Rzeczpospolita: Wer hat die erste Runde der Präsidentschaftswahlen gewonnen?
Rafał Trzaskowski hat zwar das beste Ergebnis bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl erzielt – doch von einem Erfolg kann keine Rede sein. Im Gegenteil. Der Unterschied von kaum 2 Prozent für den Kandidaten von der liberalen Bürgerplatform (PO) gegenüber dem PiS-nahen Karol Nawrocki – das sei ein minimaler Vorsprung, schreibt Jacek Nizinkiewicz für die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Doch dies sei nicht Trzaskowskis größtes Problem. Die Kandidaten der radikalen Rechten – Grzegorz Braun und Sławomir Mentzen – haben fast 22 Prozent der Stimmen erhalten. Ihre Stärke könnte in der Exit-Poll möglicherweise sogar noch unterschätzt worden sein. Damit wäre das Szenario für die zweite Runde klar: Die radikale Rechte werde entscheiden, wer Polens nächster Präsident wird, lesen wir im Blatt.
Wie der Autor erinnert, hätten ihre Politiker zudem bereits offen erklärt: „Hauptsache nicht Trzaskowski“. Die liberalen Demokraten dürften ihnen nach nicht die volle Macht im Land haben. Ihre Ausrichtung stehe somit bereits fest. Sollte dieser Ton auch vor dem 1. Juni anhalten, werde Trzaskowski vor einem großen Problem stehen. Die Unterstützung des Koalitianten seiner Partei, Szymon Hołownia vom Dritten Weg oder Magdalena Biejat von der Linken, werde nur wenig helfen. Beide haben ein schwaches Ergebnisse erzielt. Als Vertreter der Regierungskoalition zeige dies deutlich: Auch die Regierung verliere an Rückhalt.
Und genau hier liege das Hauptproblem, heißt es weiter. Trzaskowski trage die Regierung von Donald Tusk wie ein Mühlstein um den Hals. Laut einer Umfrage aus dem April würden 51 Prozent der Befragten Premierminister Donald Tusk negativ sehen. 40 Prozent seien unzufrieden mit der Regierung. Die Regierungskoalition, so das Blatt, verliere deutlich an Popularität.
Was bleibe den beiden Spitzenkandidaten somit vor der Stichwahl? Sie müssen ihre Wähler mobilisieren. Überall präsent sein. Nicht nur das eigene Lager ansprechen, sondern auch um die Stimmen der ausgeschiedenen Kandidaten werben – und um die der Unentschlossenen. Trzaskowski und Nawrocki stehen somit zwei harte Wochen bevor, heißt es am Schluss. Sie müssen nun um junge Wähler kämpfen und durch das ganze Land reisen. Viel werde von Donald Tusk abhängen. Werde er Vorschläge machen, die Trzaskowski Rückenwind verschaffen? Oder zum Hindernis, über das Trzaskowski stolpern werde?
Geht es nach Nizinkiewicz tue Trzaskowski, sein Team und die Regierung zwar viel – doch das könnte paradoxerweise dazu führen, dass in zwei Wochen Karol Nawrocki Präsident Polens wird. Noch ist jedoch nichts entschieden, lautet das Fazit in der Rzeczpospolita.
Forsal: Die polnische Gesellschaft ist einfach konservativ
Was erwartet uns vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl? Gewinnen werde derjenige, der sich in den nächsten zwei Wochen am besten als Außenseiter des anhaltenden politischen PO-PiS Duopols inszeniere, sagt indes der Politologe Dr. habil. Sławomir Sowiński von der Kardinal-Stefan-Wyszyński-Universität im Gespräch mit dem Wirtschaftsblatt Forsal. Wie wir lesen, seien seit 2005 die Wahlen in Polen stets nach rechts gekippt – dreimal siegte ein PiS-Kandidat, einmal ein konservativer PO-Politiker. Der gestrige Wahltag zeige nur, wie stark nach rechts die diesjährige Kampagne tatsächlich gezogen sei. Geht es nach dem Politologen trage die Bürgerplattform nun die Konsequenzen dafür, dass sie auf einem klar rechtslastigen Spielfeld einen liberal-linken Kandidaten ins Rennen geschickt habe.
