Deutsche Redaktion

„Ein Satrap betreibt Menschenhandel"

15.12.2025 12:20
Der belarussische Diktator Aljaksandr Lukaschenka hat 123 politische Gefangene freigelassen – darunter Oppositionsikonen wie Maryja Kalesnikawa, Wiktar Babaryka und Friedensnobelpreisträger Ales Bjaljazki. Doch der polnische Journalist Andrzej Poczobut bleibt hinter Gittern. Ist die Freilassung ein humanitärer Durchbruch oder zynischer Menschenhandel? Welche Rolle spielen die USA bei den Verhandlungen? Und was bedeutet die MEGA-Bewegung für die europäischen Rechten? Mehr dazu in der Presseschau.
Łukaszenka ułaskawił 23 więźniów politycznych
Łukaszenka ułaskawił 23 więźniów politycznychWiasna/Shutterstock.com/Oleksandr Polonskyi

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Freilassung ohne Poczobut – Welches Spiel spielt der Diktator?"

Die Freilassung von politischen Gefangenen durch Belarus und die Frage, wieso ein für Polen wichtiger Gefangener fehlte, sind wichtige Themen der heutigen Pressekommentare. Zbigniew Parafianowicz berichtet, dass die freigelassenen Gefangenen an der ukrainisch-belarussischen Grenze persönlich vom Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR, General Kyrylo Budanow, empfangen worden seien. Die Ukrainer hätten aus dem Ereignis eine mediale Show gemacht.

Ebenso wie andere Kommentatoren, hebt auch Parafianowicz hervor, dass auf der Liste der Freigelassenen die aus polnischer Sicht wichtigste Person fehlt: Andrzej Poczobut. Der polnische Journalist verbüße eine achtjährige Strafe in einer Strafkolonie mit verschärftem Regime. Laut Informationen des Blattes habe es bis zuletzt so ausgesehen, als würde Poczobut zu den Freigelassenen gehören. Gesprächspartner der Zeitung versicherten, der inhaftierte Journalist habe gesundheitliche Probleme und sich längst bereit erklärt, Belarus zu verlassen.

Die Entscheidung müsse jedoch Lukaschenka persönlich treffen, der Poczobut als „außergewöhnlichen Schurken" bezeichne und ihn in der Praxis als Druckmittel gegen Polen einsetze. Unter den Freigelassenen befinde sich hingegen Roman Gałuza, ein in Belarus geborener Pole, der vor seiner Verhaftung im Juli 2022 neun Jahre in Polen gelebt und in der Stiftung für Solidarität mit Belarus in Biała Podlaska gearbeitet habe.



Der Kontext der amerikanisch-belarussischen Gespräche reiche weit über humanitäre Fragen und Handel hinaus, analysiert der Autor. Die Amerikaner seien überzeugt, dass Minsk eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine spielen könnte. Lukaschenka selbst habe mehrfach signalisiert, dass Gespräche über eine Waffenstillstandsvereinbarung erneut in Belarus geführt werden könnten – unter Beteiligung von Vertretern der USA, Russlands und der Ukraine.

Eine Interpretation zur Überstellung eines Teils der Gefangenen über die belarussisch-ukrainische Grenze beruhe auf der Annahme, dass es darum gegangen sei, einen direkten Kontakt zwischen den belarussischen Geheimdiensten und dem ukrainischen Militärgeheimdienst HUR herzustellen. Der HUR sei einer der wichtigsten Kommunikationskanäle bei den Gesprächen über einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg. „Das Ziel ist die Beschleunigung einer positiven Dynamik in der Entwicklung der Beziehungen zu den Partnerländern der Republik Belarus sowie die Stabilisierung der Lage in der gesamten europäischen Region", hieß es in einer von der Belarussischen Agentur BelTA zitierten Erklärung.

Lukaschenka, lesen wir, habe mit Menschen gehandelt und im Gegenzug im ersten Schritt die Aufhebung der Beschränkungen für die staatliche Fluggesellschaft Belavia sowie für die Wartung der Boeing 767 erhalten, mit der der Diktator selbst fliege. In der aktuellen Tranche seien die Sanktionen gegen Belaruskali, den Kaliumdüngerproduzenten, aufgehoben worden. Im Falle einer Beilegung des Konflikts in der Ukraine sollten Mineraldünger aus Belarus über die Häfen von Odessa in der Ukraine und Klaipėda in Litauen auf die Weltmärkte gelangen, so Parafianowicz in Dziennik/Gazeta Prawna.

