Ministerpräsident Donald Tusk hatte am Dienstag angekündigt, dass ab dem 7. Juli vorübergehend wieder Grenzkontrollen eingeführt werden. Die Maßnahme soll laut Tusk helfen, die unkontrollierten Migrationsbewegungen zu reduzieren. Geplant ist, dass die Kontrollen bis zum 5. August andauern. Professor Klaus hält das für nicht nachvollziehbar. „An keiner Grenze – weder zur Bundesrepublik noch zu Litauen – hat sich in den vergangenen Jahren etwas verändert. Dort gibt es schlicht kein Problem, deshalb ist die Einführung von Kontrollen nicht rational begründbar“, sagte Klaus. Die verfügbaren Statistiken der deutschen Polizei und der polnischen Grenzschutzbehörde zeigten „äußerst geringe Zahlen“. Von der Grenze zu Litauen lägen zudem überhaupt keine offiziellen Daten vor. „Es ist völlig unklar, worauf die Entscheidung der polnischen Regierung beruht“, sagte der Migrationsforscher.
Der Experte warnte auch vor den negativen Folgen der geplanten Maßnahme. „Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen wird weder die Sicherheit erhöhen noch der Regierung politischen Nutzen bringen“, sagte Klaus. „Im Gegenteil: Das wird den Grenzverkehr erheblich erschweren, zu langen Wartezeiten führen und für Polen hohe Kosten verursachen.“ Diese Entscheidung sei insbesondere angesichts der angespannten Haushaltslage „völlig irrational“.
Die Hauptleidtragenden seien die Menschen in den Grenzregionen. „Darunter werden vor allem polnische Pendler leiden, die in Deutschland arbeiten, sowie die polnischen Geschäftsleute, bei denen Deutsche einkaufen“, so Klaus.
Auf die Frage, ob die Entscheidung im Zusammenhang mit den sogenannten Bürgerpatrouillen der extremen Rechten stehe, die sich seit einiger Zeit an der deutsch-polnischen Grenze formieren, sagte Klaus: „Dafür sind andere Behörden zuständig. Die Polizei sollte solche Gruppen überwachen und kontrollieren, nicht der Grenzschutz.“ Er vermutet, dass der Druck durch mediale Berichte über diese Bürgerpatrouillen die Regierung zu der Maßnahme bewogen habe. „Aber die Reaktion der Regierung ist völlig fehlgeleitet“, betonte er.
Rechtsextreme Gruppen veröffentlichen in sozialen Netzwerken regelmäßig Fotos, die angeblich Migranten an der Grenze zeigen. Klaus äußerte Zweifel an deren Echtheit. „Sehr oft handelt es sich um willkürlich ausgewählte Bilder mit Kommentaren, die nichts mit den abgebildeten Personen zu tun haben“, sagte er.
Der Migrationsforscher wies zudem darauf hin, dass Migranten von Deutschland nach Polen in der Regel nur im Rahmen des bestehenden Rückübernahmeabkommens überstellt werden. „Diese Übergaben erfolgen nicht ohne Wissen der polnischen Seite. Es gibt dafür ein festes Verfahren, das von beiden Seiten koordiniert wird“, erklärte Klaus. „Wenn die deutsche Polizei jemanden im Rahmen des Rückübernahmeverfahrens übergeben möchte, wird dies den polnischen Behörden gemeldet, und die Person wird von einer Behörde zur anderen überstellt.“
Was anschließend mit diesen Personen geschehe, hänge von ihrem Aufenthaltsstatus in Polen ab. „Viele dieser Menschen haben ein Aufenthaltsrecht in Polen und können sich dann frei im Land bewegen. Wenn jemand kein Aufenthaltsrecht hat, wird ein Rückführungsverfahren eingeleitet. In bestimmten Fällen kann auch die Unterbringung in einem geschlossenen Zentrum beantragt werden“, so Klaus.
Laut Schengener Grenzkodex dürfen Mitgliedstaaten in Ausnahmefällen und bei unvorhersehbaren Gefahren vorübergehend Grenzkontrollen an den Binnengrenzen wiedereinführen. Die Regierung verweist auf diese Bestimmung, um ihre Entscheidung zu rechtfertigen.
Aus den Reihen der Opposition war zuvor scharfe Kritik am bisherigen Regierungskurs in der Migrationspolitik laut geworden. Der Vorsitzende der nationalkonservativen Partei PiS, Jarosław Kaczyński, hatte der Regierung vorgeworfen, beim Grenzschutz versagt zu haben. „Deutschland schiebt regelmäßig illegale Migranten auf unsere Seite ab. Der Staat hat abgedankt, Chaos und Straflosigkeit nehmen zu“, schrieb Kaczyński. Seiner Meinung nach organisieren sich Bürgergruppen an der Grenze, weil der Staat seiner Aufgabe nicht nachkomme.
PAP/jc