Deutsche Redaktion

Kommentar: Der Immobilienmakler und der Kreml

26.11.2025 21:10
Man könnte meinen, die Weltpolitik sei kompliziert. Doch die jüngsten Leaks rund um Steven Witkoff beweisen das Gegenteil: Mit einem Anruf, ein bisschen Bauchpinselei für den US-Präsidenten und einem „informell“ zugeschickten Friedensplan aus Moskau lässt sich offenbar die europäische Sicherheitsarchitektur neu verhandeln. Wer hätte gedacht, dass man für solche Aufgaben kein erfahrener Diplomat, sondern ein New Yorker Immobilieninvestor sein muss, schreibt in seinem Kommentar Leon Pińczak, Analyst für Sicherheit und Ostangelegenheiten bei Polityka Insight.
Steve Witkoff i Władimir Putin
Steve Witkoff i Władimir PutinGAVRIIL GRIGOROV/AFP/East News

Witkoff – von Trump persönlich mit dem Auftrag betraut, binnen eines Jahres den russisch-ukrainischen Krieg zu beenden – führt Gespräche mit Jurij Uschakow, Putins außenpolitischem Strategen. Und er tut das mit einem Enthusiasmus, der irgendwo zwischen unbeholfener Naivität und vorauseilendem Pragmatismus pendelt. Seine Ratschläge, wie man Trump zu loben habe, erinnern an eine Mischung aus Selbsthilfebuch und Marketinghandbuch. Nur dass es nicht um Kundenzufriedenheit, sondern um Krieg und Frieden geht.

Der eigentliche Clou des Leaks zeigt sich jedoch anderswo: Der Friedensplan, über den Washington heute spricht, stammt aus Moskau. Der Kreml liefert – „informell“, versteht sich – die Blaupause, und das Weiße Haus akzeptiert sie weitgehend. Mehr braucht es nicht, damit zentrale russische Forderungen plötzlich als diskussionswürdige Elemente eines „28-Punkte-Plans“ auftreten. Territorialgewinne? Einfluss auf Osteuropa? Alles verhandelbar, wenn man es nur freundlich genug serviert.

Für Putin ist das ein Glücksgriff. Während seine Truppen im Donbas seit Jahren auf der Stelle treten, schiebt die Gegenseite einen Plan, der die Souveränität von Staaten zwischen Tallinn und Bukarest in Frage stellt. Der Kreml könnte sich zurücklehnen, hätte er nicht so viele Sofas im Amtssitz.

Doch die wahre Pointe liegt im Timing des Leaks. Ausgerechnet jetzt, da die USA versuchen, die – man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen – fast vier Jahre dauernde Invasion zu beenden, wird das gesamte diplomatische Improvisationstheater offengelegt. Wer abgehört hat? Man munkelt viel, weiß wenig. Sicher ist nur: Das Außenministerium unter Marco Rubio dürfte sich ins Fäustchen lachen. Dort hat man bei der Absage des Budapester Gipfels bereits bewiesen, dass echte Diplomatie noch nicht völlig durch Berater mit WhatsApp-Kontakt zum Oval Office ersetzt wurde.

Und als ob das alles nicht schon genug Stoff für eine Polit-Sitcom wäre, berichtet The Insider, dass Russland bereit gewesen sein soll, China zu opfern – jedenfalls auf dem Papier –, wenn Washington dafür die Beziehungen wärmt. Trump habe man sogar eine „christliche Koalition gegen China“ vorgeschlagen. Klingt nach einer Idee, die irgendwo zwischen Verschwörungskongress und Gebetsfrühstück entstanden ist. Glaubwürdig? Vielleicht nicht. Charakteristisch? Leider ja.

Trumps Reaktion fiel wie erwartet knapp aus. Witkoff sei „nicht prorussisch“, nur „ein Verkäufer“, und überhaupt gehe alles weiter wie geplant. In der New Yorker Immobilienbranche nennt man das wahrscheinlich „Schadensbegrenzung“. In der internationalen Politik nennt man es: Augen zu und durch.

Der Krieg wird davon nicht schneller enden. Aber immerhin wissen wir jetzt, wie sich ein globales Machtgefüge anhört, wenn es in Echtzeit von einem Hobbydiplomaten am Telefon verhandelt wird.


Autor: Leon PińczakAnalyst für Sicherheit und Ostangelegenheiten bei Polityka Insight

Selenskyj: US-Friedensplan nach Genfer Gesprächen verkürzt

25.11.2025 10:07
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach Gesprächen in Genf eine Kürzung des US-Friedensplans bestätigt. Die amerikanische Vorlage habe „nicht mehr 28 Punkte“, erklärte er am Montag in sozialen Medien. Viele wichtige Elemente seien nun enthalten.

Abgeordnete zu Friedensgesprächen: „Polen sollte in Genf sein“

25.11.2025 16:50
„Ich bin weit davon entfernt, heute politisch zu beschuldigen oder bei unseren Verbündeten nach Gegnern zu suchen. Polen ist für die Sicherheit der Ukraine von zentraler Bedeutung. Wir hätten in Genf vertreten sein sollen, doch dazu ist es nicht gekommen“, sagte die PSL-Abgeordnete Urszula Pasławska. Ihr zufolge würden die Abgeordneten in der nächsten Parlamentssitzung Informationen der Regierung zu diesem Thema erwarten.

Botschafter Cichocki: Russland strebt „taktische Pause“, keinen Frieden

26.11.2025 11:32
Der ehemalige polnische Botschafter in der Ukraine, Bartosz Cichocki, bezweifelt, dass Russland an einem tatsächlichen Frieden interessiert ist. Moskau wolle „taktisch einen möglichen Waffenstillstand“, strategisch aber die Zerstörung der ukrainischen Staatlichkeit fortsetzen, sagte Cichocki im Gespräch mit dem Portal money.pl. Ziel sei ein politisch kontrolliertes, vom Westen abgekoppeltes Land „wie Belarus oder Georgien“.

Genf ohne Polen

26.11.2025 12:30
Die Abwesenheit Polens am Verhandlungstisch in Genf, wo über die Zukunft der Ukraine beraten wurde, sorgt in Polen für Irritationen. Hauptsächlich außerhalb Regierungskreisen. Experten und Diplomaten sehen dies als eine Niederlage der Regierung an. Polen, trotz intensiver Unterstützung Kiews seit Beginn des Krieges, sei in diesem Gesprächsformat übergangen worden. Mehr dazu in der Presseschau.