DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Die offene Tür und ihre Tücken
Der Sicherheitsexperte Witold Sokała zeigt sich in seinem Leitkommentar zur Wochenendausgabe von Dziennik/Gazeta Prawna vorsichtig optimistisch über die Ergebnisse des Nawrocki-Besuchs in Washington. Die gute Nachricht, so der Autor, sei, dass der Besuch ohne spektakuläre Pannen verlaufen sei – „ein Risiko, das durchaus bestand". Trumps Zusage, die amerikanische Militärpräsenz in Polen aufrechtzuerhalten oder sogar zu verstärken, sowie die Einladung zum G20-Gipfel seien positive Signale.
Doch gleichzeitig mahnt der Autor zur Vorsicht: „Trump hat uns leider schon daran gewöhnt, bereitwillig den Kurs zu ändern. Wir müssen immer damit rechnen, dass er uns am Mittwoch goldene Berge verspricht, aber nach dem Wochenende alles widerruft, wenn er einen – seiner Meinung nach – attraktiveren Deal mit Wladimir Putin vor Augen hat."
Laut dem Experten seien für Polens weitere Strategie zwei Punkte entscheidend. Erstens könne der Präsidentenpalast allein weder militärische noch wirtschaftliche Projekte finalisieren. „Ob es einem gefällt oder nicht, die wesentlichen Instrumente liegen in den Händen der Regierung – und ihre Minister müssen loyal in weitere Aktivitäten eingebunden werden", schreibt er. Die Ankündigung Nawrockis, dass der Chef des Nationalen Sicherheitsbüros Sławomir Cenckiewicz mit US-Verteidigungsminister Hegseth an einem Projekt zur Vergrößerung der US-Truppenpräsenz arbeiten solle, sei daher beunruhigend, da Cenckiewicz weder besondere Militärkompetenz noch verfassungsmäßige Befugnisse besitze. “In dieser Situation weiß der Präsident entweder, dass daraus ohnehin nichts wird und es nur darum geht, so lange wie möglich politische Punkte zu sammeln... oder es müssen früher oder später der Premierminister und der Verteidigungsminister in dieses Puzzle einbezogen werden. Hoffentlich”, so Sokała.
Zweitens, so der Publizist weiter, würden die Amerikaner nichts umsonst geben. „Sie verfolgen ihre Interessen, nicht unsere." Die punktuelle Verstärkung der US-Präsenz in Polen resultiere wohl nicht aus Dankbarkeit für Pułaski und Kościuszko, sondern aus der Hoffnung, „relativ günstig einen nützlichen Störfaktor innerhalb der EU zu gewinnen", der europäische Bestrebungen nach strategischer Autonomie blockiere. „Das Problem ist, dass ein solches Szenario – langfristig – nicht unbedingt im Interesse Polens liegt", warnt Sokała. Polen riskiere, eine potentiell in Europa entstehende neue strategische Qualität zu verpassen und am Ende ohne besonderen Schutz, aber dafür mit Rechnungen und Feinden dazustehen. „Deshalb brauchen wir in den Beziehungen zu den USA einen kühlen Kopf, Professionalität, die Fähigkeit, auf verschiedenen Klavieren zu spielen – und zumindest ein Minimum an überparteilicher Loyalität", so Witold Sokała in Dziennik/Gazeta Prawna.
GAZETA.PL: Deutschland versucht, die Kosten geopolitischer Änderungen auf Polen abzuwälzen
Im Interview mit der linksliberalen Gazeta.pl zeichnet Dr. Mateusz Piotrowski vom Verein „Patient Europa" ein alarmierendes Bild der Mercosur-Auswirkungen auf die polnische Landwirtschaft. Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und südamerikanischen Staaten sei für Polen „ungünstig", der harte Widerstand dagegen „rational".
„Wir”, so der Experte, “sind der größte Geflügelexporteur in der Union, der drittgrößte weltweit. In Brasilien ist der Durchschnittspreis für Masthähnchen um die Hälfte niedriger als in Polen und Europa." Die 180.000 Tonnen Geflügel, die im Rahmen des Abkommens zollfrei eingeführt werden könnten, entsprächen zwar nur zwei Prozent der EU-Produktion, aber 17 Prozent des polnischen Exportüberschusses. „Brasilien und Argentinien werden uns aus diesem Sektor verdrängen", so Piotrowski.