RZECZPOSPOLITA: „Ein Satrap handelt mit Menschen"

Man sei in Zeiten angekommen, in denen ein im Zentrum Europas seit über drei Jahrzehnten regierender Satrap „mit Menschen handele". Politische Gegner behandle er als Ware, die er unter anderem gegen die Aufhebung von Sanktionen durch die Vereinigten Staaten eintausche, schreibt in seinem Kommentar für die konservativ-liberale Rzeczpospolita Rusłan Szoszyn.

Ein Teil der Kommentatoren werde sicherlich feststellen, Lukaschenka habe sich „unter amerikanischem Druck gebeugt", so der Autor. Man könnte dies so sehen, wenn er den Freigelassenen erlaubt hätte, in Belarus zu bleiben und am politischen Leben teilzunehmen. Nach über fünf Jahren in den Kerkern des Diktators – die bereits so manchen Kritiker des Regimes psychisch und physisch gebrochen hätten – seien sie jedoch aus ihrem eigenen Land geworfen worden, ihrer Heimat beraubt, möglicherweise für viele weitere Jahre.



Zur Frage, warum Poczobut nicht freigelassen wurde, schreibt Szoszyn, es klinge nicht überzeugend, dass der polnische Journalist in Gefangenschaft bleibe, weil er angeblich nicht einwillige, das Land zu verlassen. Keinen der am 13. Dezember freigelassenen belarussischen Oppositionellen habe man um Zustimmung gefragt, bevor sie nach Litauen und in die Ukraine gebracht worden seien. Ales Bjaljazki habe bereits in Litauen erzählt, man habe ihn mit verbundenen Augen direkt aus dem Gefängnis außer Landes gebracht.

Lukaschenka verliere vermutlich nicht die Hoffnung, dass seine „Freundschaft" mit Donald Trump letztlich auch zur Aufhebung der EU-Sanktionen führen werde. Dann würde seine durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine geschrumpfte Wirtschaft erst richtig Flügel entfalten, und er könnte unbeschwert regieren – bis zur Machtübergabe etwa an seinen jüngsten und stark favorisierten Sohn Nikolai, so der Autor in der Rzeczpospolita.

GAZETA WYBORCZA: „Poczobut – Lukaschenkas persönlicher Gefangener"

Bartosz Wieliński erinnert in seinem Kommentar, dass Andrzej Poczobut der belarussische Korrespondent der Gazeta Wyborcza, also ein Redaktionskollege ist, der am 25. März 2021 unter fabrizierten Anschuldigungen verhaftet und zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden sei. Offensichtlich sei für Lukaschenka der polnische Journalist sogar wertvoller als die einstigen politischen Rivalen.


Der Autor spekuliert, Poczobut sei vielleicht zum „persönlichen Gefangenen" Lukaschenkas geworden. Er sei schließlich ein unbeugsamer Journalist und dazu Pole – Gruppen, die der belarussische Diktator besonders hasse und bekämpfe. Zudem habe er einige Monate nach seiner Verhaftung 2021 abgelehnt, sich vor Lukaschenka zu erniedrigen und um Ausreiseerlaubnis nach Polen zu bitten. Wie er Poczobut kenne, so der Autor, würde dieser Lukaschenkas Entscheidung, ihn hinter Gittern zu belassen, als Auszeichnung betrachten.

Ob es gelinge, Andrzej Poczobut zu befreien? Dass es bisher nicht gelungen sei, bedeute nicht, dass es in Zukunft nicht gelingen werde. Lukaschenka habe bislang wenig gewonnen und verberge selbst seine Enttäuschung nicht. Er werde stärkere Karten auf den Tisch legen müssen. Die Frage sei nur, ob Andrzej diesen Moment erlebe. Die Nachrichten über seinen Gesundheitszustand seien leider nicht gut, warnt der Autor in der Gazeta Wyborcza.

RZECZPOSPOLITA: „Ist MEGA ein Geschenk des Himmels für die europäische Rechte?"

Der Politikwissenschaftler und Philosoph Marek A. Cichocki widmet sich in der Rzeczpospolita unterdessen einem ganz anderen Thema: der Idee der „Rezivilisierung" und der MEGA-Bewegung – Begriffe, die neuerdings eine politische und intellektuelle Karriere in Polen zu machen beginne. Dies geschehe dank der großen Empörung, die in Europa nach den kämpferischen Erklärungen Donald Trumps aus seiner Nationalen Sicherheitsstrategie der USA aufgekommen sei.

Es gehe um seine Absicht, sich direkt in die Politik der europäischen Staaten einzumischen, um sie vom Weg abzubringen, auf dem sie ins Verderben schritten. Migration, Green Deal, Kampf gegen den Nationalstaat, modische Identitätsideologien von Minderheitengruppen und viele andere Erscheinungen des linken zivilisatorischen Niedergangs sollten nun durch die amerikanische Rezivilisierungsbewegung unter dem Zeichen MAGA in ihrer europäischen Gestalt, also MEGA – „Make Europe Great Again" – aufgehalten werden.



