RZECZPOSPOLITA: Ukraine als Partner statt Bittsteller
In einem Gastbeitrag für die Rzeczpospolita zieht der ehemalige Außenminister Jacek Czaputowicz eine optimistische Bilanz des Warschauer Sicherheitsforums. Dieses, so der Autor, habe sich mittlerweile zum wichtigsten Sicherheitsevent in Mittelosteuropa entwickelt. An der diesjährigen Ausgabe hätten über 2.500 Teilnehmern aus Dutzenden Staaten teilgenommen. Premier Donald Tusk habe die Stimmung unter den Teilnehmern treffend zusammengefasst: Der Krieg in der Ukraine sei auch Polens Krieg, da er das Überleben der westlichen Zivilisation betreffe.
Czaputowicz hebt hervor, dass in den Auftritten von Präsident Wolodymyr Selenskyj (online) und Außenminister Andrij Sybiha (vor Ort) ein "vorsichtiger Optimismus" spürbar gewesen sei, dass Frieden in absehbarer Zeit möglich werde. Bemerkenswert sei auch die Teilnahme hochrangiger US-Vertreter an dem Event gewesen, darunter des Ukraine-Beauftragten Keith Kellogg und Ex-Verteidigungsminister Lloyd Austin. Wie Czaputowicz erklärt, würde nach dem aktuellen ukrainischen Plan bei einem Treffen zwischen Putin und Selenskyj zunächst ein Waffenstillstand beschlossen, gefolgt von eigentlichen Friedensverhandlungen. Die militärischen Fähigkeiten der Ukraine würden künftig als Abschreckung dienen, während die EU-Mitgliedschaft dauerhaften Frieden sichern solle.
Die EU, lesen wir weiter, nähere sich zudem der Entscheidung, eingefrorene russische Staatsvermögen zugunsten der Ukraine zu nutzen. Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot habe unterstrichen, eine "Koalition der Willigen" sei bereit, unmittelbar nach einem Waffenstillstand Verantwortung zu übernehmen. Das Schweigen von Radosław Sikorski zu diesem Thema interpretiert Czaputowicz als Zeichen, dass sich an Polens Ablehnung einer Truppenbeteiligung nichts geändert habe. Vielleicht werde sich Polen aber zumindest dem PURL-Programm anschließen, das der Finanzierung des Kaufs amerikanischer Waffen für die Ukraine diene.
Nach russischen Drohnenangriffen auf Polen, so der Autor, wachse schließlich das Bewusstsein, dass die Ukraine nicht nur Empfänger westlicher Militärhilfe sei, sondern selbst einen wichtigen Beitrag zur kontinentalen Sicherheit leiste. EU-Verteidigungskommissar Andrius Kubilius habe betont, ukrainisches Know-how sei unverzichtbar für eine effektive Anti-Drohnen-Abwehr an der NATO-Ostflanke. "Auch in Polen sollten wir aufhören, die Ukraine paternalistisch zu behandeln und in ihr einen Partner bei der Gewährleistung gemeinsamer Sicherheit erkennen", mahnt Jacek Czaputowicz in seinem Kommentar für die Rzeczpospolita.
DZIENNIK GAZETA PRAWNA: Sicherheitsstrategie als Geisel der Politik
Das Wirtschaftsblatt Dziennik Gazeta Prawna berichtet indes über die Blockade der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie Polens durch Präsident Karol Nawrocki. BBN-Chef Sławomir Cenckiewicz kritisiere, das Regierungsdokument spreche von Russland nur als "Bedrohung" statt vom "real existierenden Kriegszustand zwischen der zivilisierten Welt und der Russischen Föderation". Die Formulierungen zur Eindämmung russischer Einflusssphären seien unzureichend, Russland müsse als "für lange Zeit extrem gefährlicher Staat" bezeichnet werden.
Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz habe sich indes überrascht gezeigt und daran erinnert, dass die Empfehlungen in Zusammenarbeit mit Nawrockis’ Vorgänger, Präsident Duda ausgearbeitet worden seien und BBN-Vertreter an den Beratungen teilgenommen hätten. "Das ist keine gute Situation", so der Vizeregierungschef. Die fehlende Zustimmung des Präsidenten bedeute, dass das Dokument aus dem Jahr 2020, also aus der Zeit vor dem russischen Angriff auf die Ukraine, weiterhin gültig bleiben werde. Auf der Grundlage der neuen Strategie sollten jedoch eine neue politisch-strategische Verteidigungsrichtlinie erstellt und ein Plan für weitere Anschaffungen für das Militär ausgearbeitet werden.