Die Kombination aus Mercosur, ukrainischem Agrardruck und den geplanten Kürzungen der EU-Mittel für ländliche Entwicklung könne zu einer gefährlichen Destabilisierung führen. Paradoxerweise hätten sich polnische Landwirte gerade an die Anforderungen des Europäischen Green Deals angepasst. „Nach anfänglichem Widerstand, als die ideologische Aufregung um den Green Deal – angeheizt durch russische Propaganda – verstummte, hat die polnische Landwirtschaft die ökologischen Veränderungen weitgehend akzeptiert", erklärt Piotrowski. Die Öko-Programme verzeichneten Zuwachsraten von teilweise über tausend Prozent. „Und jetzt fühlen sie sich verschaukelt." Denn nun werde die bisher von der EU-Kommission verfolgte Strategie „Vom Acker auf den Teller" ad absurdum geführt, wenn gleichzeitig Rindfleisch und Geflügel aus zehntausend Kilometern Entfernung importiert werden solle – aus Ländern mit niedrigeren Umweltstandards und schlechteren Arbeitsbedingungen.
Wenn keine Entwicklungsräume für die Landwirtschaft geschaffen würden, so Piotrowski, drohe der Kollaps mittlerer Betriebe. „Die Bank hat einen Kredit gegeben, du kannst die Raten nicht zahlen, also übernimmt BNP Paribas oder Crédit Agricole das Land, konsolidiert es, und der Landwirt kann dort weiterarbeiten, aber nicht mehr als Eigentümer, sondern als Knecht."
Deutschland unterdessen, für dessen Industrie die Trump-Zölle ein Problem seien, werde profitieren. „Die Länder des Mercosur schicken uns Lebensmittel, Kaffee, Kakao, Geflügel, und Europa schickt dorthin Pharmazeutika, Chemie, Autos", erklärt Piotrowski. Dies sei nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein politisches Problem: „Europa schiebt diese Menschen in die Arme von Kräften, die die Union zerstören wollen, und liefert Argumente, dass die EU eine böse Stiefmutter ist".
Piotrowskis Fazit: „Wir haben den Versuch der Deutschen, die Kosten geopolitischer Veränderungen auf uns und die Franzosen abzuwälzen. Ich sehe keine Gründe, dem von vornherein zuzustimmen". Europa könne es sich nicht leisten, dass „der deutsche Industrie-, Chemie- oder Pharmamagnat gewinnt und der französische oder polnische Bauer verliert", so Dr. Mateusz Piotrowski im Interview für gazeta.pl.
RZECZPOSPOLITA: Trainer Urban zeigt Führungsstärke
Der gestrige 3:1-Sieg der polnischen Nationalelf gegen Finnland sei sogar wichtiger gewesen sei als das Remis gegen die Niederlande, schreibt Stefan Szczeplek in seinem Kommentar für die Rzeczpospolita.
Wie der Autor hervorhebt, habe sich Jan Urban für ein wichtiges Zeichen entschieden: Er habe derselben Elf vertraut, die in Rotterdam gespielt habe, obwohl dort gerade die sonst verlässlichen Spieler wie Robert Lewandowski, Piotr Zieliński und Sebastian Szymański enttäuscht hatten. „Die Entscheidung Urbans, sie in der Mannschaft zu belassen, war gleichbedeutend mit den Worten: Jungs, es klappt nicht immer, aber ich glaube an euch, weil ihr spielen könnt", so der Publizist.
Das Ergebnis habe dem Trainer recht gegeben: „Die ganze kritisierte Dreiergruppe spielte diesmal sehr gut, Zieliński und Szymański waren nicht nur vor dem gegnerischen Tor, sondern kämpften auch bis zum Umfallen in der Abwehr." Das Zuspiel von Zieliński, nach dem Lewandowski das zweite Tor erzielte, sei „Poesie" gewesen.
Urbans Vorgehen sei ein Beweis für geschicktes Krisenmanagement: „Urban hat das Durcheinander in den Griff bekommen, den Spielern und Fans Vertrauen eingeflößt, mit seinem Verhalten und seinen Entscheidungen gezeigt, dass er eine in der Krise übernommene Gruppe führen kann." Dies schaffe Vertrauen bei den Spielern, dass der Trainer eine Vision habe und wisse, was er wolle.
Allerdings warnt Szczepłek auch vor übertriebener Euphorie: „Freuen wir uns über das, was wir haben, aber denken wir auch an das Glück, das wir in Rotterdam hatten, und daran, dass das Besiegen des sehr durchschnittlichen Finnlands unsere Pflicht war." Urban habe in vier Trainingseinheiten keine Mannschaft erschaffen, die plötzlich aufhöre zu verlieren, dazu sei es noch ein weiter Weg. Aber: „Vielleicht kehren wir auf einen Weg zurück, auf dem wir lange nicht waren", schließt Stefan Szczepłek in der Rzeczpospolita.
Autor: Adam de Nisau