Deutsche Redaktion

Nawrockis´ USA-Visite: “Chance auf Neuanfang” vs. “Gefahr für Europa”

03.09.2025 12:18
Der für heute geplante Besuch des polnischen Präsidenten Karol Nawrocki bei Donald Trump in Washington dominiert die Pressekommentare. Hat das Auswärtige Amt die Vorbereitung der Visite nicht ausreichend unterstützt? Was bedeutet der parallel zum USA-Besuch Nawrockis in Peking stattfindende Gipfel mit Putin und Modi für Polen? Und: Hat die Weigerung Nawrockis, einen Regierungsvertreter nach Washington einzuladen, einen doppelten Boden? Mehr dazu in der Presseschau.
Der Prsident der Republik Polen Karol Nawrocki (3L) auf dem Warschauer Flughafen, 2 v. Chr. Prsident Karol Nawrocki befindet sich auf einem Besuch in Washington DC. (sko) PAPRadek Pietruszka
Der Präsident der Republik Polen Karol Nawrocki (3L) auf dem Warschauer Flughafen, 2 v. Chr. Präsident Karol Nawrocki befindet sich auf einem Besuch in Washington DC. (sko) PAP/Radek PietruszkaPAP/Radek Pietruszka

RZECZPOSPOLITA: Nur Trump kann Russlands Aggression beenden

Die konservativ-liberale Rzeczpospolita präsentiert ein ausführliches Interview mit Marcin Przydacz, dem Leiter des Büros für Internationale Politik in der Präsidialkanzlei. Przydacz betont darin die historische Bedeutung des Treffens: Es sei Nawrockis erste Auslandsreise nach der Vereidigung und erfülle ein zentrales Wahlkampfversprechen.

„Das wichtigste Thema wird die Sicherheit in der Region sein", erklärt Przydacz in dem Gespräch. Der Präsident wolle sicherstellen, dass Trump „das volle Bewusstsein für unsere Perspektive auf die aggressive russische Politik" habe. Auch die Frage der amerikanischen Truppenpräsenz in Polen werde sicherlich ein Thema der Gespräche sein. Przydacz räumt ein, man höre „Stimmen aus Übersee über die Notwendigkeit, die militärische Präsenz außerhalb der USA zu überprüfen". Polen müsse mit guten Argumenten überzeugen – etwa den hohen Verteidigungsausgaben und den exzellenten Infrastrukturbedingungen für US-Soldaten. “Wir haben eine Reihe von Vorteilen, mit denen wir versuchen werden, die amerikanische Seite davon zu überzeugen, dass die Entscheidung, wenn es zu Truppenreduzierungen kommt, nicht Polen betreffen sollte. Vorzugsweise sollte nicht ganz Europa davon betroffen sein, denn je mehr Amerikaner in Europa sind, desto besser”, so Przydacz.

Scharfe Kritik übt der Präsidentenberater indes an der polnischen Regierung. Die Regierung Tusk habe die Präsidialkanzlei bei der Organisation des Besuchs nicht unterstützt. „Wir haben keine Überzeugung, dass die Regierung Donald Tusks, die von Bogdan Klich geleitete Botschaft und das Außenministerium wollen, dass der Besuch von Präsident Nawrocki ein Erfolg für Polen wird", so Przydacz. Die Regierung von Donald Tusk habe gezeigt, dass sie keinen Einfluss auf die Regierung von Donald Trump hat. Sie könne auch keine effektive Diplomatie betreiben. Sie täte gut daran, sich auf die Kontakte von Präsident Karol Nawrocki zu stützen und Emotionen oder interne Politik beiseite zu lassen und sich auf ein konkretes mögliches Ergebnis zu konzentrieren. “Wir sehen keine solche Haltung, sondern nur den Wunsch, das Thema auf nationaler Ebene auszuspielen. Die abfälligen öffentlichen Ankündigungen, der Präsident werde eine Regierungsanweisung umsetzen, die fünf banale, markige Absätze ohne jede Substanz enthält, lassen uns gegenüber dem Diplomatie-Ressort Misstrauen bewahren”, erklärt Przydacz.

