Rzeczpospolita: Freundschaft Orbans mit Putin sprengt Visegrad-Gruppe
Der prorussische Kurs Ungarns im Ukraine-Krieg sprengt die Visegradgruppe, schreibt in der heutigen Ausgabe die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Die Verteidigungsminister Polens, Tschechiens und der Slowakei, lesen wir im Blatt, werden nicht am für Mittwoch geplanten Treffen der V4 in Budapest teilnehmen. Damit würden sie gegen Orbans Unterstützung für Moskau protestieren. “Ich habe die Zusammenarbeit im Rahmen der Visegrad-Gruppe immer befürwortet und ich bedauere sehr, dass für die ungarischen Politiker das billige russische Öl jetzt wichtiger ist, als ukrainisches Blut”, habe dazu die tschechische Verteidigungsministerin Jana Cernochova am Freitag auf Twitter geschrieben. Am Montag habe auch Polens Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak seine Teilnahme am Treffen abgesagt.
Die Beziehungen zwischen Warschau und Budapest seien, wie das Blatt erinnert, nach dem Beginn der russischen Invasion auf die Ukraine eingebrochen. Ungarn liefere als einziger an die Ukraine grenzender EU-Staat nicht nur keine Waffen an Kiew, sondern habe auch die Lieferung solcher Waffen an die Ukraine über sein Staatsgebiet verboten. Gemeinsam mit Deutschland, Bulgarien und Holland habe Orbans Ungarn, das 85 Prozent seines Gases und 60 Prozent seines Erdöls aus Russland beziehe, ein EU-Embargo für russische Rohstoffe blockiert. Zudem wolle Budapest sich auch nicht aus dem 12 Milliarden Dollar schweren Vertrag für die Modernisierung des einzigen ungarischen Atomkraftwerks durch Russland zurückziehen und weigere sich konsequent, das Vorgehen Moskaus in der Ukraine zu verurteilen. All dies, so das Blatt, werde zu einer Einfrierung der Zusammenarbeit in der V4 auf höchster Ebene führen. Die Kooperation auf niedrigerer Ebene werde vermutlich fortgesetzt, da sie einen bedeutenden Mehrwert für die Staaten der Region nach sich ziehe.
Die Scheidung mit Ungarn, so die Zeitung, stelle für Polen jedoch auf EU-Ebene ein bedeutendes Problem dar. Beide Staaten hätten sich im Konflikt mit Brüssel um die Rechtsstaatlichkeit in den letzten 7 Jahren gegenseitig unterstützt und unter anderem die Prozedur aus Artikel 7 des EU-Traktats blockiert, die zu einer Suspendierung des Stimmrechts im EU-Rat führen könnte. Nun sei offen, wie sich beide Staaten verhalten werden, wenn die EU zur Prozedur zurückkehrt. Ungarn werde noch bis Juni den Vorsitz in der V4 innehaben, erinnert Rzeczpospolita.
Gazeta Wyborcza: Schädliche Idee von Kaczyński
Zwei Wochen nach dem Vorstoß von PiS-Chef und Vizepremier Jarosław Kaczyński, der in Kiew eine “NATO-Friedensmission” vorgeschlagen hatte, sehe man, wie schädlich die Aussage für Polen gewesen ist, schreibt der Publizist der linksliberalen Gazeta Wyborcza, Bartosz Wieliński. Die Idee sei offenbar weder mit der Ukraine, noch innerhalb der NATO oder wenigstens den eigenen Reihen konsultiert und abgestimmt worden. Das sehe man sowohl an den Aussagen von Ukraines Staatspräsident Selenskyj, der eingeräumt habe, dass er die Idee nicht ganz verstehe, als auch an der entschiedenen Absage von NATO-Generalsekretär Stoltenberg sowie anderen NATO-Verbündeten und schließlich daran, dass das Vertedigungsministerium erst nach Kaczyńskis Vorschlag einen Plan der Operation vorbereitet habe. Indes würde die russische Propaganda ständig zu dem Thema zurückkehren und die Aussagen der PiS-Politiker dafür nutzen, um die NATO als eine Bedrohung für Russland darzustellen. Zudem würden die Russen versuchen, einen Keil zwischen Polen und die Ukraine zu schieben, indem sie suggerieren, dass eine solche Mission ein Vorwand für die Annexion der westlichen Ukraine wäre. Die NATO habe sich offen von Polen distanzieren müssen. Dabei könne sich die Organisation angesichts des Kriegs keine internen Konflikte leisten. Die ganze Situation sollte für Kaczyński eine Lehre sein, dass Worte ihr Gewicht haben. Und für die PiS, dass man angesichts des Kriegs im Nachbarland kein politisches Gold suchen sollte, so Bartosz Wieliński in der Gazeta Wyborcza.
Auch der Publizist des nationalkonservativen Wochenblatts “Do Rzeczy” und ehemalige Politiker Marek Jurek übt in seiner Stellungnahme Kritik am Vorstoß Polens. “Wir haben derzeit nicht viel Platz für politische Manöver. Aber wenn man den Berg runterrollt, sollte man wenigstens nicht Gas geben”.
Rzeczpospolita: Impfungen für Flüchtlinge
Die Regierung bereitet in Expresstempo 172 Tausend Impfungen gegen Diphterie, Keuchhusten, Masern und Hepatitis für Flüchtlinge aus der Ukraine vor, schreibt in der heutigen Ausgabe die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Die Aktion soll alle Personen umfassen, die sich in Massen-Notunterkünften aufhalten, aber auch Angestellte dieser Objekte und Volontäre, die im Falle von eventuellen Epidemieherden am stärksten möglichen Infektionen ausgesetzt wären. Bisher, so das Blatt, sei es noch nicht zu einer solchen Situation gekommen, aber die Regierung versucht einer potentiellen Ausbreitung dieser Krankheiten in Polen frühzeitig entgegenzuwirken. Der Grund für die Initiative, so das Blatt, sei die niedrige Impfrate in der Ukraine.
Auch die polnischen Impfgegner habe die Situation erschrocken, beobachtet in ihrem Kommentar die Publizistin Joanna Ćwiek. Noch vor Kurzem hätten viele von ihnen argumentiert, dass es sich nicht lohnt, die Nebenwirkungen einer Impfung zu riskieren, wenn in Polen Herdenimmunität gegen diese Krankheiten herrscht. Doch in der Ukraine liege die Impfquote, abhängig von der Region zwischen 60 und 80 Prozent. Und dies würde keine Herdenimmunität garantieren. Gleichzeitig würden die polnischen Schulen schon jetzt 130 Tausend Schüler aus der Ukraine besuchen. Daher würden polnische Ärzte in den letzten Wochen immer häufiger von Schulkindern berichten, deren Eltern sich bei ihnen melden und um die Nachholung der Pflichtimpfungen bitten. Die Schritte der Regierung, die die Impfungen für Flüchtlinge erleichtern sollen seien eine gute Entscheidung. Die Frage sei nur, ob die Möglichkeit, sich zu impfen, bei der hohen Zahl von Impfgegnern in der Ukraine ausreichen werde und ob man nicht noch dezidierter vorgehen sollte, so Joanna Ćwiek in der Rzeczpospolita.
Autor: Adam de Nisau