DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: „Zu viel über uns ohne uns"
Die USA und Russland verhandeln über die künftige Sicherheitsordnung in Osteuropa, während Polen als betroffener Staat kaum informiert wird, kritisiert Zbigniew Parafianowicz im Wirtschaftsblatt Dziennik Gazeta Prawna Trumps 28-Punkte-Papier. Der Autor betont, die Idee europäischer Kampfflugzeuge in Polen sei „an sich nicht schlecht", doch das Problem beginne bei der Frage, ob diese mit den polnischen Behörden konsultiert worden sei. „Wie aus den Informationen von DGP hervorgeht – wurde sie nicht", schreibt Parafianowicz.
Besonders alarmierend sei Punkt 4 des Plans, der einen Dialog zwischen NATO und Russland vorsehe, der bei US-Vermittlung „alle Sicherheitsprobleme lösen und Bedingungen für eine Deeskalation schaffen" solle. Dies sei, so der Autor, eine Anspielung in „äsopischer Sprache" auf das russische Memorandum vom Dezember 2021, in dem der Kreml de facto die Demilitarisierung der NATO-Ostflanke und vor allem den Abzug amerikanischer Truppen gefordert habe. „Wurde dieser Punkt Polen zur Konsultation vorgelegt? Und was bedeuten eigentlich Gespräche Russland-NATO bei US-Vermittlung? Stehen die Vereinigten Staaten außerhalb des Bündnisses?" Und enstehe damit genau der Spalt im transatlantischen Raum, den Russland sich erhoffe, fragt Parafianowicz.
Die für die Ukraine vorgesehenen Sicherheitsgarantien seien noch problematischer. Laut Axios seien diese ähnlich wie Artikel 5 des Washingtoner Vertrags, wobei Polen neben anderen europäischen Staaten als Garantiestaat genannt werde. Im Falle eines erneuten Angriffs auf die Ukraine solle der US-Präsident nach Konsultationen mit Kiew, der NATO-Führung und europäischen Partnern „Maßnahmen zur Wiederherstellung der Sicherheit“ ergreifen. Völlig offen bleibe, ob das eine Pflicht zur Entsendung von Truppen oder lediglich zu Waffenlieferungen bedeute, so der Kommentator. Zwar sei über eine ähnliche Konstellation bereits bei den Gesprächen in Istanbul im Frühjahr 2022 diskutiert worden, damals habe Polen aber noch aktiv am Text mitgeschrieben und jeden Automatismus eines militärischen Eingreifens abgelehnt. Jetzt hingegen zirkuliere der Passus gewissermaßen verselbständigt „irgendwo zwischen Moskau und Washington“ – nicht einmal zwischen Washington und Kiew –, und er wirke wie eine unangenehme Überraschung, die der wichtigste Verbündete für Polen bereithalte, so Parafianowicz.
Der Autor warnt: „In der Hochphase der Debatte darüber, wer in Polen die Außenpolitik führt – die Regierung oder der Präsident – könnte sich bald herausstellen, dass beide Seiten des polnisch-polnischen Krieges sich gegenseitig die Verantwortung für diese Politik aufzwingen werden." Die 28 Punkte, die zwischen Russland und den USA ausgehandelt wurden, erweckten den Eindruck, dass der Krieg um die Diplomatie „eine wenig lustige Fiktion" sei. „Denn wenn eine der Seiten Einfluss auf irgendetwas hätte, würde uns niemand in Garantien hineinmontieren, über die wir nichts wissen", schließt Parafianowicz bitter.
RZECZPOSPOLITA: Kaczyńskis fatale Fehlkalkulation
Der Traum von PiS-Chef Kaczyński von polnischer Sicherheit unter dem Schutzschirm einer wohlwollenden Pax Americana ist mit dem Trump-Plan zur Ukraine krachend gescheitert, argumentiert Michał Szułdrzyński in der konservativ-liberalen Rzeczpospolita.
