Thema Nummer 1 in der Presse ist heute der gestrige Protest von über 40 Medienunternehmen gegen die Regierungspläne, Werbeeinnahmen mit einer neuen Steuer zu belegen. Im Rahmen des Protests haben zahlreiche Privatsender und Internetportale gestern Funkstille angeordnet. Statt neuer Inhalte war auf den Internetseiten ein offener Brief an die Regierung zu lesen.
Dziennik: Wie wird Polen ohne freie Medien aussehen?
Die Regierung, erinnert in seiner heutigen Ausgabe das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna, hofft durch die neue Abgabe auf zusätzliche Einnahmen in Höhe von einer Milliarde Złoty, die helfen sollen, die Folgen der Pandemie zu bekämpfen. Viele Staaten der EU, so das Argument der Regierungspartei, hätten auf eigenem Gebiet zusätzliche Steuern von Werbeeinnahmen für die Digitalwirtschaft eingeführt oder würden solche Schritte erwägen. In ähnlicher Richtung wolle auch Polen gehen.
Doch, wie die Autoren des offenen Briefes betonen, werden die von der Regierung als "globale digitale Giganten" bezeichneten Unternehmen etwa 50-100 Millionen Złoty im Rahmen der neuen Steuer zahlen müssen. Daher würden viele die Besteuerung von Mediengiganten als Vorwand sehen, um faktisch die Medien finanziell zu schwächen, die die Machthaber nicht tolerieren.
Zweifelhaft sei auch, lesen wir weiter, wie die Mittel verteilt werden sollen. Denn laut dem Projekt sollen 35 Prozent der Einnahmen in einen neuberufenen Fonds treffen und für die Produktion von modernen Medienprojekten sowie die Schaffung und Entwicklung von Informationskanälen sowie für die Werbung des Nationalen Erbes genutzt werden. Dies bedeute, dass ein Teil der Abgaben von den größten Unternehmen in Medien zurückfließt, die die Realisierung von gesellschaftlich besonders wichtigen Projekten auf sich nehmen, zitiert Dziennik/Gazeta Prawna die Argumente der Regierung.
Rzeczpospolita: Wer vereitelt den Anschlag der PiS auf die Medien?
Die Steuer soll de facto dazu dienen, Mittel von unabhängigen Medien an diejenigen zu überweisen, die der Regierung wohlgesonnen sind, schreibt in seinem Kommentar zum Thema der Publizist der konservativ-liberalen Rzeczpospolita, Michał Szułdrzyński. Das Regierungslager, so der Autor, versuche die Tatsachen auf den Kopf zu stellen, indem sie die protestierenden Medien als internationale Medienkonzerne darstelle, die ihre sechsstelligen Profite nicht mit den Polen teilen wollen.
Unter den Unterzeichneten des offenen Briefs seien indes solche “ausländischen” Medienkonzerne zu finden, wie der Verleger der “Rzeczpospolita”, die polnische Firma Gremini, das polnische Polsat, die polnischen: Interia, “Polityka”, “Tygodnik Podhalański”, “Tygodnik Powszechny” und viele mehr. Dies sei die erste Lüge.
Die zweite laute, dass die Abgabe vor allem solche Giganten, wie Facebook oder Google belasten soll. Es bleibe offen, ob die Regierung tatsächlich diese Unternehmen zwingen könne, Steuern zu zahlen. Gleichzeitig besteuere sie aber auch Firmen, die schon in Polen Steuern zahlen.
Es, so der Autor, gehe also nicht um gesellschaftliche Solidarität, sondern darum, die ganze Medienlandschaft im Lande mit Hilfe von politischen Instrumenten umzubauen. Die PiS habe nach den neulichen Protesten in Bezug auf die Abtreibungsvorschriften gesehen, wie ungünstig die Stimmungen in der Gesellschaft für sie ausfallen. Und dass, obwohl alle möglichen staatlichen Instrumente genutzt werden, dies nicht ausreiche, um die Zustimmungswerte zu verbessern. Sie habe sich also entschieden, nach Orbans Vorbild, 2,5 Jahre vor den Wahlen die Medien ins Visier zu nehmen, um eine großangelegte Operation in den Köpfen der Polen durchführen zu können.
Ob dies gelinge, hänge unter anderem auch von den Koalitionspartnern der Regierungspartei ab. Diese müssten sich die Frage stellen, ob sie selbst nur von der Gunst der von der PiS abhängigen Medien abhängig sein wollen, die jederzeit entscheiden können, sie von der öffentlichen Meinung abzukoppeln, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita.
Gazeta Polska Codziennie: Protest der Oligarchen
Er halte den gestrigen Protest vieler Medien unter dem Motto “Medien ohne Wahl” für eine Aktion, die gegen die Meinungsfreiheit gerichtet ist, schreibt indes der Chefredakteur der regierungsnahen, nationalkonservativen Gazeta Polska Codziennie, Tomasz Sakiewicz. Der Beweis: Befürworter des Protests hätten versucht, den Verkauf seiner Zeitung zu blockieren, dafür dass diese nicht an der Aktion teilgenommen habe, über die er nicht einmal informiert wurde.
Man müsse klar sagen, dass dies ein Protest von Oligarchen ist, die gigantische Gewinne machen und den Kampf gegen die Pandemie nicht solidarisch mittragen wollen, fügt in ihrem Autorenkommentar für die Gazeta Polska Codziennie die Publizistin Dorota Kania hinzu. Sie, so Kania, hätten die typische Mentalität des biblischen Kali. Frei nach dem Motto: Kali Kuh stehlen ist ok. Kali Kuh gestohlen - Verbrechen und Skandal. Als die heute protestierenden Konzerne von unseren Steuern stammende Mittel aus dem Krisenschutzschirm erhalten haben, habe das niemanden verärgert. Ganz im Gegenteil, die Vertreter der Medienkonzerne hätten selbst die Hand ausgestreckt. Und der größte Unsinn sei, dass die Steuer die Meinungsfreiheit gefährde. Ein Vermögen für denjenigen, der einen logischen Zusammenhang zwischen dem einen und dem anderen zeige. Und, am Rande gesagt, würden die Konzerne, zu denen die “in Polen erscheinenden Medien gehören” kein Wort darüber verlieren, dass eine solche Steuer unter anderem in Deutschland gilt. Aber dort sei natürlich nicht von der Verletzung der Meinungsfreiheit die Rede, so Dorota Kania in der Gazeta Polska Codziennie.
Rzeczpospolita: Verbotene doppelte Besteuerung
Und zum letzten Punkt noch eine kurze Einschätzung von der ersten Seite der Rzeczpospolita. Geht es nach dem Anwalt, Professor Adam Mariański, würde die geplante neue Abgabe de facto eine doppelte Besteuerung bedeuten und sei damit voraussichtlich verfassungswidrig. Werbeeinnahmen, so Mariański, seien schon mit der Einkommensteuer für Unternehmen belastet. Und in der Rechtsprechung gelte die Annahme, dass eine doppelte Besteuerung das in der Verfassung verankerte Prinzip der Gleichheit und Gerechtigkeit verletzt. Die neue Belastung werde in dem Gesetzesprojekt zwar als Abgabe bezeichnet, habe aber alle von der Verfassung definierten Eigenschaften einer Steuer, fügt im Gespräch mit der Rzeczpospolita Steuerberater Łukasz Czekański hinzu.
Autor: Adam de Nisau