Deutsche Redaktion

Polen auf Kollisionskurs mit Berlin wegen Nord Stream 2

09.10.2025 13:30
Polen ist auf Kollisionskurs mit Berlin. Warschaus Haltung zu den mutmaßlichen Drahtziehern der Pipeline-Sprengung belaste die bilateralen Beziehungen. Doch wer trägt die wahre Schuld? Polens Justizwesen will mit Gerichtsverfahren kämpfen, die Teilnehmer der öffentlichen Debatte zum Schweigen bringen sollen. Und: Die polnische Armee wächst zahlenmäßig, doch der Gesundheitszustand vieler Soldaten – insbesondere jener über 50 – gibt Anlass zur Sorge.
Polen ist auf Kollisionskurs mit Berlin. Warschaus Haltung zu den mutmalichen Drahtziehern der NS2-Pipeline-Sprengung belaste die bilateralen Beziehungen. Hat Polens westlicher Nachbar tatschlich Lehren aus den Fehlern vor dem russischen berfall auf die Ukraine gezogen?
Polen ist auf Kollisionskurs mit Berlin. Warschaus Haltung zu den mutmaßlichen Drahtziehern der NS2-Pipeline-Sprengung belaste die bilateralen Beziehungen. Hat Polens westlicher Nachbar tatsächlich Lehren aus den Fehlern vor dem russischen Überfall auf die Ukraine gezogen?wikimedia commons

Rzeczposplita: Polen auf Kollisionskurs mit Berlin wegen Nord Stream 2
Angesichts kritischer Äußerungen von Angela Merkel gegen Polen und die baltischen Staaten sowie der Forderung Deutschlands nach der Auslieferung des Ukrainers Wolodymyr S., der verdächtigt wird die deutsch-russische Gasleitung NS2 gesprengt zu haben, stelle sich laut der Tageszeitung Rzeczpospolita die Frage, ob Polens westlicher Nachbar tatsächlich Lehren aus den Fehlern vor dem russischen Überfall auf die Ukraine gezogen habe.

„Das Problem Europas, das Problem der Ukraine, Litauens und Polens ist nicht die Sprengung von Nord Stream 2 – das Problem ist, dass die Pipeline überhaupt gebaut wurde“, sagte Ministerpräsident Donald Tusk am Dienstag im Zusammenhang mit der Festnahme des Ukrainers in Polen. Wie der Regierungschef betonte, habe Russland Nord Stream 2 mit Geldern deutscher und niederländischer Unternehmen gebaut – gegen die vitalen Interessen nicht nur der östlichen EU-Staaten, sondern ganz Europas. Es liege daher nicht im polnischen Interesse, Wolodymyr S. an Deutschland auszuliefern, fügte Tusk hinzu.

Geht es nach dem Chefredakteur der Tageszeigung, befinde sich Polen damit auf Kollisionskurs mit Berlin. Warschaus Haltung zu den mutmaßlichen Drahtziehern der Pipeline-Sprengung belaste die bilateralen Beziehungen. Deutschland habe gehofft, dass sich nach dem Machtwechsel in Polen mit Donald Tusk nun die Spannungen in den gegenseitigen Beziehungen legen und ein lange erwarteter Neuanfang gelinge. Die Haltung zu Nord Stream 2 zeige jedoch, wie stark sich die geopolitischen Perspektiven beider Länder unterscheiden. Wolodymyr S. wurde vor einem Jahr in Polen nicht festgenommen – er konnte das Land verlassen, bevor sein Name in die elektronischen Datenbanken aufgenommen wurde. Polen schien es damals damit nicht eilig zu sein. Nun ist das Problem zurückgekehrt – Wolodymyr S. ist wieder in Polen aufgetaucht.