Gefragt danach, ob er hinter der Veröffentlichung der Regierungsinstruktionen steht, antwortet der Präsidentenberater ausweichend, es sei kein vertrauliches Dokument gewesen. Es hätte genauso gut von anderen Ministerien oder der Kanzlei des Premierministers an die Öffentlichkeit geleakt werden können. Und die Tatsache, dass es nicht vertraulich gewesen ist und somit veröffentlicht werden konnte, sei der Schlampigkeit von Minister Sikorski geschuldet. Jeder Praktikant, auch vor dem Abitur, hätte ein inhaltlich tiefgründigeres Dokument erstellen können. Vorerst sei auch kein Treffen zwischen dem Staatsoberhaupt und dem Außenminister geplant. Der Austausch finde auf anderen Ebenen statt. 

Zur Ukraine-Politik bekräftigt Przydacz, Nawrocki sei überzeugt, „dass die einzige Person, die den Krieg Russlands gegen die Ukraine beenden kann, Präsident Trump ist". Und zu einer solchen diplomatischen und wenn nötig auch auf Druck basierenden Aktivität werde Nawrocki Trump zu überzeugen versuchen. 

Gleichzeitig mahnt er einen „realistischeren" Umgang mit dem Nachbarland an: Polen werde die Ukraine weiterhin im Kampf gegen Russland unterstützen. Man könne jedoch dabei nicht von bilateralen Angelegenheiten abstrahieren und von Herausforderungen, die aus der Sicht der polnischen Gesellschaft gelöst werden müssen. Die Frage der Exhumierungen der Opfer des Massakers von Wolhynien müsse endlich gelöst werden, und die ukrainische Wirtschaft dürfe nicht „destruktiv auf den wirtschaftlichen Wohlstand Polens einwirken", so Marcin Przydacz im Interview mit der Rzeczpospolita.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Verschiebung der Kräfteverhältnisse. Chance auf einen Neuanfang? 

Zbigniew Parafianowicz analysiert im Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna indes den größeren geopolitischen Kontext von Nawrockis Besuch. Der Zeitpunkt sei symbolträchtig: Während der polnische Präsident im Weißen Haus empfangen werde, würden Putin, Xi Jinping und Kim Jong-un gemeinsam eine Militärparade in Peking beobachten – „ein bedeutsames Signal für die USA und ein Symbol für die ernsthafte Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Pazifik".

„Der 3. September 2025 sollte als der Tag betrachtet werden, an dem Peking, Moskau und Pjöngjang plus Neu-Delhi und Anhängsel aus dem globalen Süden den Westen eindeutig herausfordern werden", schreibt Parafianowicz. Diesmal ohne die bis vor kurzem selbstverständliche Führungsrolle der USA, die unter dem Slogan "America first" ihre eigene hegemoniale Rolle teilweise selbst aufgegeben haben.

Russland und Nordkorea, so der Autor, hätten bereits im letzten Sommer einen Vertrag über eine enge militärische Zusammenarbeit unterzeichnet. Das bedeute eine Erweiterung der Fähigkeiten Putins in der Ukraine und im Falle Kim Jong-Uns die Möglichkeit, Wissen und Ressourcen über ballistische Raketen oder Luftabwehr zu gewinnen. Ein Jahr habe Peking ein ähnliches Abkommen mit Pjöngjang untezeichnet. Nun könnte ein trilateraler Vertrag folgen. Indien versuche indes, zu balancieren. Aber auch Neu Delhi sage Trump deutlich, dass er nicht aus einer Position der Stärke heraus mit dem Subkontinent sprechen sollte.

Mit der Parade in Peking seien die Hoffnungen Trumps, die Weltordnung gemeinsam mit Russland zurechtzulegen, „verpufft". Die USA und Europa hätten es geschafft, Putin in Syrien, Mali, im Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien sowie in Bezug auf den Iran auszutricksen. Putin habe daher nicht die Absicht, Kompromisse einzugehen – insbesondere in der Frage der Ukraine, auf deren Punkt er eine Obsession habe. Stattdessen baue er an einer multipolaren Weltordnung unter der Führung Chinas.

