RZECZPOSPOLITA: Wartet und zittert!
Seit Langem ist man davon ausgegangen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin bei seiner Ansprache etwas Wichtiges sagen werde, schreibt in seinem Kommentar für die Tageszeitung Rzeczpospolita der Publizist Jerzy Haszczyński. Kritischen Fragen habe sich der russische Herrscher wie üblich nicht stellen müssen. In seiner Rede zur Lage der Nation habe er jeweils seine politischen Ziele erklärt und aufgezeigt, welche Probleme er lösen wolle. Seine Botschaft an den Westen sei unkonkret aber böswillig gewesen, meint der Publizist.
Wladimir Putin habe sich zur schwierigen Wirtschaftslage im Land geäußert. Er habe eingeräumt, dass die wirtschaftliche Situation für viele Russen gerade wegen der Corona-Pandemie schwierig sei und kündigte neue Infrastrukturprojekte und Sozialleistungen an. Unter anderem Familien, Alleinerziehende und Schulen sollten mehr finanzielle Hilfe erhalten. Die erste Stunde lang habe Putin, der vor Hunderten Vertretern der politischen Elite des Landes, sowie vor Vertretern aus Wirtschaft, Kultur und Religion sprach, mehr Geld für jede Gesellschaftsgruppe versprochen. Er habe sich bei den Medizinern für ihren Kampf mit der Pandemie bedankt, auch wenn fast niemand den in Russland bei solchen Massenveranstaltungen vorgeschriebenen Mund- und Nasenschutz trug.
Die Botschaft an der Westen sei kurz gewesen: ich werde es euch zeigen, schreibt der Publizist weiter. Wie, wo und wann habe er nicht gesagt. Dies sei aber kein Zufall gewesen. Putin wollte damit sagen, dass er derjenige sei, der bestimme, was wichtig sei, er schreibe vor, was erlaubt sei und was nicht. Er deutete nur an, dass er schnell und gezielt gegen Provokateure vorgehen werde. Wer damit gemeint sei, habe er nicht präzisiert. Bald würde sich dies doch herausstellen. Und nun zittert und wartet, und wehe, ihr werdet weitere Sanktionen gegen Russland einführen, fasst der Publizist Putins Botschaft zusammen. Wofür denn? Navalny sei doch am Leben und russische Panzer hätten die ukrainische Grenze nicht überquert. „Noch!“, so Jerzy Haszczyński in seinem Kommentar für die Rzeczpospolita.
SUPER EXPRESS: Koalitionspartner als Randerscheinung
In der komplizierten Situation der letzten Monate gebe es eine Nachricht, die den Chef der Regierungspartei PiS doch freuen müsste, stellt die Tageszeitung Super Express fest. Eine Meinungsumfrage, die im Auftrag der Tageszeitung Super Express vom Meinungsforschungsinstitut Pollster durchgeführt würde zeige, dass die Regierungspartei die stärkste parlamentarische Kraft bleibe. Sollte es vorgezogene Wahlen geben, würde die Kaczyński-Partei diese mit einem Ergebnis von 33 Prozent gewinnen. Weniger erfreulich seien die Ergebnisse für Kaczyńskis Koalitionspartner ausgefallen: sowohl die Partei Solidarisches Polen von Justizminister Zbigniew Ziobro, als auch die Gruppierung Verständigung von Vizepremier Jarosław Gowin würden die 5-Prozent-Hürde alleine nicht schaffen. Beiden Gruppierungen würde der Sprung ins Parlament nur aus den Wahllisten der Partei Recht und Gerechtigkeit gelingen. Allein würden sie in der Politik nichts bedeuten, schreibt das Blatt. Dies sei ein großer Erfolg von Jarosław Kaczyński, stellt in einem Gespräch mit der Tageszeitung der Politikwissenschaftler, Professor Kazimierz Kik fest. Die Studie zeige, dass die Partei Recht und Gerechtigkeit auf dem rechten Flügel der politischen Szene ein absolutes Monopol habe, so Super Express.
TYGODNIK POWSZECHNY: Kraft der Einigkeit
Auf die angespannte Lage im Regierungslager bezieht sich auch der Politikwissenschaftler Jarosław Flis in seinem Artikel für die Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny. Als die PiS und die Koalitionspartner der Kaczyński-Partei 2015 die Macht übernommen hätten, habe man in den meisten Kommentaren die verblüffende Wirksamkeit des politischen Teams unterstrichen, die unter anderem aus dessen Einstimmigkeit resultierte. Ein klare Führung, Determinierung, gemeinsame Ziele – diese Merkmale hätten damals die Vereinte Rechte gekennzeichnet. Heute sei davon nichts mehr übrig geblieben. Rein theoretisch sei die Situation identisch, wie noch vor sechs Jahren, stellt der Politikwissenschaftler fest: die Gleiche Zahl der Plätze im Parlament, der gleiche Präsident, die gleichen Parteianführer. Doch der Schein trüge, lesen wir weiter. Die Koalition aus dem Jahr 2015 gebe es eigentlich nicht mehr. Die Streitereien zwischen den einzelnen Gruppierungen würden schon öffentlich vor laufenden Kameras geführt. Drohungen und gegenseitige Beschuldigungen gehörten zum üblichen Menü. Ähnlich wie die Ankündigung der vorgezogenen Wahlen – als ob die Politiker in den vergangenen Jahren nicht alles erreicht hätten, was zu erreichen war.
Die Opposition schaue den Streitereien mit Zufriedenheit zu, schreibt Flis weiter. Es wäre aber besser, wenn Oppositionspolitiker aus der Situation Schlüsse ziehen könnten. Sollte es tatsächlich zu früheren Wahlen kommen und würde die Opposition diese gewinnen, würde sie schnell ähnlichen Spannungen unterliegen, wie momentan die Regierenden, schreibt Jarosław Flis in Tygodnik Powszechny.
Jakub Kukla