Gleichzeitig verteidige Angela Merkel weiterhin ihre Russland-Politik. Für das, was schiefgelaufen ist, machte sie andere verantwortlich, heißt es weiter. Wie sollten Polen und die baltischen Staaten jedoch damals in deutsche Verhandlungen mit Wladimir Putin haben, wenn Angela Merkel den Bau der Pipeline vorantrieb – und das nach der Annexion der Krim und dem Beginn des Kriegs im Donbas, fragt der Autor. Gerade die Fertigstellung von Nord Stream 2 habe Putin überzeugt, er könne die Ukraine angreifen, ohne den Export seines wertvollen Rohstoffs in den Westen zu gefährden. Szułdrzyński nach liege genau darin der Kern des Problems.

Wer habe Putins verbrecherischem Plan letztlich mehr verholfen – die Polen, die vor den Folgen des Pipeline-Baus gewarnt und den Sinn von Verhandlungen mit Putin infrage gestellt haben, oder die Deutschen, die Nord Stream bauen wollten und glaubten, man müsse mit ihm – trotz allem – im Gespräch bleiben? So laute der wahre Hintergrund des polnischen Dilemmas im Fall Wolodymyr S. Sollte Polen ihn an Deutschland ausliefern, wäre das ein Zeichen, dass europäische Rechtsmechanismen für Warschau wichtiger seien als fundamentale Fragen der Sicherheit. Was den Deutschen jedoch am wenigsten gefalle, sei, lautet Michał Szułdrzynskis Fazit in der Rzeczposplita, dass es nämlich Polen, war das recht hatte.

Dziennik/Gazeta Prawna: Regierung will Einschüchterungsklagen bekämpfen
Seit mehreren Jahren komme es in Polen immer wieder zu Gerichtsverfahren, die Teilnehmer der öffentlichen Debatte zum Schweigen bringen sollen. Nun arbeite das Justizministerium an gesetzlichen Regelungen, die solche Praktiken verhindern sollen – berichtet die Tageszeitung DGP. Wie wir lesen, wolle vor allem die Europäische Union Journalisten, Aktivisten und zivilgesellschaftliche Organisationen besser vor sogenannten SLAPP-Klagen schützen. Dabei handle es sich um juristische Verfahren – oft völlig unbegründet –, die von einflussreichen Personen oder Institutionen eingeleitet werden, um Kritiker einzuschüchtern und sie davon abzuhalten, sich öffentlich zu äußern. Eine entsprechende EU-Richtlinie verpflichte nun die Mitgliedstaaten, Schutzmechanismen gegen solche Praktiken gesetzlich zu verankern.

Der Gesetzentwurf siehe vor, die Teilnehmer der öffentlichen Debatte vor Missbrauch im Zivilverfahren zu schützen. Ziel sei es, Klagen zu verhindern, deren einziger Zweck darin bestehte, Kritiker einzuschüchtern, mundtot zu machen oder von gesellschaftlichem Engagement abzuhalten. Die EU-Richtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten, den Beklagten in solchen Verfahren einen wirksamen Schutz zu gewährleisten. Sie sollen die Möglichkeit haben, sämtliche Verfahrenskosten einschließlich Anwaltsgebühren zurueckzuerhalten. Sie erlaube zudem die Verhängung von Strafen und Sanktionen gegen jene, die das Justizsystem missbrauchen, um Kritik zu unterdrücken, lesen wir. Die neuen Regelungen ermöglichen es außerdem Nichtregierungsorganisationen, Verbänden oder Gewerkschaften, Personen, die von solchen Klagen betroffen sind, zu unterstützen – etwa durch rechtliche Beratung oder die Bereitstellung von für das Verfahren wichtigen Informationen.

Das Phänomen der sogenannten SLAPP-Klagen sei nicht neu, nehme jedoch deutlich zu, schreibt das Blatt. Laut einem Bericht der  mit solchen Rechtsverletzungen kämpfenden Koalition CASE wurden in Polen zwischen 2010 und 2023 insgesamt 135 Verfahren registriert, die als strategische Klagen zur Unterdrückung der öffentlichen Debatte eingestuft wurden – so viele wie in keinem anderen EU-Land, lesen wir am Schluss. Die meisten davon betrafen zivilrechtliche Klagen wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Es habe jedoch auch Strafverfahren – unter anderem wegen Verleumdung oder Beleidigung gegeben.