Der Autor erinnert daran, dass der PiS-Chef noch kürzlich argumentiert habe, Deutschland und Frankreich würden Polens Souveränität bedrohen, weshalb man statt auf die EU auf einen Bund mit Donald Trump setzen solle, der diese Souveränität respektiere. „Der Friedensplan Trumps zeigt, wie dramatisch sich der PiS-Vorsitzende geirrt hat", konstatiert Szułdrzyński.
Schon Trumps bisherige Politik habe das Sicherheitsgefühl in der Region erschüttert – etwa die Kürzung von Hilfen für die baltischen Staaten oder die Reduktion von Truppen in Rumänien. Zugleich sei die direkte Unterstützung Polens aber nicht spürbar zurückgegangen, weshalb in Warschau lange die Hoffnung bestanden habe, die USA blieben trotz mancher Irritationen verlässlicher Hauptgarant der Sicherheit.
Der sogenannte Friedensplan stelle eine bedeutende Veränderung dar, da er zeige, dass die USA bereit seien, mit Russland nicht nur über die Köpfe der Ukrainer hinweg zu sprechen, sondern auch die künftige Sicherheitsarchitektur der Region, einschließlich Polens, zu planen, ohne Polen zu fragen. Indem das Dokument festschreibe, welche Truppen überhaupt auf polnischem Territorium stationiert werden dürften, und gleichzeitig ein Ende der NATO-Erweiterung garantiere, verletze es sowohl die Souveränität aktueller Mitgliedstaaten als auch das Selbstbestimmungsrecht möglicher Beitrittskandidaten. „Anstelle einer auf Souveränität basierenden internationalen Ordnung (einschließlich der Souveränität über das eigene Territorium) scheint Trump eine völlig neue Ordnung vorzuschlagen, in der die größten Akteure über Einflusssphären und die Zukunft – sowie sogar über Grenzen und Territorium – der übrigen Staaten entscheiden", analysiert der Autor.
Szułdrzyński betont, Trumps fundamentales Missverständnis von Putins Zielen sei gefährlich. Kaczyński habe in seinem isolationistischen und antiglobalistischen Manifest Trumps eine Chance für ein „Pax Americana" gesehen – eine Weltordnung, in der freie und souveräne Staaten unter dem Schutzschirm der USA funktionieren könnten. Doch der enthüllte Plan zeige „mit aller Schärfe, dass der amerikanische Präsident Europa, aber auch Polen, ausschließlich instrumentell behandelt". Er habe nichts für Polens Souveränität übrig, wenn Trump und Putin darüber entscheiden sollten, welche Truppen auf polnischem Territorium stationiert werden dürften. „In einer solchen Auffassung ist Pax Americana für uns eine ziemlich katastrophale Aussicht", warnt der Kommentator der Rzeczpospolita.
GAZETA WYBORCZA/DUŻY FORMAT: Der alltägliche Rassismus gegen Osteuropäer
Die linksliberale Gazeta Wyborcza präsentiert in ihrer Wochenendbeilage Duży Format ein ausführliches Interview mit der Soziologin Anna Zawadzka, die ihre Erfahrungen als Gastarbeiterin in Deutschland schildert. Katarzyna Brejwo spricht mit der promovierten Soziologin an der Polnischen Akademie der Wissenschaften über ihr Buch „Gorycz" (Bitterkeit) und die strukturellen Diskriminierungen osteuropäischer Migranten in Deutschland.
Zawadzka hat, wie sie in dem Interview erklärt, Polen 2018 verlassen, weil ihr akademisches Gehalt von 2000 Złoty netto nicht einmal eine eigene Wohnung ermöglicht habe. In Berlin habe sie als ungelernte Hilfskraft in einer Gartenbaufirma begonnen: Unkraut jäten, Bäume schneiden, Laub schaufeln, bei Regen frierend, im Sommer in der Hitze, immer am unteren Ende der betrieblichen Hierarchie. Schon das erste Gespräch über Löhne im Firmenwagen – sie mit acht Euro netto, der deutsche Kollege schweigend, aber sichtbar besser gestellt – sei für sie ein Lehrstück über informelle Machtgefälle und die Unsichtbarkeit von Ungleichheit gewesen, so Zawadzka.
