Deutsche Redaktion

Lukaschenkos digitaler Maulkorb für seine Landsleute

05.08.2025 18:11
Die Familie von Präsident Lukaschenko gehört sicher nicht zu den ärmsten Menschen in Belarus. Geschäftsreisen im Privatjet in die Emirate zusammen mit Freunden, Luxusuhren im Wert von mehreren zehntausend Dollar bei öffentlichen Auftritten, ein goldener Revolver als Geschenk für den jüngsten Sohn des Diktators – das alles gehört längst zum Standardrepertoire autoritärer Regime wie dem in Minsk. Aber: Es geht immer noch mehr, schreibt unser Korrespondent Jan Krzysztof Michalak aus Belarus. 
Diktator Aleksandr Lukaschenko
Diktator Aleksandr LukaschenkoMaxim Shemetov/Associated Press/East News

Der eher unauffällige mittlere Sohn Lukaschenkos, Dsmitryj, leitet zwar „nur“ den Präsidentensportclub – eine Organisation, die vor allem als effektives Instrument zur Geldwäsche für die Familie dient. Doch nun will er offenbar seinen Einfluss ausweiten – und das gleich in mehreren Bereichen. Am wichtigsten ist dabei ein Projekt: Dsmitryj plant die totale Kontrolle über alle Mobiltelefone im Land.

Die Organisation Belpol – ein Zusammenschluss ehemaliger belarussischer Polizisten im Kampf gegen das Regime – hat ein Dokument erhalten, das diese Pläne bestätigt. Es geht dabei um einen massiven Angriff auf die letzten Reste der Bürgerfreiheiten – und gleichzeitig um ein neues Millionen-Geschäft für die Familie des selbsternannten Landeschefs.

Offiziell wurde der Präsidentensportclub gegründet, um den Sport zu fördern. Aber in der Realität gehört das Errichten totalitärer Monopole zu den Lieblingssportarten von Alexander Lukaschenko. Kürzlich reiste eine Delegation des Clubs nach Tadschikistan – ein Land mit einem ähnlich „speziellen“ politischen System – und führte dort Gespräche mit einer der größten Unternehmensgruppen des Landes, der Avesta-Gruppe, die in vielen Wirtschaftsbereichen aktiv ist.

Dabei dürfte sich Lukaschenkos Sohn gedacht haben: „So wie die das machen, könnten wir das doch auch.“

In Tadschikistan ist die staatliche Registrierung der sogenannten IMEI-Nummer (die eindeutige Kennung eines Mobiltelefons) verpflichtend. Geräte, die nicht in der nationalen Datenbank registriert sind, funktionieren einfach nicht im Mobilfunknetz. Ein echtes Geschäftsmodell! Und genau das will man nun offenbar in Belarus kopieren. Künftig sollen alle ins Land gebrachten Mobiltelefone kostenpflichtig registriert werden – über eine Struktur, die dem Präsidentensportclub untersteht.

Zwar können Mobilfunkanbieter in Belarus schon jetzt die IMEI-Nummern sehen, doch bislang werden Geräte aus dem sogenannten Graumarkt nicht gesperrt. In autoritären Staaten wie Tadschikistan hingegen gibt es solche Sperrsysteme schon seit Jahren.

Das dort genutzte System namens DIRBS („Device Identification, Registration and Blocking System“) wurde mit Hilfe eines Unternehmens aus Pakistan eingeführt. Sollte – oder besser: sobald – das System in Belarus umgesetzt werden, hätte der Präsidentensportclub nicht nur das Monopol über den Mobiltelefonmarkt, sondern auch Zugriff auf eine neue, lukrative Einnahmequelle: Gebühren für jede Registrierung.

Viel entscheidender ist aber etwas anderes: Wer Zugriff auf die nationale IMEI-Datenbank hat, erhält damit auch umfassende Informationen über alle Nutzerinnen und Nutzer – ein ideales Werkzeug zur politischen und wirtschaftlichen Kontrolle.

In Belarus entsteht also ein System der vollständigen digitalen Überwachung. Und es ist kaum vorstellbar, dass die Familie Lukaschenko ein solches Instrument je wieder aus der Hand geben würde.

Der „digitale Maulkorb“ dürfte also nicht nur helfen, den Graumarkt bei Mobiltelefonen zu bekämpfen, sondern auch, die „grauen Zellen“ der politisch Andersdenkenden besser zu kontrollieren.

Und das Beste daran: Alles bleibt in der Familie – der besten im ganzen Land, zumindest laut den Bildern im Staatsfernsehen.

Aus Belarus für den Auslandsdienst des Polnischen Rundfunks – Jan Krzysztof Michalak