RZECZPOSPOLITA: Wer dient Putin? Der riskante Angriff des deutschen Botschafters
Jerzy Haszczyński übt in seinem Kommentar für die konservativ-liberale Rzeczpospolita scharfe Kritik an den jüngsten Äußerungen des neuen deutschen Botschafters in Polen Miguel Berger. Berger hatte den PiS-Europaabgeordneten Arkadiusz Mularczyk auf dem Portal X attackiert und ihm vorgeworfen, mit seinem Aktivismus für Reparationen „nur Putin zu helfen".
Haszczyński erinnert daran, der Diplomat sei bereits zuvor durch einen umstrittenen Tweet aufgefallen, als er im Fall des in Polen festgenommenen Ukrainers Wołodymyr Jurawlow, den Deutschland der Beteiligung an der Nord-Stream-Sabotage verdächtige, öffentlich die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit betont habe. Damit habe er de facto dem polnischen Gericht nahegelegt, wie es entscheiden solle, zugleich aber ausgeblendet, dass Deutschland selbst vor einigen Jahren den katalanischen Separatisten Carles Puigdemont nicht an Spanien ausgeliefert habe.
Im aktuellen Fall übersehe Berger nach Ansicht des Kommentators vor allem die Stimmungslage in Polen. Die weit überwiegende Mehrheit der polnischen Bevölkerung sei der Auffassung, Deutschland habe sich für die Verbrechen in Polen nicht angemessen verantwortet und schulde dem Land noch immer substanzielle Wiedergutmachung; diesen Punkt ignorierten die deutschen Regierungen konsequent, lesen wir. Dass laut Umfragen eine klare Mehrheit erwarte, dass die polnische Regierung gegenüber Berlin gerade in der Reparationsfrage hart bleibe – wenn auch oft ohne präzise juristische Vorstellung –, werde durch den Tweet des Botschafters völlig ausgeblendet.
Indem Berger Mularczyk öffentlich attackiere, mache er aus einem politisch eher randständigen PiS-Politiker faktisch einen Sprecher dieser Mehrheit – und verschaffe ihm damit mehr Gewicht, als er ohne den Eingriff der deutschen Diplomatie hätte, so der Autor. Das passe schlecht zu der Behauptung des Botschafters, Mularczyks Aktivismus werde die bilateralen Beziehungen nicht prägen.
Besonders riskant sei aus Sicht Haszczyńskis der Vorwurf, Mularczyk leiste mit seiner Politik Putin Vorschub. Ausgerechnet ein deutscher Diplomat solle große Zurückhaltung walten lassen, wenn er anderen Staaten Nähe zu Moskau vorhalte, argumentiert der Kommentator. Kein anderes Land in Europa habe Putins Russland über Jahre hinweg so massiv gestützt wie Deutschland – vor allem durch die milliardenschwere Energiekooperation, die den Kreml überhaupt erst in die Lage versetzt habe, einen großangelegten Angriffskrieg zu führen. Auch die einseitigen deutschen Entscheidungen in der Migrationspolitik hätten Putins Möglichkeiten zur Destabilisierung Europas erhöht, so Haszczyński.
Haszczyński warnt, die von Berlin ausgerufenen „epochalen Kurswechsel“ gegenüber Russland und in der Migrationspolitik könnten diese Hypothek nur begrenzt tilgen, während die Folgen der früheren Entscheidungen in Mitteleuropa noch lange zu spüren seien. Er verweist zudem auf Äußerungen des Warschauer Oberbürgermeisters Rafał Trzaskowski, der in einem vor der Präsidentschaftswahl veröffentlichten Buch vor einer „heute nur noch latent“ vorhandenen Russophilie deutscher Eliten gewarnt habe und der Meinung sei, viele deutsche Politiker würden bei einem eingefrorenen Konflikt „nur zu gern“ wieder Geschäfte mit Russland machen.
Die Frage, wer in Zukunft tatsächlich dem Kreml nütze, bleibe eine äußerst heikle, „weshalb ich mir erlaube, der deutschen Diplomatie etwas mehr Zurückhaltung beim Gebrauch der Formel ‚Das dient Putin‘ zu empfehlen“, schließt Jerzy Haszczyński in der „Rzeczpospolita“.