Die Reaktionen auf einen solchen Plan zur Wiederherstellung der westlichen Zivilisation im heutigen Europa seien leicht vorherzusagen, analysiert Cichocki. Für die Priester des linken Liberalismus, die hier noch die Macht innehätten – wenn auch immer häufiger in der Atmosphäre einer belagerten Festung – sei schon das Konzept der westlichen Zivilisation wie ein rotes Tuch. Die westliche Zivilisation sei von Natur aus schlecht und habe der Welt ausschließlich Kolonialismus, Rassismus, Ausbeutung und ökologische Zerstörung gebracht.

Für die europäische Rechte sei die Idee MEGA hingegen wie ein Geschenk des Himmels. Sie selbst habe im Grunde keine eigene zivilisatorische Idee für Europa, außer dem Einprügeln auf Brüssel, den Green Deal und die Migration. Aus dieser Perspektive werde sie sich gerne dem großen Bruder von jenseits des Atlantiks anschließen. Ihre ideologische Schwäche und Reaktivität seien zunehmend enttäuschend. Es könne sich also schnell herausstellen, dass die europäische Rechte anstelle einer Wiedergeburt der westlichen Zivilisation nur ihr eigenes Programm politischer und kultureller Unterwerfung verwirklichen könne.

In Polen sei es im Grunde ähnlich. Da die Rechte hemmungslos alle konservativen nationalen Ideen konsumiert habe, bleibe ihr jetzt nur die reaktive Anpassung an das neue Machtzentrum und die primitive Rationalisierung dieser Schwäche mit für die eigenen Internetblasen zusammengeschusterten geopolitischen Theorien. Abgesehen von einigen Slogans habe sie keine eigene zivilisatorische Idee für Polen.
Der ideologische Konflikt, der Europa heute spalte, sei aus zivilisatorischer Sicht also nicht schöpferisch und eröffne keine neuen Perspektiven. Er sei vielmehr ein Symptom einer schweren Krankheit, die noch weit vom Wendepunkt entfernt sei, schließt Marek A. Cichocki in der Rzeczpospolita.

Autor: Adam de Nisau

Kommentar: Als gäbe es die Welt nicht – Besuch von Donald Trumps Gesandtem in Minsk

12.09.2025 17:57
Am 11. September – einen Tag vor Beginn der russisch-belarussischen Militärmanöver Zapad und der Schließung der polnisch-belarussischen Grenze sowie einen Tag nach dem Angriff russischer Drohnen auf Polen – besuchte John Cole, Gesandter von US-Präsident Donald Trump, die belarussische Hauptstadt Minsk. Empfangen wurde er mit allen Ehren – vom Diktator Aljaksandr Lukaschenka persönlich, am Tisch nahm zudem der KGB-Chef Iwan Tertel einen prominenten Platz ein. Auch der Gast sparte nicht mit freundlichen Gesten und überreichte dem Gastgeber Manschettenknöpfe mit dem Abbild des Weißen Hauses. Die warme Atmosphäre des fast fünfstündigen Treffens und die Ankündigung weiterer Zusammenarbeit hatten einen klaren Hintergrund, schreibt in seinem Kommentar für den Auslandsdienst des Polnischen Rundfunks Tadeusz Iwański.

Neue Informationen über Andrzej Poczobut. Antrag an Lukaschenko

24.09.2025 03:00
Der seit über zwei Jahren inhaftierte Andrzej Poczobut fühlt sich psychisch gut. „Er grüßt alle herzlich – Bekannte und Unbekannte“, teilte die Vorsitzende des Bunds der Polen in Weißrussland mit.

Chance auf Freilassung weiterer politischer Gefangener in Weißrussland

27.11.2025 07:00
Die US-Regierung von Präsident Donald Trump und die weißrussischen Behörden sprechen über eine mögliche Freilassung von mindestens 100 politischen Gefangenen im Land, meldete am Mittwoch die Nachrichtenagentur Reuters.

Belarus: Lukaschenko begnadigt 123 Gefangene

13.12.2025 15:05
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat im Rahmen eines Abkommens mit den USA 123 Gefangene begnadigt. Dies berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf den Telegram-Kanal der belarussischen Staatsführung. Demnach erfolgte die Begnadigung im Gegenzug für die Aufhebung amerikanischer Sanktionen gegen belarussisches Kalidünger-Exportgeschäft.