Deutsche Redaktion

Deutscher Historiker: Haltung der Scholz-Regierung zu Reparationen inakzeptabel

08.09.2022 21:52
Laut Dr. Karl Heinz Roth sei der polnische Bericht über die Kriegsverluste Polens "gut und systematisch vorbereitet" und biete eine solide Grundlage für entsprechende Regierungsverhandlungen.
Karl Heinz Roth
Karl Heinz Rothwikipedia.org/Rosa Luxemburg-Stiftung/CC BY 2.0

Nach Ansicht des Historikers Dr. Karl Heinz Roth sei die ablehnende Reaktion der Bundesregierung zu Verhandlungen mit Polen im Zusammenhang mit dem am 1. September vorgelegten Bericht über Verluste und Schäden im Zweiten Weltkrieg inakzeptabel. "Polen hat nie auf Reparationsansprüche gegenüber Deutschland verzichtet: weder 1953 noch anlässlich des Zwei-plus-Vier-Vertrages von 1990, an dem die polnische Regierung überhaupt nicht beteiligt war", so Roth im Gespräch mit der polnischen Nachrichtenagentur PAP.

Dem Historiker zufolge sei der polnische Bericht "methodisch hervorragend, gut und systematisch vorbereitet und überzeugend in seinen Analysen". Seiner Meinung nach sei die Schätzung des Wertes der demographischen Verluste, die Polen durch die deutsche Besetzung erlitten habe, sowie der materiellen, wirtschaftlichen und kulturellen Schäden "korrekt und gemäßigt".

"Der Expertenausschuss hat durch seine Tätigkeit eine solide Grundlage für die entsprechenden Regierungsverhandlungen geschaffen", betonte Roth. "Der nächste Schritt für die polnische Regierung sollte sein, Reparationsforderungen gegen Deutschland bei den Vereinten Nationen einzureichen, wie es 1969 geschehen ist, und das EU-Parlament, die EU-Kommission und die OSZE-Schiedskommission zu kontaktieren", fügte er hinzu.

Polen sollte diese Schritte mit Griechenland koordinieren, dessen Regierung Deutschland in den letzten Jahren ebenfalls zu Reparationsverhandlungen aufgefordert hat. "Nur durch massiven diplomatischen und politischen Druck auf Berlin besteht eine Chance auf eine Verhandlungslösung", betonte Karl Heinz Roth.

Am 1. September wurde in Warschau ein Bericht über die Kriegsverluste Polens durch Deutschland während des Zweiten Weltkriegs vorgelegt. Etwa 30 Wissenschaftler, darunter Historiker, Wirtschaftswissenschaftler, Immobiliengutachter haben an dem Bericht gearbeitet. Die Summe der Verluste wurde von der Kommission 1,3 Billionen Euro festgelegt.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung polnische Forderungen nach Reparationen für Schäden, die Deutschland Polen im Zweiten Weltkrieg zugefügt hat, zurückgewiesen.


PAP, tvp.info/ps