Ex-BBN-Chef General Roman Polko warnt vor dem Hintergrund des Konflikts vor chaotischen Rüstungskäufen ohne strategische Grundlage: "Einmal hatten wir die Epoche der Bayraktars und HIMARS, dann kamen Panzer und Flugzeuge, jetzt reden alle nur von Drohnen. Es ist für mich absurd, dass wir im vierten Kriegsjahr keine Strategie haben, die auf die neuesten Herausforderungen antwortet. Für ihre Verabschiedung seien eben die Politiker verantwortlich und nicht für die manuelle Steuerung von Militäreinheiten.", so Polko.
Sowohl Polko, als auch sein Vorgänger an der BBN-Spitze General Stanisław Koziej befürchten, dass dieses wichtige Dokument nicht dem aktuellen politischen Kampf zwischen Regierung und Staatspräsident zum Opfer fällt. Die Kritik des BBN sei verständlich. Sie müsse aber durch konstruktive Vorschläge ergänzt werden, so Koziej. Das BBN könne Änderungsvorschläge machen, der Präsident neue Empfehlungen aussprechen oder das BBN selbst einen Sicherheitsüberblick durchführen. All dies müsse von einer breiten Debatte mit Experten und Militärs begleitet werden. Koziej kritisiert auch die Regierung: "Ich werfe der Regierung vor, dass sie den Strategieentwurf nur in ihrem eigenen Kreis vorbereitet hat. Ich habe nichts von einer Beteiligung von Experten und verschiedenen Milieus gehört. Und das ist ein sehr wichtiges Dokument, denn ohne Strategie sind im Grunde alle anderen Entscheidungen im Staat nur von vorübergehender Natur", so Koziej im Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna.
FAKT: Flaschenautomaten verweigern den Dienst
Die Boulevardzeitung Fakt nimmt den holprigen Start des polnischen Pfandsystems ins Visier. Reporter Andrzej Zwoliński hat eine Żabka-Filiale in Breslau besucht, um das neue System zu testen. "Wir haben einen Flaschenautomaten, aber er hat den Gehorsam verweigert. Wir setzen ihn zurück, aber das hilft nicht", habe ihm die Verkäuferin erklärt und dabei auf den nagelneuen, glänzenden Automaten neben der Kasse gezeigt, der sich aufgehängt hatte.
Die hilfsbereite Verkäuferin, lesen wir, habe angeboten, die Pfandauszahlung notfalls manuell vorzunehmen und die Flaschen später selbst einzuwerfen, aber gleichzeitig gestanden, bisher noch keine einzige pfandpflichtige Verpackung gesehen zu haben. Experte Janusz Kamiński von Eneris erklärt dem Blatt, der 1. Oktober müsse als "symbolisches Datum" verstanden werden: "An diesem Tag wird sich für die große Mehrheit der Kunden nichts ändern." Die speziell gekennzeichneten Verpackungen würden erst Ende Oktober oder Anfang November in den Läden auftauchen.
Kamiński weist auf die enormen Kosten von 40 Milliarden Złoty bis 2030 hin – die größte Revolution in der polnischen Abfallwirtschaft seit Jahren. Jährlich würden acht bis neun Milliarden Złoty an Pfandgeldern im System zirkulieren. Das Ziel sei ehrgeizig: 77 Prozent Rückgabequote jetzt, 90 Prozent ab 2029. Problematisch sei, dass kleine Flaschen ("małpki"), von denen täglich drei Millionen weggeworfen würden, sowie Milch- und Ölflaschen nicht erfasst seien. "Ich erwarte, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben werden, zusätzlichen Platz für leere Flaschen und Dosen zu finden und zu lernen, dass man sie nicht zerdrücken darf, sonst ist die Pfandrückgabe unmöglich", so der Experte im Gespräch mit Fakt.
Autor: Adam de Nisau