermutigen, diejenigen anzugreifen, die nicht genug für ihre Verteidigung zahlen, habe offenbar nicht berücksichtigt, dass alle NATO-Länder in der Nähe Russlands weit mehr ausgeben, als die empfohlenen 2 Prozent ihres BIP, Polen sogar mehr als die Vereinigten Staaten. Aber selbst wenn sie um 0,1 Prozent zu wenig ausgeben würden, untergrabe das Infragestellen von Artikel 5 auf dieser Grundlage - und das bei einem Wählertreffen - das Vertrauen in die Führungsmacht, an deren Spitze Trump stehen wolle.

Was würde also noch von der NATO bleiben, wenn er die Wahlen gewinnen würde, fragt Haszczyński. Und macht darauf aufmerksam, dass die amerikanische Rüstungsindustrie seit Kriegsbeginn enorme Profite gemacht hat. Im Jahr 2023 seien diese um 56 Prozent höher gewesen als im Vorjahr. Auch South Carolina, wo die Aussage gefallen sei, profitiere massiv vom Waffenverkauf. Geschäftsmann Donald Trump scheine sich also um die Realität wenig zu scheren. Hoffentlich werden Trumps Äußerungen - nicht nur die von der Kundgebung in South Carolina, denn seine Abneigung gegen Bündnispflichten und seine Schmeicheleien gegenüber Putin seien feste Bestandteile seiner Wahlkampagne - von den amerikanischen Wählern polnischer, litauischer, lettischer, finnischer Herkunft usw. gehört. Man müsse ihnen helfen, die richtigen Schlüsse zu ziehen, denn in einigen Bundesstaaten könnten sie den Ausgang der Wahlen beeinflussen. Amerikaner, Donald Trump spielt mit der Zukunft der Länder eurer Vorfahren, so Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita. 

Rzeczpospolita: Aufweichung der westlichen Köpfe 

Wenn Wladimir Putin vorhatte, durch sein Interview mit Tucker Carlson, die Atmosphäre der Panik im Westen anzukurbeln, dann muss man leider sagen, dass ihm dies gelungen ist, konstatiert ebenfalls in einem Kommentar für Rzeczpospolita der Philosoph und Politologe Marek Cichocki. Das Timing des Interviews habe sich ausgezeichnet in das Chaos rund um die im US-Senat blockierten Militärhilfen für die Ukraine sowie die wachsende Angst eingefügt, die Trump mit seinen Aussagen zur künftigen Sicherheitspolitik im Falle eines Wahlsiegs wecke. Man dürfe zudem auch nicht vergessen, dass der Kreml - außer Trump-Wählern - viele unterschiedliche Empfänger seiner Botschaften im Westen hat. So sollten etwa die begeisterten Reaktionen einiger AfD-Politiker in Deutschland auf Putins Worte zum Nachdenken anregen. Aber nicht nur bei ihnen oder den Wählern des Rassemblement National in Frankreich stoße eine solche Botschaft des Kremls auf Zustimmung. Man sollte auch die Linke in Deutschland, die katalanischen Separatisten in Spanien mit ihrem ehemaligen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont, die Kommunisten in Griechenland mit dem beliebten Janis Varoufakis an der Spitze oder eine beträchtliche Anzahl von Abgeordneten im Europäischen Parlament nicht vergessen. Das Einlullen westlicher Köpfe durch den Kreml kenne keine parteipolitischen Grenzen oder institutionellen Schranken, so Cichocki.

Für uns in Polen, lesen wir weiter, sei jedoch etwas anderes wichtig. Es gehe um geopolitische Annahmen, die sich hinter der Fassade historischer Überlegungen des Kreml-Herrschers verbergen. Denn erst die Verbindung dieses russischen Verständnisses der europäischen Geschichte mit den geopolitischen Annahmen der russischen Politik ermöglicht es zu verstehen, dass der Kreml Russland auf eine große Mobilisierung vorbereitet und nicht bereit sein wird, sich in irgendeinem Stadium des Wiederaufbaus seiner globalen Position aufzuhalten. Ob sein Ziel erreicht werde, bleibe glücklicherweise unsicher, aber es bestehe kein Zweifel daran, dass Moskau den eingeschlagenen Weg nicht verlassen wird. In diesem Zusammenhang würden einem die berühmten Worte Halford Mackinders nach dem Ersten Weltkrieg in den Sinn kommen: Wer Osteuropa kontrolliere, dominiere einen Schlüsselbereich Eurasiens, der hauptsächlich die aktuellen Gebiete Russlands umfasst.

