Deutsche Redaktion

"USA am Rande eines strategischen Fehlers"

23.06.2025 13:16
Trump riskiert mit seinem Militärschlag gegen den Iran nicht weniger, als die Vorherrschaft im Indopazifik und langfristig die US-Hegemonie auf der Welt, schreibt der Geopolitik-Experte Marek Budzisz in seinem Kommentar für Super Express. Außerdem: Wird der Kurswechsel des Regierungschefs in der Debatte über die Gültigkeit der Präsidentschaftswahlen und seine “Neugier” die polnische Politik “in die Hölle führen”?
epa12190378 US President Donald Trump (2-L) with US Secretary of Defense Pete Hegseth (R), US Vice President JD Vance (L) and US Secretary of State Marco Rubio (2-R) delivers an address to the nation following US strikes on Irans nuclear facilities, at the White House in Washington, DC, USA, 21 June 2025. EPACarlos Barria  POOL Dostawca: PAPEPA
epa12190378 US President Donald Trump (2-L) with US Secretary of Defense Pete Hegseth (R), US Vice President JD Vance (L) and US Secretary of State Marco Rubio (2-R) delivers an address to the nation following US strikes on Iran's nuclear facilities, at the White House in Washington, DC, USA, 21 June 2025. EPA/Carlos Barria / POOL Dostawca: PAP/EPAPAP/EPA/Carlos Barria / POOL

"Super Express": USA am Rande eines strategischen Fehlers

Die USA könnten am Rande eines schwerwiegenden strategischen Fehlers stehen, schreibt nach dem amerikanischen Militärschlag gegen iranische Nuklearanlagen Marek Budzisz vom Thinktank Strategy and Future in seinem Kommentar für Super Express. 

Wie Budzisz erinnert, sei das erklärte Ziel die Zerstörung oder zumindest erhebliche Verzögerung des iranischen Nuklear- und Raketenprogramms. Während die israelischen Angriffe auf die Zentren in Natanz und Isfahan "zu erheblichen Zerstörungen dieser Einrichtungen geführt haben", sei das unterirdische Nuklearzentrum Fordow "praktisch unbeschädigt" geblieben. Das Streben nach seiner endgültigen Zerstörung, so der Autor, würde den Eintritt der USA in den Krieg rechtfertigen, aber das Problem des iranischen Atomprogramms sei damit nicht automatisch gelöst. Ein zurückhaltendes, "einmaliges" Engagement der USA verringere zwar das Risiko, in einen weiteren unerwünschten Krieg hineingezogen zu werden, aber eine Begrenzung des Engagements sei wiederum keine Garantie für ein Ende des iranischen Atomprogramms.

Und die ersten Erklärungen von Abbas Araghzi, dem Chef des iranischen Außenministeriums, würden zeigen, dass Teheran nicht die Absicht hat zu kapitulieren und unter Druck auf seinen Plan zur Entwicklung der Kernenergie zu verzichten. Und das wiederum müsse weitere Fragen aufwerfen. Erstens, ob der Iran nach den Luftangriffen und dem Ende des Krieges in der Lage sein werde, sein Atomprogramm relativ schnell wieder aufzunehmen. Und zweitens, ob es infolge der israelischen und US-amerikanischen Angriffe zu einem Sinneswandel in der iranischen Staatsführung kommen werde, der dazu führen könne, dass die Überschreitung der Schwelle zwischen dem zivilen und dem militärischen Atomprogramm diesmal sowohl schneller als auch mit größerer Entschlossenheit erfolgen wird.

Wenn dies der Fall ist, könnte die einzige Garantie dafür, dass Teheran sein Atomprogramm nicht in relativ kurzer Zeit wieder aufnimmt, die Zerstörung der Wirtschaft und der Infrastruktur des Landes durch Luftangriffe sein. Das Streben nach einem solchen Ergebnis schließe jedoch "punktuelle" Angriffe aus und impliziere eine Eskalation des Konflikts, d.h. ein amerikanisches Engagement in viel größerem Umfang.

