Deutsche Redaktion

Riskantes Spiel mit der Pandemie

10.06.2020 13:16
Auch wenn die Regierung einen zweiten Lockdown ausschließt - vor dem Hintergrund der steigenden Infektionsraten könne er sich mindestens drei Szenarien vorstellen, in denen es zu einer erneuten Abriegelung der Wirtschaft kommen könnte, schreibt Bogusław Chrabota in der Rzeczpospolita. Außerdem geht es unter anderem auch um die gegenseitigen Sticheleien der Wahlkampfteams von Amtsinhaber Andrzej Duda und Bürgerplattform-Kandidat Trzaskowski, die sich derzeit im Stibitzen von Internet-Domains üben.
Pandemia koronawirusa w Polsce
Pandemia koronawirusa w PolscePAP/Grzegorz Michałowski

Rzeczpospolita: Riskantes Spiel mit der Pandemie

In der Covid-Pandemie würden die Fakten leider zunehmend gegen uns sprechen, beobachtet in seinem Autorenkommentar für die Rzeczpospolita der Publizist Bogusław Chrabota. Epidemieforscher, so der Autor, würden warnen, dass sich die wachsende Zahl von Infektionen in den letzten Tagen in einen gefährlichen Trend verwandeln könne, der Polen in naher Zukunft an das amerikanische, italienische oder spanische Modell annähern könnte. Und dann würden all die Dämonen, die schon vertrieben zu sein schienen, zurückkehren und uns vor schwierige Entscheidungen stellen. Entscheidungen über eine Rückkehr zu Restriktionen und im Extremfall vielleicht sogar über einen erneuten Lockdown. 

Obwohl die Regierung derzeit versichere, dass eine erneute Abriegelung der Wirtschaft ausgeschlossen ist, könne er sich, so Chrabota, mindestens drei Szenarien vorstellen, in denen sich die Regierungspartei doch für einen zweiten Lockdown entscheidet. Erstens ein Kollaps des Gesundheitssystems, wie etwa in Bergamo oder New York, wo die Administration aus moralischen und humanitären Gründen, beziehungsweise unter dem Druck der Gesellschaft das Risiko von Ansteckungen habe völlig eliminieren müssen. Zweitens sei auch ein politisches Motiv möglich. Man könne sich etwa vorstellen, dass der Opponent der Regierungspartei in der Wahlkampagne zu schnell an Popularität gewinnt und die einzige Chance, seine Kampagne auszubremsen, die Einführung eines Ausnahmezustands sein wird. Vorstellbar? Wir, so der Autor, würden wissen, dass die Antwort “ja” lautet. Und schließlich, drittens, ein faktischer Lockdown, bei dem die Konsumption so stark sinken würde, dass Unternehmen kurz- und langfristig die finanzielle Liquidität verlieren und nicht einmal weitere Krisenschutzschirme dies werden verhindern können. Diese würden am Rande gesagt schon jetzt das Risiko einer folgenschweren Staatsverschuldung nach sich ziehen. Und wer werde die Schulden dann abbezahlen müssen? Der verarmende Steuerzahler. 

Er, so Chrabota, wolle in seinem Kommentar nicht wie ein Schwarzseher erscheinen, aber die allgemeine Überzeugung, dass die Pandemie vorbei ist, würde ihm ernsthafte Sorgen machen. Das Sozialleben blühe. An Fronleichnam werde ganz Polen auf die Straßen gehen. In den Kurorten seien die Übernachtungsplätze ausgebucht. Restaurants und Bars würden sich auf Millionen von Touristen vorbereiten. Er hoffe sehr, dass wir die Epidemie nicht tragisch unterschätzen. Denn Covid-19 sei kein Scherz und eine Pandemie kein Spiel, so Bogusław Chrabota in der Rzeczpospolita. 

 

Gazeta Wyborcza: Über 1,5 Millionen Unterschriften für Trzaskowski

Oppositionskandidat Rafał Trzaskowski habe für die Sammlung von 100 Tausend Unterschriften unter seiner Kandidatur für den Präsidentenposten fünf Tage gehabt. Letztendlich habe sein Team mit 1.622.868 Unterschriften nicht nur viel mehr Signaturen gesammelt, als notwendig, sondern diese auch einen Tag vor dem Ende der heute ablaufenden Frist der Staatlichen Wahlkommission präsentiert, schreibt in ihrer heutigen Ausgabe die linksliberale Gazeta Wyborcza. "Die Menschen sind Schlange gestanden, um zu unterschreiben. Das zeigt auch, welche unglaubliche neue Energie in diesem Kampf um den Präsidentenposten notwendig war", zitiert das Blatt den Chef der Bürgerplattform, Borys Budka. Soweit er sich erinnere, so der Politiker, habe Amtsinhaber Duda zwei Millionen Unterschriften in 45 Tagen gesammelt. Hätte die Opposition 10 Tage gehabt, wäre Trzaskowski bei dem bisherigen Tempo wohl auf vier Millionen Unterschriften gekommen, so Budka. 

