Eine Woche vor der offiziellen Abstimmung über ein Verbot von Touristenvisa für russische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ist das Thema auch in den polnischen Wochenzeitungen stark vertreten.
Polityka: Die Europäische Union verhält sich gespalten
Das liberale Nachrichtenmagazin Polityka betont in seinem Artikel vom Mittwoch die gespaltene Sicht der EU-Staaten und stellt das Zögern der unentschlossenen Länder infrage. Ein Großteil der Union habe sich bereits für eine erschwerte Visavergabe für russische Staatsbürger ausgesprochen, heißt es in dem Wochenblatt, doch Staaten wie Zypern, Griechenland und Deutschland würden die Umsetzung - überwiegend aus finanziellen Gründen - verhindern.
Insbesondere die direkten Nachbarländer Russlands stünden einem Einreiseverbot positiv gegenüber. Als erstes Land habe Tschechien die Vergabe von Touristenvisa bereits kurz nach Kriegsausbruch eingestellt. Nun versuche das Land, die übrigen EU-Staaten zu überzeugen — aus Solidarität mit der Ukraine.
Denn noch gebe es für russische Staatsbürger einige Möglichkeiten, in die EU zu reisen, informiert die Polityka und weist auf die ausführlichen Informationen hin, die derzeit von russischer Seite zur Verfügung gestellt würden. So könne man beispielsweise über die deutsche, französische, oder ungarische Botschaft an kurzfristige Visa gelangen. Und auch US-Präsident Biden habe sich gegen ein vollständiges Verbot der Visumerteilung für Russen ausgesprochen. Es sei wichtig, die Handlungen der russischen Behörden in der Ukraine von den Russen selbst zu trennen, wird das Weiße Haus zitiert.
In Polen hingegen sehe es anders aus: Hier würden Russen keine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Lediglich Diplomaten, bestimmte Berufstätige, Familienangehörige von EU-Bürgern und Inhaber der „Karta Polaka“ dürften derzeit einreisen, informiert das Blatt. Solange jedoch mindestens ein EU-Staat die Einreise in die Union erlaube, sei der Weg in andere EU-Länder ebenfalls frei, lesen wir. Wolle man ein tatsächliches Einreiseverbot verhängen, so müsste die EU einheitlich auftreten. Plan B sei eine beschränkte Erteilung von Touristenvisa auf Länderbasis in Kombination mit drastischen Verschärfungen der Zollkontrollen und einer langsameren Bearbeitung von Anträgen, schreibt die Polityka.
Do Rzeczy: Maximaler Druck auf Russland nötig
Auch die konservative Wochenzeitung Do Rzeczy kritisiert im Interview mit Vize-Außenminister Paweł Jabłoński die Unentschlossenheit der EU. Polen und die baltischen Staaten seien jahrelang der Russophobie bezichtigt worden, so Jabłoński, Mit dem Krieg habe sich nun aber herausgestellt, dass sie im Recht gewesen seien. Der Westen müsse daher alles in seiner Macht Stehende tun, um Russland zu stoppen. Dazu sei „maximaler Druck notwendig“, den auch die Öffentlichkeit zu spüren bekommen müsse. Dass Auslandsreisen bei russischen Staatsbürgern einen Perspektivwechsel herbeiführen könnten, hält Jabłoński für utopisch, das Verhalten der zurückhaltenden Staaten bezeichnet er als „extreme Naivität“. Des Weiteren sehe er eine Gefahr darin, dass Deutschland sich im Hinblick auf die Energiekrise erneut gen Russland öffnet. Der Kreml verfüge über „Kollaborateure und Agenten“ in verschiedenen Ländern, die ihre Politik an den Interessen Putins ausgerichtet hätten, warnt Jabłoński im Interview mit Do Rzeczy.
Autor: Josephine Schwark