Die iranischen militärischen Kapazitäten seien jedenfalls weiterhin beträchtlich. Aktuell verfüge Teheran noch über "mindestens 1.560 Raketen verschiedener Typen", und Iran habe "noch nicht auf die modernsten Konstruktionen in seinen Arsenalen zurückgegriffen." Als Beleg führt Budzisz den erstmaligen Einsatz der "mehrköpfigen Rakete 3. Generation Kheibar-Shekan" in diesem Krieg an.

Die strategischen Konsequenzen: "Amerikanische Ressourcen sind nicht unbegrenzt, ebenso wie die Kapazitäten der Rüstungsindustrie. Das Engagement im Nahen Osten wird sich sicherlich negativ auf die Fähigkeit auswirken, die Ukraine zu versorgen, was Wladimir Putin ausnutzen möchte."

Ähnlich ungünstig werde sich das Kräfteverhältnis zwischen den USA und China entwickeln, zumal die militärischen Ressourcen des Reichs der Mitte in den letzten Jahren nicht in dem Maße dezimiert worden seien wie die amerikanischen. Die Gefahr bestehe, dass "der Preis für die Teilnahme am Krieg im Nahen Osten auf Israels Seite, den Trump zahlen müsste, falls der Konflikt nicht schnell endet, die verlorene Rivalität in der Indo-Pazifik-Region sein wird."

Trump hat sich entschieden zu riskieren und könnte in diesem Spiel mit hohen Einsätzen viel verlieren. Und zwar die globale Hegemonie, so Marek Budzisz in seiner Analyse für Super Express.

"Rzeczpospolita": Polen vor Verfassungskrise

Ein weiteres wichtiges Thema der Pressekommentare sind die nicht verstummenden Aufrufe zu einer Neuauszählung der Stimmen nach der Präsidentschaftswahl. Nach den Samstags-Posts von Premier Tusk und dem scheidenden Präsidenten Duda sei "eines sicher: Wir steuern auf eine gewaltige politische Krise zu, wie sie die polnische Demokratie noch nicht kannte", warnt in seinem Kommentar der Chefredakteur der konservativ-liberalen Rzeczpospolita, Michał Szułdrzyński

Premier Tusk, erinnert der Autor, habe "halb ernst, halb spöttisch" PiS-Chef Kaczyński, Präsident Duda und den gewählten Präsidenten Nawrocki angegriffen und ihnen vorgeworfen, sie seien nicht daran interessiert, "das wahre Ergebnis der Abstimmung zu erfahren." Die Suggestion dahinter: Wenn PiS-Politiker nicht am 'wahren' Ergebnis der Abstimmung interessiert sein sollen, dann müsse das, was wir aus dem Beschluss der Staatlichen Wahlkommission PKW kennen, die Karol Nawrocki zum Sieger erklärt habe, unwahr sein.

Was wolle Tusk mit seinem Kurswechsel erreichen? Möglicherweise, so Szułdrzyński, habe der Premier erkannt, "dass die Untergrabung der Legitimität von Nawrockis Wahl für ihn vorteilhaft sein könnte." Selbst wenn das Wahlergebnis nicht annulliert werde, würden "ernste Zweifel weiterhin in der Luft hängen" und Nawrockis Legitimität schwächen. Dies mache "jede Kohabitation unmöglich - wir werden totalen Krieg an der Spitze haben", urteilt der Publizist. Für die Regierung sei dies eine komfortablere Situation, man werde alles auf den Präsidenten schieben können. Ein schlechtes Omen für den polnischen Staat, ein gutes für die Polarisierung und die Erhaltung des Duopols beider verfeindeter Lager. Zudem lenke der Premier damit von der Notwendigkeit ab, Schlüsse aus der Niederlage von Trzaskowski zu ziehen, denn wenn die Wahlen nicht fair gewesen seien, dann habe es auch keine Niederlage gegeben. 

Der Schachzug des Premiers, so Szułdrzyński weiter, sei allerndings nur möglich, weil die PiS das institutionelle System in Polen zuvor völlig verwüstet habe. Die von der PiS verabschiedeten und von Duda bereitwillig unterzeichneten Gesetze hätten dazu geführt, "dass es heute in Polen keine Person, kein Gremium und keine Institution gibt, die in der Lage wäre, die Zweifel einer der Seiten zu klären.”