DoRzeczy: Polnische Soldaten nicht fit genug
Die polnische Armee wächst zahlenmäßig, doch der Gesundheitszustand vieler Soldaten – insbesondere jener über 50 – gibt Anlass zur Sorge, schreibt indes das konservative Wochenmagazin DoRzeczy.

Untersuchungen des Militärischen Medizinischen Instituts in Warschau nach, seien fast 60 Prozent der Soldaten in dieser Altersgruppe übergewichtig, haben einen erhöhten Cholesterinspiegel oder Bluthochdruck. Stress, unregelmäßiger Dienst und die Herausforderungen der geopolitischen Lage seien Gründe, die sich negativ auf die Gesundheit der Soldaten ausüben, erklärt Oberst Prof. Paweł Krzesiński im Gespräch mit dem Blatt. Besorgniserregend seien auch ungesunde Gewohnheiten – über 46 Prozent der polnischen Soldaten rauchen. In der US-Armee liege dieser Anteil bei weniger als 20 Prozent.

Auch der Leiter des Nationalen Sicherheitsbüros, Sławomir Cenckiewicz, soll auf das Problem des Übergewichts hinweisen. Auf die Frage, ob es in der polnischen Armee nicht zu viele Generäle mit großen Bäuchen gebe, antwortete er: „Das sieht wohl jeder.“ Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz indes kündige an, sein Ressort werde ein eigenes Trainingsprogramm für Soldaten vorbereiten, um deren Fitness und Gesundheit zu verbessern. Das Verteidigungsministerium erkläre, die körperliche Verfassung der Truppen werde zu einer Priorität – damit die Armee wieder wie ein echtes Militär aussehe.|

Auch General Roman Polko, ehemaliger Kommandeur der Spezialeinheit GROM äußert sich zur Debatte über die körperliche Verfassung von Soldaten. Er weist auf Reformen, die US-Verteidigungsminister Pete Hegseth und Präsident Donald Trump Ende September für die amerikanischen Streitkräfte angekündigt hatten. Hegseth stellte eine Verschärfung der Standards in Aussicht: verpflichtende Fitness- und Gewichtstests zweimal jährlich, einheitliche Disziplinarregeln, ein Verbot von Bärten und langen Haaren sowie ein Beförderungssystem, das ausschließlich auf Leistung basiert. „Bereitet euch auf den Krieg vor – nicht, weil wir ihn wollen, sondern weil wir den Frieden wollen“, habe der Pentagon-Chef erklärt und eine Rückkehr zum Kriegerethos angekündigt.

General Roman Polko begrüße diese Entscheidung. Ihm nach wären ähnliche Schritte auch in Polen notwendig. „Die Armee braucht klare Regeln. Das ist kein geschützter Arbeitsplatz. Manche Soldaten sind zu Weicheiern geworden. Ein Soldat muss aus Fleisch und Blut sein“, habe er kürzlich im Gespräch mit der Boulevardzeitung Fakt gesagt.

Der ehemalige GROM-Kommandeur habe betont, auch die polnischen Streitkräfte sollten mehr auf Qualität als auf Zahlen setzen und mit dem „Schonprogramm“ in der Ausbildung Schluss machen. „Die Armee ist in letzter Zeit auseinandergefallen. Es fehlt an Leidenschaft, Enthusiasmus und am Ethos des Dienstes – dafür gibt es zu viel Wunscherwartungen wie in einem geschützten Betrieb“, so Polko.

Derzeit zählt die polnische Armee rund 215.000 Soldaten, darunter über 150.000 Berufssoldaten.

Autor: Piotr Siemiński

 

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