Deutsche Redaktion

"Demokratie ohne Mitte"

02.10.2025 10:44
„Demokratie lebt vom Zentrum. Vom Kompromiss. Doch das Zentrum verschwindet – in Europa, in Polen, überall“, warnt Historiker Lejb Fogelman im Gespräch mit Onet. Außerdem: Hohe Lebenshaltungskosten machen Studieren in Polen zunehmend zum Luxusgut. Mehrheit der Polen für nächtliches Alkoholverkaufsverbot. Und: Polska 2050 am Scheideweg. Mehr dazu in der Presseschau.
Dla co trzeciego mieszkańca naszego kraju z pokolenia Z (1626 lat) jest obojętne, czy żyje w wolności, czy w autorytaryzmie
Dla co trzeciego mieszkańca naszego kraju z pokolenia Z (16–26 lat) jest obojętne, czy żyje w wolności, czy w autorytaryzmieGlow Images/ East News

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Studieren als Luxusgut?

Auf einer Pressekonferenz zum Start des akademischen Jahres hat Adrian Zandberg von der linken Partei Razem scharfe Kritik am neuen Staatshaushalt geäußert, schreibt Dziennik/Gazeta Prawna. Trotz steigender Lebenshaltungskosten und horrender Mieten sehe der Entwurf für 2025 keinerlei zusätzliche Hilfen für Studierende vor.

„Das ist ein Sparkurs-Budget auf Kosten der Universitäten und Fachhochschulen“, sagte Zandberg. „Sozialpolitische Probleme der Studierenden werden ignoriert – und genau das verhindert heute schon, dass viele ihr Studium fortsetzen können.“

Auch Parteisprecher Mateusz Merta unterstrich die Dramatik: In Großstädten wie Warschau oder Krakau belaufen sich die Lebenshaltungskosten für Studierende auf bis zu 4000 Złoty im Monat. „Für viele Familien wird ein Studium zum Luxusgut, leistbar nur noch für die wohlhabende Elite“, so Merta. Ein Drittel der Studierenden müsse arbeiten, um über die Runden zu kommen – und das auf Kosten ihrer Ausbildung.

Zandberg warnte zudem vor den Folgen der Unterfinanzierung zentraler Forschungsinstitutionen wie des Nationalen Wissenschaftszentrums oder der Polnischen Akademie der Wissenschaften. „Ohne Investitionen in Forschung und Lehre hat Polen keine Zukunft. Wissenschaft darf nicht wie ein fünftes Rad am Wagen behandelt werden – sonst rächt sich das schon bald bitter“, so der Politiker.

ONET.PL: Demokratie ohne Mitte

Nach dem Mord an Charlie Kirk in den USA hat Onet mit dem Juristen und Historiker Lejb Fogelman über den Zustand westlicher Demokratien gesprochen. Seine Diagnose fällt alarmierend aus: „Demokratie lebt vom Zentrum. Vom Kompromiss. Doch das Zentrum verschwindet – in Europa, in Polen, überall.“

Fogelman verweist auf Frankreich, wo Präsident Macron zwischen links und rechts wie eine Zahnpastatube ausgequetscht werde. In Polen wiederum fehle die Basis für Kompromisse, weil die Mittelschicht – traditionell Trägerin des Dialogs, wegen der dramatischen historischen Ereignisse - der Ermordung eine großen Teils der Intelligenz von deutschen und russischen Besatzern - immer noch schwach ausgeprägt sei.

Besonders schmerzlich sei der Verlust einer Streitkultur, die auf Respekt basiert. „Charlie Kirk hatte Einfluss, weil er sich an den Tisch setzte und sagte: ‚Wer meint, ich liege falsch?‘ – er suchte das Gespräch, statt andere zu verhöhnen.“

Warum aber versandet heute jeder Dialog? Fogelman sieht die Ursache bei der „Generation Z“, die sich während der Pandemie ins Internet zurückzog und nie wieder herauskam. „Dort herrscht keine Wertebasis, jeder ist sein eigener Mittelpunkt. ‚Safe zones‘ und ‚Cancel Culture‘ verhindern, dass Menschen intellektuelle Reibung überhaupt noch aushalten. Wo bleibt da Platz für echten Austausch?“ – fragt er im Gespräch mit Onet.

SUPER EXPRESS: Nacht ohne Alkohol: Mehrheit der Polen für Verkaufsstopp

Immer mehr Städte in Polen verbieten den nächtlichen Alkoholverkauf – nun könnte bald eine landesweite Regelung folgen. Die Linksfraktion hat im September 2025 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ein Verkaufsverbot zwischen 22 Uhr und 6 Uhr vorsieht. Zusätzlich soll Alkohol an Tankstellen und in medizinischen Einrichtungen nicht mehr erhältlich sein.

Eine Umfrage des Instituts Pollster für die Zeitung Super Express zeigt: 62 Prozent der Bevölkerung unterstützen das Verbot, davon 39 Prozent „voll und ganz“. Nur 28 Prozent sind dagegen, 10 Prozent noch unentschlossen.

Auch im Parlament zeichnet sich Zustimmung ab. Der PiS-Abgeordnete Bolesław Piecha meint: „Wer nach 22 Uhr noch Alkohol kaufen will, sucht selten etwas Gutes. Diese Einschränkung schadet niemandem.“ Unterstützung kommt auch aus der Opposition: KO-Politiker Marcin Józefaciuk nennt den Verkauf an Tankstellen ein „Kuriosum“ und will den Vorstoß der Linken mittragen.