Die zuständige Kammer für Außerordentliche Kontrolle und Öffentliche Angelegenheiten des Obersten Gerichtshofs werde von internationalen Gerichten, einem großen Teil der Juristenschaft und der Mehrheit der KO-Wähler nicht als legal besetztes Gericht und ihre Richter nicht als legal berufene Richter anerkannt.

Dudas Veto gegen das Inzidenzgesetz, das die Entscheidung über die Wahlgültigkeit "in die Hände von Richtern gelegt hätte, deren Status niemand in Frage stellt", habe die Situation verschärft. "Welche Entscheidung auch immer die Außerordentliche Kontrollkammer oder irgendeine andere SN-Kammer treffen wird, sie wird von einem großen Teil der Gesellschaft nicht akzeptiert werden."

Wenn die Wahlen gestohlen wurden, dann sei das nicht am 1. Juni geschehen. Sie seien den Polen früher von Donald Tusk und Jarosław Kaczyński gestohlen worden. Sie sind die Nutznießer dieses Konflikts, sie nähren sich seit zwei Jahrzehnten davon, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita.

"Dziennik Gazeta Prawna": Die "Neugier" des Premiers

Auch der stellvertretende Chefredakteur des Wirtschaftsblatts Marek Tejchman übt in der heutigen Ausgabe scharfe Kritik am Vorgehen des Premierministers. Der Ruf nach einer Neuauszählung, so Tejchman, sei "entgegen den Beteuerungen der Auffordernden eine Forderung nach einer Wahlwiederholung." Wenn der "transparente, von Zehntausenden von Menschen überwachte Prozess, den die dafür berufenen Institutionen durchführten, nicht glaubwürdig ist", wie könnten dann die Ergebnisse einer Auszählung von Stimmzetteln glaubwürdig sein, "die wochenlang in Säcken lagen"? Die Ergebnisse einer solchen Prozedur würden sich noch leichter anfechten lassen, als die offiziellen - von der Staatlichen Wahlkommission bekannt gegebenen - Ergebnisse.

In diesem Kontext wecke auch die Neugierde des Premierministers in Bezug auf die, wie er geschrieben habe, “wahren” Ergebnisse, Neugier. Wieso müsse der Regierungschef in einer solch ernsten Angelegenheit auf der Formulierung von unklaren Fragen auf Social Media basieren.  Wenn wir es mit Wahlbetrug zu tun hätten, der die Wahlergebnisse verändert habe, so der Publizist, müsste er mindestens eine halbe Million Stimmen betroffen haben. jSei die Neugier des Premiers ein Beweis dafür, dass eine Manipulation dieses Ausmaßes vom Staat unbemerkt bleibe? Das wäre eine Kompromittierung, so Tejchman. 

Wenn jemand auf mysteriöse Weise die am leichtesten zu zählende Wahl verdreht habe, nämlich die zweite Runde mit zwei Kandidaten, wer werde dann die Legitimität der Parlamentswahlen feststellen? Wenn es eine manipulierte Wahl gewesen sei  - dann haben wir einen Staatsstreich hinter uns. Dies sei keine Angelegenheit für humorvolle Tweets. Diese würden eher zu parteipolitischen Kämpfen passen. 

Vielleicht sei das Ziel dieser Tweets, dieses Redens über eine große Fälschung, der Aufbau eines Mythos. Einer Legende über nachts gedrehte Wahlen. Eines Mythos, der Jahre lang dazu dienen werde, die Legitimität von Präsident Nawrocki zu untergraben. Der die Inauguration seiner Präsidentschaft hinauszögern und den Sejmmarschall dazu zwingen könnte, stellvertretend die Pflichten des Staatspräsidenten zu übernehmen. Dies würde bedeuten, "dass die Neugier des Premiers die polnische Politik und den polnischen Staat in die Hölle führt", so Marek Tejchman in Dziennik/Gazeta Prawna.

Autor: Adam de Nisau


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