Rzeczpospolita: „Prekonstruktion“ der Regierung
Die heutige von Premierminister Donald Tusk vorgenommene Regierungsumbildung solle weniger als Rekonstruktion denn als bloße „Prekonstruktion“ gelten – eine Vorbereitung auf eine umfassende Neugestaltung des Kabinetts, schreibt Marek Migalski in der konservativ-liberalen Rzeczpospolita. Aus seiner Sicht liege der ideale Zeitpunkt für eine tiefgreifende Umbildung wenige Wochen vor der Parlamentswahl: Dann könne man ein neues Regierungsteam präsentieren, das positive Emotionen wecke, auf anerkannte Fachleute setze und das Wahlprogramm mit klaren Reformschwerpunkten verkörpere. Eine solche Rekonstruktion müsse für die Wähler sowohl personell – einschließlich eines neuen Regierungschefs – als auch inhaltlich attraktiv sein, heißt es im Blatt.
Gleichzeitig stehe das Regierungslager erneut vor dem Dilemma von 2023: Soll es 2027 gemeinsam als Koalition oder getrennt antreten? Diesmal, so der Autor, habe nur ein gemeinsamer Wahlblock beinahe aller Regierungsparteien eine realistische Chance, die Macht zu verteidigen. Bei den aktuellen Umfragewerten seien die Partner allein chancenlos, weshalb ein Bündnis „in einem Block“ als vernünftigste Lösung erscheine. Die Wahl 2027 würde damit faktisch zu einem Referendum über das neue Kabinett und sein Programm.
Damit die Operation gelinge, brauche es allerdings auch einen neuen Regierungschef. In Frage kämen etwa der liberale Warschauer Stadtpräsident Rafał Trzaskowski oder der eher konservative Außenminister Radosław Sikorski; möglich sei ebenso eine frische, parteiunabhängige Figur. Das Experiment mit Staatspräsident Karol Nawrocki zeige, so Migalski, dass die Wähler vor allem auf einen Neuanfang hofften.
Die Schlussfolgerung liege für den Kommentator auf der Hand: Eine Koalition unter Donald Tusk mit nur kosmetischen Änderungen sei zum Scheitern verurteilt. Gerettet werden könne sie allein durch eine tiefgreifende Umbildung kurz vor der Wahl – die heutigen Personalwechsel seien daher lediglich eine „Prekonstruktion“, alles Entscheidende stehe noch bevor, resümiert Marek Migalski in der Rzeczpospolita.
Rzeczpospolita: Inder mit polnischer Rente?
Im November vergangenen Jahres habe die polnische Regierung ein Abkommen über soziale Sicherung mit Indien unterzeichnet, berichtet ebenfalls die Rzeczpospolita. Das Abkommen gewähre Staatsbürgern beider Länder gleiche Rechte für Arbeitszeiten in Polen und Indien. Es folge den Prinzipien, die auch für EU-Bürger gelten, und garantiere, dass im Ausland geleistete Arbeit bei der Berechnung von Renten oder Invaliditätsleistungen berücksichtigt werde. Besonders umstritten sei dabei der Zugang zu den aus dem Staatshaushalt finanzierten Mindestrenten, heißt es im Blatt.
Aus der Begründung des Ratifizierungsprojekts gehe hervor, das Abkommen solle vor allem Polen dienen, die in Indien arbeiten müssen und derzeit doppelt Sozialabgaben zahlen: in Polen und in Indien. Betroffen seien jedoch nur rund 200 Personen.
Doch wie viele Inder arbeiteten legal in Polen und könnten von der neuen Regelung profitieren? Über 21 000 – Tendenz steigend, schreibt die Zeitung. Indien wäre damit bereits das 16. Nicht-EU-Land, mit dem Polen ein solches bilaterales Sozialversicherungsabkommen geschlossen habe. Ähnliche Verträge bestünden mit Australien, Israel, mehreren Nachfolgestaaten Jugoslawiens, der Mongolei, Südkorea und den USA; zuletzt seien Belarus und die Ukraine hinzugekommen – die derzeit größten Nutznießer dieser Regelung.
Laut Rzeczpospolita wächst nun die Kritik an diesen Abkommen. Der Grund: Schon ein einziger Beitrag zur polnischen Sozialversicherung reiche, damit ein in Polen lebender Ausländer – der etwa in der Ukraine oder den USA die übrige Versicherungszeit nachweist – Anspruch auf eine Aufstockung seiner Rente auf das polnische Mindestrentenniveau erhalte. Diese Aufstockung werde vollständig aus dem Staatshaushalt finanziert. Während in Polen 20 Versicherungsjahre für Frauen und 25 für Männer erforderlich seien, genügten in Indien zehn Jahre, so das Blatt.
Die polnische Rentenanstalt ZUS akzeptiere Arbeitsbescheinigungen aus Ländern mit bilateralen Abkommen ohne eigene Prüfung. Solche Sondervereinbarungen belasteten das polnische Sozialversicherungssystem erheblich, lautet das Fazit der Rzeczpospolita. Wie viele Ausländer letztlich welche Leistungen beziehen, bleibe ungewiss.
Forsal: Sondersteuer für Kinderlose?
Gestern befasste sich das polnische Parlament mit einer möglichen Sondersteuer für Kinderlose. Ledige ohne Nachwuchs sollten – zumindest nach dem Willen des konservativen Abgeordneten und diesjährigen Präsidentschaftskandidaten Marek Jakubiak – künftig zusätzlich zahlen. In einem Interview erklärte Jakubiak, seine Kinder sollten „niemanden mitfinanzieren müssen“. Die Abgabe solle exakt den aktuellen Familienleistungen entsprechen, also rund 186 Euro pro Monat, meldet das Portal Infor.pl. Marcelina Zawisza von der linken Partei Razem nannte den Vorstoß in der Boulevardzeitung Fakt „grausam“, insbesondere gegenüber Menschen, die ungewollt kinderlos seien. Jeder müsse selbst entscheiden dürfen, ob er Kinder haben wolle oder nicht, so Zawisza.
Auch das parlamentarische Büro für Analysen und Bewertung gesetzlicher Auswirkungen (BEOS) empfiehlt, den Gesetzesvorschlag abzulehnen. Kinderlose leisteten bereits heute ihren Beitrag, indem sie regelmäßig Sozialabgaben entrichteten, betonen die Experten. Zudem sei die Behauptung unhaltbar, Menschen ohne Kinder würden ab dem 30. Lebensjahr das System „natürlicherweise belasten“.
Weiter verweist BEOS auf den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz: Eine Sondersteuer, die Bürger nach Familienstand unterschiedlich behandelt, könnte dagegen verstoßen. Im polnischen Sozialversicherungssystem gelte das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit, welches in der Rentenversicherung mit der Formel „jedem nach seiner Arbeit“ umschrieben werde. Erhöhte Beiträge für Kinderlose hätten außerdem einen Nebeneffekt: Sie würden später höhere Renten beziehen, die wiederum von den Beiträgen künftiger, zahlenmäßig kleinerer Generationen finanziert werden müssten.
Zum Vergleich: In Deutschland zahlen Kinderlose ab 23 Jahren einen um 0,25 Prozentpunkte höheren Beitrag zur Pflegeversicherung. In Frankreich wirkt das sogenannte Familiensplitting: Mit steigender Kinderzahl sinkt dort die Steuerlast, erinnert Forsal.
Autor: Piotr Siemiński