Deutsche Redaktion

Rzeczpospolita: Ursula von der Leyen muss jetzt Donald Tusk belohnen

26.10.2023 11:39
Seit dem Sieg der Opposition in den Parlamentswahlen sei klar, dass Brüssel 57 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds der EU für Polen endlich freigeben werde. Alles andere seien Förmlichkeiten, schreibt Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita.
Ursula von der Layen, przewodnicząca Komisji Europejskiej
Ursula von der Layen, przewodnicząca Komisji EuropejskiejJULIEN WARNAND/PAP/EPA

Kommissionschefin Ursula von der Leyen habe gestern den vielleicht größten Erfolg ihrer fünfjährigen Amtszeit an der Spitze der europäischen Exekutive gefeiert, lesen wir. Ihr Treffen mit dem künftigen Premierminister des fünftwichtigsten Landes in der Europäischen Union, Donald Tusk, sei ein greifbarer Beweis dafür, dass ihre Strategie eines prinzipiellen Umgangs mit der Rechtsstaatlichkeit in Polen die erwarteten Früchte gebracht habe.

Die Deutsche habe fabelhaft gepokert, heißt es weiter im Blatt. Indem sie der rechten Regierung keinen einzigen Cent gezahlt habe, bis diese die Grundlagen einer unabhängigen Justiz wiederhergestellt hat, gelang es ihr den Polen eine rechtspopulistische und nationalistische Regierung zu verabscheuen, sie aber nicht von Europa abzubringen. Von der Leyen habe die Wähler am 15. Oktober vor eine klare Wahl gestellt: zurück ins Herz der Union oder am Rande bleiben, wenn nicht gar einen Polexit-Weg einschlagen. Vor allem bei jungen Polen habe sich ihre Methode als wirkungsvoll erwiesen. Sie würden ihre Zukunft mehrheitlich eher mit dem westlichen Kreis der Zivilisation als mit einer östlichen Autokratie verbinden, so das Blatt.

Geht es nach dem Autor, sei diese Strategie die persönliche Idee der Chefin der Europäischen Kommission gewesen. Die fatale Verständigung mit dem polnischen rechts-konservativen Premierminister habe die Deutsche davon überzeugt, heißt es, dass sie die rechte Regierung in Polen nur abwarten könne. Verhandeln könne man hier gar nichts. Von der Leyen habe verstanden, dass Italien und andere von der Rechten regierte Mitgliedstaaten bald in die Fußstapfen Polens und Ungarns treten könnten, sollte sie zulassen, dass sie den Rechtsstaat weiter abbauen.

Ihre Strategie müsse die Kommissionschefin nun aber zu einem glücklichen Ende bringen. Geht es nach Bielecki, werde sie die neue polnische Regierung mit einer raschen Freigabe des postpandemischen Wiederaufbaufonds belohnen. Damit wolle sie den mit Populismus bezauberten Europäern zeigen, dass es sich lohne, zur Rechtsstaatlichkeit zurückzukehren. Ein ganzes Heer von Juristen sei in Brüssel bereits damit beschäftigt, Paragraphen, Fristen und Verfahren an diese politische Entscheidung anzupassen. Alles andere sei derzeit von drittrangiger Bedeutung, lautet Bieleckis Fazit in der Rzeczpospolita.

Dziennik/Gazeta Prawna: Brüssel wartet die Entwicklungen in Polen ab 

Fast alle EU-Länder würden bereits vom Wiederaufbaufonds profitieren. Die Ausnahmen seien Polen, Ungarn und die Niederlande. Sie hätten die als „Meilensteine" definierten Anforderungen aus Brüssel noch nicht erfüllt, um die Auszahlung in Gang zu setzen, schreibt indes DGP. Im Falle der Niederlande handle es sich um symbolische Beträge, im Falle Ungarns um fast 4% Prozent des BIP bei Polen um über 6 Prozent.