GAZETA.PL: “Präzedenzloser Sabotageakt”. General Polko über einzige effektive Strategie
Das liberale Nachrichtenportal Gazeta.pl präsentiert eine Analyse des Sabotageakts an der polnischen Bahn durch General Roman Polko, den ehemaligen Kommandeur der Spezialeinheit GROM. „Bei solchen Aktionen geht es vor allem um den psychologischen Effekt und den Aufbau einer Atmosphäre der Angst", so Polko gegenüber dem Portal. Man könne nicht tausende Kilometer Bahnstrecken schützen, selbst mit den besten elektronischen Systemen nicht. Daher sei es entscheidend, „nicht die Folgen zu bekämpfen, sondern die Bedrohung an der Quelle zu neutralisieren".
Der General fordert eine grundlegende Strategieänderung: „Der effektivste Weg zur Risikominderung ist es, Russland dazu zu zwingen, sich auf den Kampf auf eigenem Territorium zu konzentrieren." Wenn die USA der Ukraine Tomahawk-Raketen lieferten, könnten die Ukrainer Drohnenfabriken angreifen. „Das würde automatisch auch die Bedrohung für Polen verringern - kurz gesagt: Indem wir die Ukraine unterstützen, helfen wir uns selbst."
Polko warnt eindringlich, dass Russland bereits einen hybriden Krieg gegen Polen führe - von künstlichen Migrationskanälen über GPS-Störungen bis zu Brandstiftungen. „Diese Krieg läuft bereits, wenn auch auf hybrider Ebene", betont er. Solange man nicht von der Defensive zur Offensive übergehe und „stark antworte", werde die Eskalation anhalten. „Angst treibt die Aggression an", so der ehemalige GROM-Kommandeur gegenüber gazeta.pl.
CYBERDEFENCE24.PL: Polens fehlende Werkzeuge gegen Desinformation
Das Fachportal für Cybersicherheit cyberdefence24.pl zieht einen ernüchternden Vergleich zwischen Polens und Großbritanniens Fähigkeiten zur Abwehr von Desinformationskampagnen. Polen habe „viel zu tun, wenn es die Effektivität im Kampf gegen feindliche Desinformationsoperationen erhöhen will", so der Publizist Adam Jawor.
Der Autor verweist auf britische Studien des Royal United Services Institute (RUSI), die zeigen, wie Russland künstliche Intelligenz zur Massenproduktion manipulativer Inhalte nutze. Experten schätzten, dass Russland über eine Milliarde Dollar für Kampagnen ausgegeben habe, um die westliche Unterstützung für die Ukraine zu untergraben. Großbritannien habe mit dem „National Security Act 2023" und dem Foreign Influence Registration Scheme (FIRS) klare rechtliche Instrumente geschaffen, um solche Kampagnen aufzudecken und zu neutralisieren.
Die Situation in Polen sei „entschieden anders", schreibt Jawor. Im polnischen Rechtssystem existierten „keinerlei gesetzliche Definitionen für ausländische Einmischung oder Desinformation selbst". Während Länder wie Australien, Frankreich und Kanada präzise Regelungen eingeführt hätten, verfüge Polen nur über „allgemeine Rechtsvorschriften", die keine systematische Identifizierung und Neutralisierung von Informationsoperationen erlaubten.
„Der Kontrast zwischen Großbritannien und Polen ist deutlich", resümiert der Autor. Ohne gesetzliche Definition von Desinformation sei deren Bewertung vom politischen Kontext abhängig, und dem Staat fehle die Möglichkeit zur systematischen Überwachung von Bedrohungen. Polen müsse dringend präzise Vorschriften einführen, Registrierungspflichten für ausländische Aktivitäten schaffen und die Dienste mit modernen Analysewerkzeugen ausstatten. „Das Fehlen solcher Lösungen macht es unmöglich, sich Informationsbedrohungen effektiv entgegenzustellen, die real die Stabilität und Sicherheit des Staates beeinflussen", warnt der Autor auf cyberdefence24.pl.
Autor: Adam de Nisau