 

Gazeta Wyborcza: Gegenseitige Sticheleien der Wahlkampfteams

Die Wyborcza berichtet auch über die gegenseitigen Sticheleien der beiden Wahlkampfteams, die sich neulich Internetdomänen des jeweiligen Opponenten stibitzt haben. So habe das Team von Duda, gleich nach der Bekanntgabe des Wahlslogans von Trzaskowski "Starker Präsident, gemeinsames Polen" die entsprechende Domäne reserviert. Nach dem Eintrag der Addresse SilnyPrezydentWspolnaPolska.pl im Browser, werde der Internetnutzer auf die Addresse AndrzejDuda.pl weitergeleitet. "Unsere Seite ist Trzaskowski2020.pl. Wenn jemand unseren Slogan nutzen will, fühlen wir uns natürlich geschmeichelt. Gleichzeitig bitten wir um eine Stimme für Rafał Trzaskowski und laden auf die Seite andrzejduda2020.pl ein", antwortete Cezary Tomczyk von Trzaskowskis’ Team auf die Aktion. Nach dem Eintrag dieser Addresse, werde der Nutzer auf die Seite 100aferpis.pl (100 Affären der PiS) weitergeleitet, auf der die Opposition 100 Skandale aufzählt, die mit der Regierung der Recht und Gerechtigkeit in Verbindung stehen, so Gazeta Wyborcza.  

 

Gazeta Polska Codziennie: Hasser attackieren Präsidenten

Gemeinsam mit der Kampagne ist auch der Hass zurückgekehrt, berichtet indes in ihrem Aufmacher die regierungsnahe Gazeta Polska Codziennie. Überall, wo Staatspräsident Andrzej Duda auftauche, lesen wir, seien auch seine politischen Gegner vorstellig, die versuchen würden, die Wahltreffen zu stören. Zuletzt habe der Präsident alle überrascht, als er zu einem Hasser heranging, der ihn wenige Sekunden zuvor als Marionette beschimpft habe. Der Schreihals habe, als er Auge in Auge mit Andrzej Duda stand, prompt die Fassung verloren und eingeräumt, dass er sich "nicht so tief für Politik interessiere".

Die Tatsache, dass jemand zu so einem Treffen kommen und seinen Protest ausdrücken könne, sei der beste Beweis dafür, dass die Demokratie in Polen in guter Verfassung ist, zitiert die Zeitung dazu den Abgeordneten der PiS Krzysztof Sobolewski. Solange diese Person ihren Protest kultiviert ausdrücke, sei das auch kein Problem. Problematisch werde es dann, wenn es zu solchem Verhalten komme wie etwa zuletzt beim 100. Jahrestag der Vermählung Polens mit dem Meer. Die Regierungspartei lasse sich jedoch von solchen politischen Spielchen nicht aus der Fassung bringen und rudere weiter, so Sobolewski. In dem Artikel beobachtet das Blatt auch, dass sich einige Medien offen in die Wahlkampagne der Opposition engagiert hätten, wie etwa die Gazeta Wyborcza, die neulich einen Unterstützungsbrief für Trzaskowski publiziert habe. Eine Journalistin des Wochenblatts “Newsweek” habe indes auf ihrem Social Media Profil ihr Foto vor dem Hintergrund eines zerstörten Banners von Andrzej Duda veröffentlicht, auf dem der Politiker als Adolf Hitler charakterisiert worden sei.

Eine Spalte weiter widmet sich das Blatt in einem separaten Artikel zudem der Aussage des Präsidentschaftskandidaten der PSL Władysław Kosiniak-Kamysz, der Trzaskowski die Fälschung von Popularitäts-Umfragen vorwerfe. "Die Umfragen sind manipuliert, man kann sie auf dem Umfrage-Basar kaufen", zitiert die Zeitung Kosiniak-Kamysz in dem Artikel.  

Autor: Adam de Nisau