Deutsche Redaktion

Russland bereitet sich auf ein weiteres Kriegsjahr vor

19.12.2025 13:00
Die Signale aus Moskau deuteten darauf hin, dass der Kreml nicht an einem echten Frieden interessiert ist. Außerdem geht es um die eingefrorenen Vermögenswerte der russischen Zentralbank und den Angriff auf den Runden Tisch. Mehr dazu in den Pressekommentaren.
Bild:
Bild:GAVRIIL GRIGOROV/AFP/East News

Wie die konservative Gazeta Polska am Freitag schreibt, bereite sich Russland militärisch auf ein weiteres Jahr Krieg vor. Die Signale aus Moskau deuteten darauf hin, dass der Kreml nicht an einem echten Frieden interessiert sei. Entsprechende Aussagen richteten sich nicht nur an die Ukraine, sondern auch an westliche Partner, insbesondere an die USA und Europa, schreibt das Blatt.

Dem Blatt zufolge verfolgt Russland weiterhin das Ziel, die Ukraine zu zerstören, Gebiete zu besetzen und die gesamte Region zu destabilisieren. Zudem warnt das Blatt davor, dass russische Pläne auch über die Ukraine hinausgingen.

Bereits im Herbst hatte der US-Geheimdienst darauf hingewiesen, dass Russland militärische Reserven aufbaut, die langfristig auch gegen die NATO eingesetzt werden könnten. Nach Einschätzung amerikanischer Analysten strebt der Kreml keinen stabilen Frieden an, sondern lediglich ein Einfrieren des Konflikts zu eigenen Bedingungen. 

The Guardian: Kreml setzt Belgien mit Einschüchterung unter Druck 

Der britische Guardian berichtet über eine gezielte russische Einschüchterungskampagne gegen Belgien im Zusammenhang mit den eingefrorenen russischen Vermögenswerten. Nach Angaben europäischer Geheimdienste stehen belgische Politiker sowie Führungskräfte des Finanzdienstleisters Euroclear im Fokus von Drohungen, hinter denen der russische Militärgeheimdienst GRU stehen soll.

Euroclear mit Sitz in Brüssel verwahrt den Großteil der in der EU eingefrorenen Vermögenswerte. Bedroht worden seien unter anderem die Vorstandsvorsitzende Valérie Urbain und weitere hochrangige Manager. Recherchen von EUobserver und Le Monde zufolge bat Urbain wiederholt um Polizeischutz, zeitweise wurde sie dauerhaft von Sicherheitskräften begleitet.

Die Enthüllungen fallen in eine entscheidende Phase der Debatte in Brüssel. Die EU-Staaten beraten derzeit darüber, ob sie der Ukraine Kredite in Höhe von zunächst rund 90 Milliarden Euro gewähren sollen, die durch russische Zentralbankgelder abgesichert wären. Insgesamt befinden sich rund 185 der 210 Milliarden Euro eingefrorener russischer Vermögenswerte in Belgien – was dem Land eine Schlüsselrolle verleiht.

Die belgische Regierung äußert rechtliche Bedenken und fordert Garantien für mögliche Schadenersatzforderungen, sollte Russland vor Gericht Erfolg haben. Premierminister Bart De Wever warnte öffentlich vor langfristigen Konsequenzen einer Konfiskation russischer Gelder.

Die Ukraine ist dringend auf externe Finanzierung angewiesen. Für das kommende Jahr werden rund 50 Milliarden US-Dollar benötigt, während ein erheblicher Teil des Staatshaushalts für militärische Zwecke vorgesehen ist. 

Gazeta Wyborcza: Nawrocki kopiert Trumps Strategie der gezielten Provokation 

Bartosz Wieliński wirft in der liberalen Gazeta Wyborcza Präsident Karol Nawrocki vor, sich bei seinem politischen Stil deutlich an Donald Trump zu orientieren. Der Abbau des historischen Runden Tisches im Präsidentenpalast sei demnach keine spontane Entscheidung, sondern eine kalkulierte Provokation nach dem Muster der sogenannten „Flooding-the-zone“-Strategie, die aus den USA bekannt ist.

Ziel dieser Taktik sei es, die öffentliche Debatte durch symbolträchtige, empörende Aktionen zu dominieren und damit andere, politisch heikle Themen zu überdecken. Der Autor verweist in diesem Zusammenhang auf mehrere umstrittene Entscheidungen Nawrockis, darunter das Veto gegen ein Gesetz zum Verbot der Hundehaltung an Ketten, die Blockade von Offiziersbeförderungen sowie seine seit Monaten geführte, stark kritisierte Rhetorik gegenüber der Ukraine.

Wieliński argumentiert, dass diese Politik Nawrocki bislang eher geschadet habe. Die Regierungskoalition vom 15. Oktober habe sich entgegen früherer Prognosen stabilisiert, während die PiS an Zustimmung verliere und intern unter Druck stehe. Auch die Zustimmungswerte des Präsidenten seien seit Beginn seiner Amtszeit gesunken.

Der Angriff auf den Runden Tisch wird zudem als bewusste Abwertung des politischen Erbes früherer Präsidenten interpretiert – darunter Lech Kaczyński, der selbst eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen von 1989 spielte. Diese demonstrative Distanzierung von den Leistungen der Vorgänger erinnere erneut an Donald Trump, für den die Abwertung früherer politischer Eliten ein zentrales Element seines Politikstils sei. 

Rzeczpospolita: Angriff auf den Runden Tisch – Erinnerungspolitik als Machtinstrument 

Michał Szułdrzyński analysiert in der Tageszeitung Rzeczpospolita die Entscheidung von Präsident Karol Nawrocki, den historischen Runden Tisch aus dem Präsidentenpalast entfernen zu lassen. Politisch habe dieser Schritt keine unmittelbaren Folgen, symbolisch sei er jedoch hochwirksam.

Szułdrzyński sieht darin einen gezielten Angriff auf das Erbe der Dritten Republik und auf den Kompromiss von 1989, der den friedlichen Übergang von der kommunistischen Herrschaft zur Demokratie ermöglichte. Der Autor argumentiert, Nawrocki nutze den Runden Tisch als Projektionsfläche für eine polarisierende Erinnerungspolitik, die Gesellschaft bewusst in Befürworter und Gegner der Transformation spalte.

Besonders für jüngere Wähler und radikale politische Milieus werde der Runde Tisch als Symbol einer angeblich „verfaulten“ Elite interpretiert. Kritiker der Entscheidung würden dabei schnell als Verteidiger des Postkommunismus diskreditiert. Diese Zuspitzung sei für den Präsidenten politisch nützlich, auch wenn sie dem Staat schade.


Zugleich widerspricht der Autor Nawrockis historischer Darstellung. Die Behauptung, der Runde Tisch sei ein Instrument der Kommunisten zur Machtsicherung gewesen, sei laut Szułdrzyński unhaltbar. Weder sei der Zusammenbruch des Systems absehbar gewesen, noch hätten die kommunistischen Eliten geplant, ihre Macht abzugeben.

Der Publizist warnt schließlich davor, dass die Abwertung des Runden Tisches ein gefährliches Signal sende: Sie fördere eine politische Logik, in der Kompromisse als Schwäche gelten und jede neue Macht die vorherige vollständig abrechnen müsse. In Zeiten internationaler Spannungen und des Krieges in der Region sei eine solche Polarisierung besonders riskant.


Autor: Joachim Ciecierski