Ostmitteleuropa, einschließlich Polens, sei aus dieser Perspektive für Russland ein Hindernis, das beseitigt werden müsse. Deshalb sei für uns heute die Fähigkeit zur Zurückhaltung und Abschreckung Russlands entscheidend. Dieses Ziel können wir jedoch nicht allein erreichen, selbst wenn wir bis an die Zähne bewaffnet sind. Wir brauchen bewusste und entschlossene Unterstützung des Westens. Der Kreml versteht das und wird daher nicht aufhören, westliche Köpfe aufzuweichen, so Marek Cichocki in der Rzeczpospolita. 

Gazeta Wyborcza: Nein zu Desinformation  

Um russische Propaganda solle es auch bei den heutigen Visiten von Premierminister Donald Tusk in Berlin und Paris gehen, schreibt in ihrem Aufmacher die linksliberale Gazeta Wyborcza. Die vom Kreml betriebenen Trollfabriken, so die Zeitung, sollen zu den Schwerpunkten des Doppelbesuchs gehören, der ein wichtiges Signal einer Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks darstelle. Wie Frankreichs Außenminister Sejourné in einem gemeinsamen Interview für die “Gazeta Wyborcza”, “Ouest-France” und die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” betonte, sei es höchste Zeit, einen systematischen Kampf gegen Desinformation in den sozialen Medien zu beginnen.

“Es sind organisierte Strukturen entstanden, deren Ziel Desinformation, die Auslösung von Chaos, die Spaltung europäischer Gesellschaften und die Destabilisierung unserer Demokratien ist”, so der Politiker. Wie das Blatt erinnert, hätten die Deutschen den ersten Schritt in dieser Angelenheit getan, als sie die groß angelegte, gegen die Regierung Scholz gerichtete Informationskampagne aufgedeckt hätten. Über 50 Tausend Konten hätten in deutschen sozialen Medien über eine Million Einträge geschickt, die suggeriert hätten, dass die Hilfe für die Ukraine den deutschen Interessen schadet. Nun würden die kremlnahen Konten Aussagen aus Putins Interview mit Tucker Carlson verbreiten. Ähnliche Ermittlungen, wie die in Deutschland, sollen nun in Frankreich und Polen durchgeführt werden. Es sei eine dringende Angelegenheit, da schon im Juni die EU-Wahlen anstehen. Die russischen Trollfabriken würden intensiv arbeiten, um die Wähler zu beeinflussen und die Sorge sei groß, dass die Ultrarechten im neuen EU-Parlament eine blockierende Mehrheit haben werden, so Gazeta Wyborcza.

Ein Erfolg der heutigen Besuche Tusks in Berlin und Paris würde sicherlich auch die Überzeugung von Scholz zur Teilnahme am Kriegsfonds der EU (European Peace Facility) sein, fügt Jędrzej Bielecki von der Rzeczpospolita hinzu. Eine weitere Idee sei die gemeinsame Entwicklung der Munitionsproduktion, zum Beispiel durch den Bau von Fabriken des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall an der Weichsel. Im Gegenzug könnte Polen, das während der Regierung PiS 77 Prozent der Rüstungsverträge den USA und Südkorea erteilt habe, eine Öffnung auf Rüstungseinkäufe in Frankreich und Deutschland signalisieren. Weitere Themen seien die Reform der EU, eine Annäherung der Zivilgesellschaften der drei Länder sowie die Bekämpfung illegaler Migration, lesen wir in der Rzeczpospolita. 

Dziennik Gazeta Prawna: Reset des Verfassungsgerichts 

Schließlich sollen diese Woche auch die Pläne der Regierungskoalition für ein Reset des Verfassungsgerichts bekanntgegeben werden, berichtet Dziennik/Gazeta Prawna. Geplant seien, wie das Blatt erinnert, ein Parlamentsbeschluss sowie Änderungen in der Verfassung.

Premierminister Donald Tusk, lesen wir, habe vorgeschlagen, dass neue Richter mit einer Dreifünftelmehrheit vom Parlament gewählt werden sollten, was eine Einigung mit der Opposition erfordern würde. Eine alternative Option, über die diskutiert werde, sei jedoch, dass das Parlament im zweiten Schritt mit einer absoluten Mehrheit entscheiden würde, um eine Pattsituation zu vermeiden. Dies würde jedoch auch bedeuten, dass die Opposition übergangen wird. Es werde auch darüber nachgedacht, sicherzustellen, dass das Parlament nicht die gesamte Richterschaft des Gerichts bestimmen kann, indem die Richter in Gruppen mit unterschiedlichen Amtszeiten aufgeteilt werden. Zur Debatte würde auch die Frage der Kandidatur von Abgeordneten oder ehemaligen Abgeordneten für das Verfassungsgericht stehen. Dies sei eine Lehre aus der gegenwärtigen Situation mit den umstrittenen ehemaligen PiS-Politikern Krystyna Pawłowicz und Stanisław Piotrowicz im aktuellen Gericht.


Autor: Adam de Nisau