Zawadzka erklärt, dass vor einigen Jahren in der deutschen Debatte der Begriff des anti-osteuropäischen Rassismus aufgetaucht sei – Vorurteile gegen Menschen aus Mittel- und Osteuropa, die oft stereotyp als „rückständige, billige Arbeitskraft" behandelt würden. Diese herablassende Haltung gegenüber Menschen aus dem sogenannten Osten sei in allen Lebensbereichen Deutschlands stark präsent und betreffe auch Ostdeutsche.
Die Soziologin verweist auf Dirk Oschmanns Buch „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung", in dem dieser frage, warum nach der Wiedervereinigung unreflektiert angenommen wurde, dass sich der Osten an den Westen anpassen müsse. „Der Mythos der zivilisatorischen Rückständigkeit des Ostens prägt bis heute die öffentliche Sphäre in Deutschland", betont Zawadzka. Neben diesem Rassismus existiere jedoch ein noch brutalerer gegen nicht-weiße Menschen. In der Hierarchie der Migranten befänden sich „Eastern Europeans" in einer relativ privilegierten Position – mit EU-Pass müsse man nicht endlos Ämter besuchen oder Tausende Briefe mit Abschiebungsdrohungen erhalten.
Dennoch seien auch Osteuropäer Zielscheibe subtiler Entwertung: Osteuropa interessiere „den Westen“ kaum, Polinnen würden mit freundlicher Gleichgültigkeit angehört, aber nicht ernsthaft wahrgenommen, und in Alltagsinteraktionen träten Deutsche fast selbstverständlich als belehrende Autorität auf.
Zentral wird im Gespräch der Begriff der „Integration“. Zawadzka schildert, wie von ihr permanent erwartet worden sei, Deutsch zu lernen und Integrationsbereitschaft zu demonstrieren – obwohl sie körperlich völlig erschöpft von der Arbeit in den Gärten sei. Ihr Vorgesetzter habe sie regelrecht mit Sprache sanktioniert, indem er nur noch Deutsch mit ihr gesprochen habe, obwohl er Englisch konnte. Parallel dazu habe sie erlebt, wie amerikanische Hilfskräfte in einer Berliner Galerie problemlos ohne Deutschkenntnisse auskämen, weil von ihnen niemand Integration einfordere. „Integration bedeutet tatsächlich, dass die dominierende Gemeinschaft sagt: Wir entscheiden über die Bedingungen der Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft, wir prüfen, ob du in der Lage bist, sie zu erfüllen. Diese Prüfung endet nie, du wirst sie dein Leben lang ablegen."
Zawadzka zieht Parallelen zur Situation in Polen: „Ukrainer sind jetzt eine rassifizierte Gruppe in Polen. Sie haben nicht unbedingt eine andere Hautfarbe, aber es gibt viele Vorurteile über sie. Diese sollen Akte der Mikro- und Makroaggression rechtfertigen, die sich Polen gegenüber Ukrainern erlauben." Viele Ukrainer arbeiteten ohne Versicherung, zu niedrigen Löhnen, in überfüllten Unterkünften, erledigten schwere, schmutzige, aber systemrelevante Jobs. Dass polnische Städte funktionieren – Müllabfuhr, Baustellen, Logistik – sei auch ihrer Arbeit geschuldet.
Sie selbst, so Zawadzka, sei dank angehobener Gehälter bei der Polnischen Akademie der Wissenschaften nach vier Jahren körperlicher Arbeit in Berlin nach Polen zurückgekehrt, lebe von einem einzigen Vollzeitposten und arbeite nur noch gelegentlich dazu. Doch ihre relative Stabilität ändere nichts an der Diagnose, dass die komfortable Normalität vieler Europäerinnen nur möglich sei, weil andere – von Berliner Osteuropa-Gastarbeiterinnen bis zu ukrainischen Bauarbeitern in Polen – in „unmenschlichen Verhältnissen schuften, ohne Aussicht, ihre Situation zu verbessern“, so Anna Zawadzka im Gespräch mit der Gazeta Wyborcza.
Autor: Adam de Nisau