Deutsche Redaktion

Zeremonie zum Gedenken an den Holocaust? Nicht ohne Polen.

16.01.2020 11:28
Aufgrund der Abwesenheit des polnischen Präsidenten bei der Zeremonie in Yad Vashem ist eine sehr unangenehme Situation entstanden.
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Gazeta Wyborcza: Zeremonie zum Gedenken an den Holocaust? Nicht ohne Polen.

Die Gazeta Wyborcza hat einen Artikel des bekannten Publizisten Sewer Plocker, der ursprünglich in der israelischen Zeitung Jediot Acharonot erschien, auf ihren Seiten veröffentlicht. Der israelische Publizist argumentiert darin, weshalb es dem polnischen Präsidenten in Jerusalem erlaubt sein sollte zu sprechen und erklärt, dass Israel noch Zeit habe, seinen Fehler zu korrigieren. Wie Plocker bemerkt, ist aufgrund der Abwesenheit des polnischen Präsidenten bei der Zeremonie in Yad Vashem eine sehr unangenehme Situation entstanden, die seiner Meinung nach von Israel korrigiert werden sollte.

Als nächstes erinnert der Autor daran, dass der wahre Grund für den Wunsch des polnischen Präsidenten während der Zeremonie zum Gedenken an den Holocaust eine Sprache halten zu dürfen, mit dem Angriff von Putin auf Polen zusammenhänge, der es seit einem Monat für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verantwortlich darstellt. Plocker betont hierbei, dass in der Vergangenheit nur die nationalsozialistische Propaganda Polen für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verantwortlich machte. Seiner Meinung nach könne man zwar die strenge Politik der polnischen Regierung gegenüber Juden in der Vorkriegszeit nicht kleinreden, aber es könne vor allem nicht geleugnet werden, dass Polen Opfer einer nationalsozialistischen und sowjetischen Aggression war und dass zwei totalitäre Supermächte eindeutig beabsichtigten, den polnischen Staat auszulöschen.

"Dies ist ein unvernünftiger und falscher politischer und nationaler Schritt Israels", überzeugt Plocker und schließt seinen Artikel, den die polnische linksliberale Tageszeitung veröffentlicht hat, mit der Feststellung ab, dass es für den israelischen Präsidenten Reuven Rivlin noch nicht zu spät sei Druck auszuüben, um die Entscheidung sowohl des Veranstalters als auch des polnischen Präsidenten, der seine Teilnahme an der Zeremonie abgesagt hat, zu ändern. 

DGP: Kreml sucht Unterstützung bei Juden aus der UdSSR

Der Publizist Michał Potocki bezieht sich für das Tagesblatt Dziennik Gazeta Prawna (DGP) ebenfalls auf die geplante Holocaust-Zeremonie in Israel sowie die Desinformationskampagne des Kremls über die Rolle Polens im Zweiten Weltkrieg. Wie er bemerkt, geben russische Experten zu, dass die Propaganda-Angriffe auf Polen einen politischen Kontext haben. Das Verständnis des historischen Gedächtnisses, so Potocki, ändere sich hierbei in Russland und beginne der Lösung politischer Aufgaben zu dienen. Nach den Grundsätzen der Durchführung ähnlicher Propaganda-Kampagnen, heißt es weiter, müssen ihre Darsteller für den Empfänger glaubwürdig sein, um seine Perzeption der Realität erfolgreich beeinflussen zu können. Trotz dessen, beruhigt Potocki, dominiere in den westlichen Medien das Verständnis für die Position Polens in diesem Streit. Auch die Mehrheit israelischer Publizisten, so der Autor, hätten sich der Kreml-Propaganda gegen Polen nicht nur nicht angeschlossen, sondern sogar von Putins Angriffen auf Polen deutlich abgeschnitten.

Wie Potocki feststellt, habe die israelische Tageszeitung Jerusalem Post zum Beispiel in letzter Zeit, trotz polnischer Proteste, hartnäckig über sog. "polnische Vernichtungslager" geschrieben. Heute aber, gibt das Blatt zu, dass Putin kein Heiliger sei und Polen in dieser Auseinandersetzung Recht habe. Die israelische Presse erinnere auch oftmals an die Zusammenarbeit der UdSSR mit dem Dritten Reich in den ersten zwei Jahren des Weltkriegs. Aus diesem Grund, heißt es im Weiteren, suche der Kreml aktiv nach Journalisten und Akademikern aus der ehemaligen Sowjetunion mit israelischem Pass, die bereit seien, diese Propagandakampagne zu unterstützen. Einer von ihnen ist der russische Oligarch Mosche Kantor, der die Holocaust-Gedenkfeier in Jerusalem organisiert. Auch russisch-israelische Juden sollen häufig im russischen Propagandafernsehen auftreten, bemerkt Potocki. Sie sollen darin behaupten, dass die Einstellung von Polen gegenüber Juden während des Krieges schlimmer als der deutsche Antisemitismus gewesen sei und dass Polen am eifrigsten am Holocaust teilgenommen hätten.

Als Fazit schreibt Potocki, dass einige solcher Befürworter der Kreml-Propaganda zur Verleumdung Polens von Putin sogar die höchsten staatlichen Auszeichnungen erhalten hätten. Und das alles, so Potocki abschließend für die DGP, im Namen der Stärkung der Freundschaft und Zusammenarbeit mit Russland.


Piotr Siemiński