Sowiński nach sei das Ergebnis ein doppeldeutiger und eher düsterer Sieg für Rafał Trzaskowski, ein historischer Erfolg für den rechtsradikalen Sławomir Mentzen und eine sehr vielversprechende Ausgangslage für den konservativen Karol Nawrocki vor der Stichwahl. Besonders alarmierend sei der Aufstieg des nationalistischen Kandidaten Grzegorz Braun. Doch dieser Trend sei kein Einzelfall, lesen wir. In ganz Europa gebe es seit etwa zehn Jahren eine rechtsradikale Protestbewegung gegen das derzeitige politische System. Vor 50 Jahren sei von links gekommen, heute komme sie von rechts. Die zwei Wahlsiege von Donald Trump in den USA oder der Aufstieg der AfD in Deutschland seien ein Beweis dafür, so Sowiński. Polen sei in diesem Sinne ein westeuropäisches Land, das dieselben Ängste spüre. Deshalb wachse auch hier zunehmend ein Protest gegen den liberalen Mainstream.
Geht es nach dem Politologen, werde es in der zweiten Runde keine große Wählerwanderung geben. Wähler seien nämlich keine Schafe, lesen wir. Sie würden sich nicht mit einer einzigen Geste des Hirten umtreiben lassen. Die Präsidentschaftskampagne beginne nun gewissermaßen von vorne, heißt es. Entscheidend seien zwei dramatische Narrative: Die PiS werde Angst vor einer Alleinherrschaft der PO schüren, während Trzaskowski vor einem politischen Stillstand warnen werde. Beide Kandidaten müssten jedoch auch gleichzeitig beweisen, dass sie nicht Teil des seit zwei Jahrzehnten abwechselnd regierenden Duopols seien.
Sowiński erinnert abschließend an 2015. Ihm nach sei die politische Landschaft Polens damals klar nach rechts gekippt. Wie wir lesen, sei die polnische Gesellschaft aber einfach auch generell konservativ, unabhängig vom fortschreitenden Säkularisierungsprozess. Auch 2023 sei das sichtbar gewesen. Die PiS gewann zwar die Wahl, konnte aber keine Koalition bilden.
Das aktuelle Wahlergebnis sei – so der Politologe – auch ein hartes Memento für Premierminister Donald Tusk. Die Regierung müsse sich neue Wege überlegen, denn mit reiner Abrechnungspolitik gegenüber der oppositionellen PiS lasse sich die Bevölkerung langfristig nicht überzeugen.
DoRzeczy: Stockholm-Syndrom der polnischen Wählerschaft
Die hohen Umfragewerte von Sławomir Mentzen haetten kurzzeitig hoffen lassen, dass die diesjährige Präsidentschaftswahl einen historischen Bruch mit dem PO-PiS-Duopol bringen könnte. Doch gegen Ende des Wahlkampfs sei alles zur alten Ordnung zurückgekehrt, schreibt das rechts-konservative Wochenblatt DoRzeczy. Im wahrscheinlichsten Szenario werden nun erneut Kandidaten der Bürgerplattform (PO) und der Recht und Gerechtigkeit (PiS) um das höchste Staatsamt kämpfen. Ist das ein Beweis für die Wirksamkeit der politischen Propaganda, die den Polen einrede, es gebe in Polen keine andere Option, lautet die Frage.
Der politische Analyst Marcin Palade nennt dies im Gespräch mit dem Blatt einen Beleg für das „Stockholm-Syndrom der polnischen Wähler“. Vor kurzem habe eine Umfrage gezeigt: Drei von vier Polen würden PiS-Chef Jarosław Kaczyński gerne in den politischen Ruhestand schicken. Im Fall von PO-Chef Donald Tusk seien es zwei von drei. In beiden Lagern gebe es also Wähler, die den eigenen Anführer eigentlich gerne loswerden wollen, lesen wir. Und dennoch würden sie dieselben Lager wählen– aus Gewohnheit, Loyalität oder Angst vor dem Unbekannten, heißt es.
Auch diese Wahl hätte somit erneut die Dominanz der politischen Lager um Kaczyński und Tusk bestätigt. Doch diesmal würden ihre Kandidaten nur rund 60 Prozent der Stimmen vereinen – der niedrigste Wert für diese führenden Parteien seit Jahren. Palade nach sei dies ein deutliches Zeichen: Die Polarisierung der politischen Szene Polens nehme ab. Für die Wahlkampfteams von Rafał Trzaskowski und Karol Nawrocki bedeute dies eine große Herausforderung, so Palade am Schluss. Rund 40 Prozent der Stimmen stammen aus Lagern jenseits des PO-PiS-Spektrums. Wer die Stichwahl gewinnen wolle, müsse nun gezielt und überzeugend um diese Wählerschaft werben, lesen wir in DoRzeczy.
Autor: Piotr Siemiński