Ob die mächtige Alkohol-Lobby den Plan noch zu Fall bringen kann, bleibt offen. Doch die Chancen stehen gut, dass Polen bald landesweit eine „trockene Nacht“ bekommt, so Super Express.

RZECZPOSPOLITA: Polska 2050 am Scheideweg

Der Thron des Papstes ist vergeben – also begnügt sich Szymon Hołownia offenbar mit einem Posten als UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, berichtet eine Weggefährtin des Politikers, mit der er einst die Partei Polska 2050 aufgebaut hat, den politischen Rückzieher des Sejmmarschalls. Die Partei steckt tief in der Krise, erinnert die Tageszeitung Rzeczpospolita. Umfragen sehen sie bei nur einem Prozent, und nichts deutet darauf hin, dass die Formation, die gerade ihren bekannten Gründer verliert, wieder Boden gutmachen könnte.

Die Hintergründe des Niedergangs, lesen wir, seien eng mit Hołownias gescheiterten Ambitionen verbunden. Der Journalist, Bestsellerautor und frühere Präsidentschaftskandidat habe von der höchsten politischen Position des Landes geträumt. Das überraschend starke Abschneiden von Grzegorz Braun sei für ihn ein Schlag ins Gesicht gewesen. Partei und Ämter sollten ihm als Sprungbrett dienen – als dieser Plan scheiterte, habe Hołownia sich zurückgezogen und sei über alle verärgert gewesen.

Noch vor wenigen Monaten habe er in einem Interview mit der „Rzeczpospolita“ betont, dass er kein bloßer „Politik-Tourist“ sei und eine bessere Zukunft für seine Tochter gestalten wolle. „Immer wieder taucht jemand Neues auf – Palikot, Petru, Kukiz, jetzt Hołownia – und am Ende stehen unerfüllte Träume und enttäuschte Erwartungen“, sagt Prof. Rafał Chwedoruk von der Universität Warschau.

Nun werde wahrscheinlich eine Politikerin die Führung von Polska 2050 übernehmen, die kein gutes Verhältnis zum Premierminister Donald Tusk habe. Teile der Partei würden Jarosław Kaczyńskis Gruppierung näherstehen. Und der PiS-nahe Präsident Karol Nawrocki nutze geschickt die Spannungen innerhalb der Regierungskoalition, deren Überleben bis zu den Wahlen 2027 zunehmend fraglich erscheine, lesen wir in Rzeczpospolita.

Autor: Jakub Kukla

 

 

„Polens Demokratie in schlechtem Zustand"

30.06.2025 13:30
Die polnische Demokratie befinde sich in einem schlechten Zustand. Eines der wenigen positiven Zeichen der letzten Jahre sei nur die deutlich gestiegene Wahlbeteiligung. Das „dritte Polen“ will sich geistig aus den Schützengräben des polnisch-polnischen Bruderkriegs befreien und setze auf Polens Weiterentwicklung als oberstes Ziel. Und: Was hat Polen während der EU-Ratspräsidentschaft wirklich erreicht? Mehr dazu in der Presseschau.

Hołownia verteidigt Äußerung zum „Staatsstreich“

29.07.2025 10:03
Parlamentspräsident Szymon Hołownia hat seine umstrittene Aussage über einen angeblichen „Staatsstreich“ verteidigt. Er habe den Begriff nicht im juristischen, sondern im politischen Sinne verwendet, erklärte der Politiker am Samstag auf Facebook. Es gehe um eine politische Einschätzung der Lage nach der Präsidentenwahl.

"Wird Alkohol teurer?"

25.08.2025 12:00
Wer ist für den Skandal rund um die Verwendung von Geldern aus dem Nationalen Wiederaufbauplan (KPO) verantwortlich? Die Frage entzweit die polnische Gesellschaft. Außerdem: Die Regierung will die Verbrauchssteuer für Alkohol anheben und damit zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen. Doch sie hat die Rechnung womöglich ohne Staatspräsident Nawrocki gemacht. Mehr dazu in der Presseschau.

"Tusk und Kaczyński spalten das Land, und die Russen jubeln"

24.09.2025 11:51
Die Politiker der Bürgerplattform und der PiS sind seit Jahren mit sich selbst beschäftigt, ganz zum Wohlgefallen des Kremls, meint Tygodnik Powszechny. Die Regierung verschärft die Regeln für den Militärdienst. Wie glaubwürdig sind Umfragen zur Wehrhaftigkeit? Und: Gleichstellungsministerin Kotula nimmt einen weiteren Anlauf beim umstrittenen Thema Lebenspartnerschaften. Die Einzelheiten zu diesen Themen in der Presseschau.

Umfrage: Mehrheit für Sikorski als möglichen Nachfolger von Tusk

01.10.2025 11:02
Sollte Polens Ministerpräsident Donald Tusk von seinem Amt zurücktreten, spräche sich eine relative Mehrheit der Bevölkerung für Außenminister Radosław Sikorski als Nachfolger aus. Das geht aus einer Umfrage des Instituts Pollster für die Boulevardzeitung „Super Express“ hervor.