Die Kundgebungen gegen eine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes im Höhepunkt der Epidemie spalten die Gesellschaft. Geht es nach Doktor Michał Sutkowski vom Kollegium der Familienärzte, seien Demonstrationen in der aktuellen Situation absolut unzulässig. Die Gesundheit der Bürger, so der Arzt, sollte Vorrang vor allen anderen Belangen haben. Das, was derzeit geschehe, sei der "Albtraum von Ärzten, Virologen und Epidemiologen", denn die Manifestationen würden ein hohes Risiko von Neu-Ansteckungen nach sich ziehen.
Ehemaliger Chef des Verfassungsgerichts: Ekel und Trauer
Als Bürger betrachte er die Proteste gegen das neuliche Urteil des Verfassungsgerichts mit Ekel, als Katholik mit Trauer, so der Ex-Vorsitzende des Verfassungsgerichts und Gegner der von der Regierungspartei forcierten Justizreform, Professor Andrzej Rzepliński. Es gebe kein Einverständnis für das "Geheule unter Kaczyńskis’ Fenster". Er könne mit Kaczyński nicht übereinstimmen, seine Politik verurteilen, aber falls dessen Leben gefährdet wäre, dann würde er ihn verteidigen, denn das sei halt sein Charakter, so Rzepliński.
Psychologin: Moment der Identitätsfindung einer Generation
Die Psychologin Professor Krystyna Skarżyńska sieht in den Demonstrationen indes einen Moment der Identitätsfindung der neuen Generation. “Jede Generation muss ihre formativen Erfahrungen durchleben, also etwas tun, was es als Generation definiert. Und zeigt, was diese Generation will, wie sie leben will und welche Werte für sie wichtig sind”, so Skarżyńśka. In Zeiten der Verunsicherung sei der Wille zur Verteidigung von Werten umso deutlicher. Die Angst vor dem Virus rücke in den Hintergrund. Sie verstehe nicht, wieso die Berater den Regierenden dies nicht vermittelt hätten. Denn die Proteste in der Pandemie und bei der aktuellen Polarisierung der Gesellschaft seien nichts Gutes, so Skarżyńska.
IAR/tvn24/adn