Gegenwärtig liege Polen bei der Ausgabe der EU-Mittel fast zwei Jahre hinter dem Zeitplan zurück, lesen wir im Blatt. Viele der Investitionen seien nämlich auf Jahre ausgelegt, um die europäischen Volkswirtschaften nach der Pandemie strukturell wieder aufzubauen. Der Fonds sei nämlich nicht als sofortige Geldspritze zum Stopfen von Haushaltslöchern gedacht. Selbst wenn Polen den Wiederaufbaufonds erhalte, heißt es, sei es somit unwahrscheinlich, dass alle erklärten Ziele erreicht werden könnten. Die neue Regierung werde sie wahrscheinlich neu formulieren müssen. Änderungen seien keineswegs ungewöhnlich, heißt es weiter. Viele Länder hätten solche gemeldet, basieren aber auf bereits eingeleiteten Reformen. Geht es nach dem Blatt, werde die neue Regierung sich vorerst deshalb mit Versprechen begnügen müssen, bis sie nachweisliche Beweise für ihre Reformen vorweisen könne. Brüssel warte deshalb derzeit die Entwicklungen in Polen ab und es gebe noch viele Unbekannte in diesem Rätsel, schreibt DGP. 

Was muss die neue Regierung in Polen beweisen?

Im Moment gebe es in Polen nur ein gutes Klima für den allgemeinen Regierungswechsel. Ein gutes Klima allein reiche jedoch nicht aus. Sollte die Europäische Kommission Polen bei einem der in der ausgehandelten Vereinbarung verankerten „Meilensteine" vom Haken lassen, wäre dies der beste Beweis für alle populistischen Parteien in Europa, so DGP, dass politische Interessen und nicht die Umsetzung von Regeln und Vorschriften die Grundlage für gute Beziehungen zu den Mitgliedstaaten sind. In Brüssel und den europäischen Hauptstädten werde die neue Regierung daher beweisen müssen, dass sie die Wahlen nicht nur gewonnen hat, um die rechts-konservative PiS-Partei von der Macht zu entfernen, sondern um den Staat im Einklang mit der EU-Gesetzgebung realistisch zu reformieren, so das Blatt zum Schluss. 

Wirtualna Polska: Koalitionsverhandlungen für Geld und Posten 

Wie der Publizist Patryk Słowik für das Nachrichtenportal WP schreibt, würden Politiker der künftigen Regierungskoalition zu den Medien gehen und dort erzählen, dass die Wahlversprechen ihrer Koalitionspartner nicht erfüllt werden können. Der Grund sei simpel: Man wolle sicherstellen, dass die Partner für jedes ihrer Versprechen politisch angemessen bezahlen. Der Verhandlungsgegenstand sollen vor allem Führungspositionen in der Regierung sein.

Die Wähler konnten somit erfahren, dass es schwierig sein werde, einen höheren Steuerfreibetrag einzuführen, dass es schwierig sein werde, Geld für das 800-Plus-Sozialprogramm zu finden oder dass das angekündigte Kreditprogramm unvollkommen sei. Und überhaupt müsse man sich übrigens mit dem Abtreibungsgesetz noch mal an einen Tisch setzen und ruhig darüber diskutieren, lesen wir.

Der Autor beruhigt an diesem Punkt seine Leser: Es sei einfach so, dass die vier Parteien jetzt das Puzzle für die Zeit nach der Wahl zusammensetzen. Es brauche ein bisschen Medienhetze, heißt es, um mehr am Verhandlungstisch zu bekommen. Das Geld sei da. Schließlich habe Oppositionsführer Donald Tusk selbst versprochen, dass das Geld für Wahlversprechen gefunden werde und die Polen sich darüber keine Sorgen machen müssten. Geht es nach dem Autor, würden die künftigen Koalitionsparteien jetzt einfach nur an der Bettdecke zerren, damit es vor allem um ihre Vorschläge gehe.

Man könnte glauben, heißt es weiter, dass man der Vielfalt der Meinungen in Polen auf einmal müde geworden sei. Es sei aber ganz im Gegenteil wertvoll, wenn heute Leute aus einer künftigen Koalition unterschiedliche Ansichten hätten. In der Regierung der scheidenden Partei Recht und Gerechtigkeit hätten nämlich alle dieselben gehabt, die einzig richtigen, so Słowik, die alle vom Parteivorsitzenden Jarosław Kaczyński stammten.

Aber seien wir auch nicht naiv, so der Autor weiter. Die aktuelle Kritik an den Projekten der künftigen Koalitionspartner sei keine Frage des Gedankenaustauschs, sondern eine Frage der politischen Strategie. