Deutsche Redaktion

Wenn Stille in der Beziehung laut wird

02.12.2025 12:30
Die deutsch-polnischen Beziehungen sind derzeit angespannt und eine von beiden Seiten erhoffte Verbesserung ist ausgeblieben. Die Beziehungen sind schwierig und die diplomatische Zusammenarbeit, die zuletzt durch Regierungskonsultationen in Berlin stattfand, verläuft unspektakulär. 
Premierminister Donald Tusk und Bundeskanzler Friedrich Merz in Berlin
Premierminister Donald Tusk und Bundeskanzler Friedrich Merz in BerlinFoto: PAP/Radek Pietruszka

BIZNESINFO: Stockende Annäherung

Die Presse bewertet die politische Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland derzeit kritisch. Nach Ansicht von Kommentatoren ist von einem ambitionierten Aufbruch oder einer strategischen Partnerschaft angesichts der Bedrohungen aus dem Osten wenig zu spüren. Stattdessen stecken die Beziehungen zwischen Berlin und Warschau in einem Stillstand fest. Große Projekte weichen symbolischen Gesten, und politische Kalkulationen auf beiden Seiten der Oder bremsen einen substanzreichen Dialog.

Politische Experten beobachten diese Entwicklung mit wachsender Sorge, berichtet Biznesinfo.pl. Obwohl es nach dem Machtwechsel anfangs Pläne für einen Neuanfang in den bilateralen Beziehungen gab, ist dieser bislang ausgeblieben. Historische Belastungen dominieren weiterhin über zukunftsorientierte Initiativen. Berlin und Warschau schöpfen das Potenzial konstruktiver Zusammenarbeit nicht aus. Kommentatoren sehen die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit als das größte Hindernis für ein besseres gegenseitiges Verständnis.

Teil dieses Problems sei eine historisch mangelnde Sensibilität in Deutschland, die aus Unwissenheit resultiere. Gleichzeitig liege eine weitere Hürde auch auf polnischer Seite, insbesondere bei rechten Parteien wie PiS und Konfederacja, die bewusst antideutsche Stimmungen befeuerten. Diese Ressentiments erschwerten den bilateralen Dialog und führten dazu, dass strategische Kooperationsprojekte – etwa in den Bereichen Sicherheit und Infrastruktur – kaum vorankommen.

Grund für die Analysen ist das gestrige Treffen von Donald Tusk und Friedrich Merz im Rahmen der Regierungskonsultationen. Dem Portal zufolge seien die Gespräche in sehr formellem Rahmen verlaufen und hätten keine konkreten Ergebnisse gebracht, die praktische Schritte ermöglicht hätten. Die Konsultationen wirkten wie eine Pflichtübung, die beiden Seiten sichtlich schwerfalle. Als einzig greifbares Resultat sei die Übergabe von Kulturgütern geblieben – der einzige Punkt, bei dem sich beide Seiten wirklich einigen konnten. Die Hoffnungen auf eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland nach den Regierungswechseln haben sich bislang nicht erfüllt.

Hinzu komme das geringe Interesse der deutschen Öffentlichkeit an Polen, was den politischen Druck auf Berlin verringert. Gleichzeitig unterscheiden sich die historischen Perspektiven deutlich: Während rund 60 Prozent der Deutschen der Meinung sind, ihr Land habe ausreichend Wiedergutmachung für die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs geleistet, teilen nur etwa 17 Prozent der Polen diese Ansicht, so Biznesinfo.pl. 

FAKT: Tusk fordert Entscheidung aus Berlin 

Das gestrige Treffen der polnischen und der deutschen Regierung in Berlin wurde von steigenden Erwartungen hinsichtlich möglicher Entschädigungen für deutsche Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs begleitet. Premierminister Donald Tusk nahm bei seinem Treffen mit Bundeskanzler Friedrich Merz klar Stellung: Er erwartet eine zeitnahe Entscheidung Berlins über Wiedergutmachungen für die noch lebenden Opfer. Andernfalls erwäge Polen, Entschädigungszahlungen selbst zu leisten.

In einem Gespräch mit Fakt ordnet der Deutschland-Experte Prof. Andrzej Sakson vom West-Institut die Aussagen Tusks ein. Seiner Ansicht nach sendet der Premier ein deutliches Signal an die deutsche Regierung, einen bedeutenden Schritt zu tun – zumindest in der Frage der Entschädigung für die rund 50.000 noch lebenden polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs. Die Worte Tusks seien Ausdruck der Unzufriedenheit über die bisherige deutsche Haltung und machten klar: „Jetzt oder nie“. Deutschland müsse ein klares Statement abgeben und die möglichen Folgen einer Ablehnung mitbedenken.

Tusk unterscheidet dabei zwischen Wiedergutmachungen für Einzelopfer und den viel höheren Reparationsforderungen, die regelmäßig in der polnischen Politik diskutiert werden. Doch wie realistisch sind milliardenschwere Reparationsleistungen überhaupt? Politiker wissen, dass die Frage der Reparationen aus völkerrechtlicher Sicht verloren sei, erklärt Sakson. Gleichzeitig bleibe für Deutschland jedoch ein moralischer Auftrag bestehen. „Die rechtliche Lage entbindet die deutsche Seite nicht von der moralischen Verantwortung – in welcher Form auch immer. Es reiche nicht, zu erklären, Deutschland habe sich vorbildlich mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandergesetzt. Umso mehr, dass sich in dieser Hinsicht die Meinungen der Gesellschaften beider Länder erheblich unterscheiden, lesen wir in Fakt. 

DO RZECZY: Berlin drängt auf Kurswechsel 

In einem anderen Kontext befasst sich auch das Magazin Do Rzeczy mit deutscher Politik. Bundeskanzler Friedrich Merz will die Europäische Union dazu bewegen, geplante Regelungen zum Verbot neuer Verbrennerfahrzeuge zu überarbeiten.

Das Europäische Parlament hatte im Februar 2023 neue Ziele zur CO2-Reduktion bei PKWs beschlossen. Diese Vorgaben laufen faktisch auf ein EU-weites Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor hinaus. Doch seither hat sich die Lage auf dem europäischen Automarkt grundlegend verändert: Der deutsche Automobilkonzern VAG kämpft mit erheblichen finanziellen Schwierigkeiten, während chinesische Hersteller zunehmend Marktanteile gewinnen und die europäische Industrie unter Druck setzen.


Vor diesem Hintergrund fordert Merz, die EU müsse ihre Pläne zum geforderten Ausstieg überdenken. Die Branche solle selbst bestimmen können, wie sie den Weg zur Klimaneutralität gestaltet. Die Europäische Kommission will sich am 10. Dezember 2025 zur deutschen Position äußern.

Aus einer aktuellen YouGov-Umfrage gehe hervor, so Do Rzeczy, dass die deutsche Bevölkerung Klimaschutzmaßnahmen grundsätzlich unterstützt – jedoch vor allem dann, wenn diese für sie selbst vorteilhaft sind oder keine übermäßigen Belastungen mit sich bringen.


Autor: Jakub Kukla