Deutsche Redaktion

Visa-Affäre: Ehemaliger US-Botschafter kritisiert Regierung PiS

20.09.2023 11:06
Der ehemalige polnische Botschafter in den USA, Ryszard Schnepf, äußerte sich in einem Interview mit dem Privatsender TVN24 kritisch zur Haltung der Regierung zur aktuellen Visa-Affäre in Polen. Zudem übte er scharfe Kritik an der Enthüllung der Verteidigungspläne Polens im Rahmen der Wahlkampagne und sprach von einer offensichtlichen Krise in den polnisch-ukrainischen Beziehungen.
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Ілюстрацыйны здымак.Фота: gov.pl

Der ehemalige polnische Botschafter in den USA, Ryszard Schnepf, äußerte sich in einem Interview mit dem Privatsender TVN24 kritisch zur Haltung der Regierung zur aktuellen Visa-Affäre in Polen und zu den neuesten Aussagen von Justizminister Zbigniew Ziobro.

„Der Minister verhöhnt die Realität“, kritisierte Schnepf in Bezug auf Ziobros Äußerungen zur Visa-Affäre. „Wir haben es derzeit mit dem massenhaften Verkauf von Visa verschiedener Art zu tun, meistens Arbeitsvisa. Polen stellt alle Rekorde in der Europäischen Union auf. 35 Prozent aller Schengen-Visa mit Arbeitsberechtigung sind das Ergebnis der Arbeit unserer Konsulate“, fügte der Diplomat hinzu.

"Europa hat ein riesiges Problem mit der Migrationsfrage"

Schnepf wies darauf hin, dass Europa "ein riesiges Problem" mit der Migrationsfrage habe. „Das liegt unter anderem daran, dass die Europäische Union versucht, humanitär zu handeln. Also nicht Menschen ins Meer zu stoßen, nicht mit Gewehren zu schießen, keine Mauern und Barrieren zu errichten, an denen später tote Menschen hängen“, sagte er.

Er argumentierte, dass die aktuelle Krise den anti-europäischen, anti-migrantischen und pro-Putin-Parteien Auftrieb gebe. „Wir unterstützen dies, indem wir die Europäische Union von innen heraus zerstören. Es ist weltweit bekannt, dass die Migrationsroute durch Polen der einfachste, billigste und sicherste Weg ist. Die gegenwärtige Regierung hat dies ermöglicht“, beurteilte Schnepf.

Zur Einbestellung des polnischen Botschafters in Deutschland zu Gesprächen im Innenministerium sagte Schnepf: „Das ist der Anfang des Weges. Bisher geschieht dies etwas unterhalb der Schwelle des öffentlichen Wissens.“ Er deutete an, dass ähnliche Gespräche auch in anderen Ländern stattfinden könnten, und schloss nicht aus, dass auch die US-amerikanische Regierung solche Gespräche führt.

Kritik an Wahlspot zur Verteidigung an Weichsellinie

Zu den jüngsten Äußerungen von Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak, meinte Schnepf: „Es beunruhigt mich, wie weit die Angst der Führung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) bereits reicht, wenn sie auf solche Argumente zurückgreift, die erstens falsch sind.“ Blaszczak habe nicht die Gesamtheit der Verteidigungspläne gezeigt, sondern einen Ausschnitt gewählt und behauptet, dass "die Regierung Tusk bereit sei, im Kriegsfall halb Polen aufzugeben". “Für mich ist die Meinung bedeutender und erfahrener Generäle wie General (Mieczysław) Gocuł, General (Mirosław) Różański oder General (Mieczysław) Cieniuch maßgebend", betonte er. Die Enthüllung der Pläne, zeige, dass im Regierungslager "Panik" herrsche, so Schnepf. “Dies gefährdet unsere Sicherheit auf eine sehr ernste Art und Weise", fügte er hinzu.

Krise zwischen Ukraine und Polen offensichtlich

Zur Beziehung zwischen Polen und der Ukraine äußerte Schnepf, dass „eine Krise offensichtlich ist“.  “Die Tatsache, dass es kein Treffen der Präsidenten gibt, ist ein offensichtlicher Beweis dafür, dass es keine Atmosphäre für ein Treffen der Staatsoberhäupter gibt. Das ist sehr selten. Es ist in der Tat selten, dass ein Treffen abgesagt wird. Sich hinter dem Kalender zu verstecken, ist ein diplomatischer 'Trick', der zum Standard gehört", betonte er. Im Vorfeld der UN-Generalversammlung hatte die Präsidialkanzlei ein Treffen der beiden Staatspräsidenten angekündigt. 

Der Diplomat schätzte auch ein, dass die PiS dank der Darstellung der polnischen Behörden in der Getreidefrage die Wähler der erzkonservativen Konfederacja erreichen will. “Die PiS greift nach dieser Ressource, weil sie Angst hat, dass diese Wahl einfach verloren ist. Das ist eine dramatische Situation, die ich für äußerst gefährlich halte. Ich denke, die Vereinigten Staaten werden in dieser Frage ernsthafte Gespräche mit Polen führen", fügte er hinzu.

tvn24/adn