Für Polen als „Frontstaat in einer potenziellen Quetschzone" sei dies eine gute Gelegenheit, Trump eine Neuordnung an der Ostflanke vorzuschlagen. Das Problem: Für Trump bedeute dies eher den Abzug von Truppen in die Pazifik-Region und nicht ein Angebot an Polen. Politiker aus dem Umfeld des Präsidenten würden bereits von einem möglichen Abzug von 20.000, Pessimisten sogar von bis 40.000 US-Soldaten aus Europa sprechen. „Die Rolle der polnischen Diplomatie unter diesen sehr ungünstigen Umständen ist nicht gegenseitiges Lächerlichmachen", mahnt der Autor mit Blick auf die Spannungen zwischen Präsidialamt und Außenministerium. Stattdessen müsse Polen als Ganzes dafür kämpfen, „dass Polen bei der Gestaltung der neuen Weltordnung so wenig wie möglich verliert". Beispielsweise durch die Stationierung neuer Waffentypen unserem Staatsgebiet als Ausgleich für den Abzug von US-Truppen. Oder indem man Trump davon überzeugt, dass es in Polen mehr statt weniger Truppen geben sollte. Es bleibt keine Zeit mehr für Spiele um einen kleinen Einsatz, so Parafianowicz in Dziennik/Gazeta Prawna.

GAZETA WYBORCZA: EU-Flagge nur noch zur Show

Die linksliberale Gazeta Wyborcza widmet ihren Aufmacher indes dem symbolischen Verschwinden von EU-Flaggen aus dem Arbeitszimmer des Staatspräsidenten. Wie Wojciech Maziarski beobachtet, sei dies eine der ersten Entscheidungen von Nawrocki gewesen. „Das ist keine Kuriosität über die Inneneinrichtung in den Kabinetten der Macht, sondern eine politische Erklärung", warnt der Publizist.

Der Staatspräsident, so der Autor, habe zahlreiche EU-skeptische Aussagen und Gesten auf seinem Konto, wie etwa die Ankündigung, er werde keinerlei Vertiefung der EU zustimmen. Man habe sich jedoch die Hoffnung machen können, dass dies eher PR-Gesten in Richtung der nationalkonservativen Wähler seien und letztendlich der Pragmatismus siegen werde. 

Doch nun würde der Präsident EU-Symbole gewissermaßen heimlich verschwinden lassen. Es sei also keine demonstrative, leere Geste. Stattdessen könne man die Entscheidung als Ausdrucks seiner Kernüberzeugungen lesen.  „Der Präsident lässt die EU-Flaggen bei manchen Auftritten zur Schau aufstellen, um die öffentliche Meinung zu täuschen, die Wachsamkeit jener Bürger einzuschläfern, die mit Entsetzen an die Perspektive einer strategischen Isolation Polens denken, das mit all seinen Nachbarn zerstritten und der Gefahr des russischen Imperialismus ausgesetzt ist", analysiert der Autor. Womit eine solche geopolitische Konstellation für Polen enden könne, hätten wir bereits im Zweiten Weltkrieg getestet.

Dabei sei genau das das Ziel, dass sich Kräfte gesetzt werden, die das ideologische und politische Rückgrat der nationalistischen Rechten  bilden. Im März hätten führende polnische Medien alarmiert, dass die ultrakatholische Organisation Ordo Iuris, der Vergindungen zum Kreml nachgesagt werden, gemeinsam mit Orbán-nahen Experten an einem Projekt zum Abbau der wichtigsten EU-Institutionen arbeite. Diese Konzepte seien später der Trump-nahen Heritage Foundation in den USA präsentiert worden. „Diesen Kontext sollte man im Kopf behalten, wenn wir über die Vorbereitungen zum heutigen Besuch Karol Nawrockis in den USA lesen", warnt der Publizist. Die Weigerung des Präsidenten, Regierungsvertreter zum Trump-Treffen zuzulassen, obwohl die Regierung laut Verfassung für die Außenpolitik verantwortlich sei, verstärke diese Bedenken, so Wojciech Maziarski in Dziennik/Gazeta Prawna.

Autor: Adam de Nisau


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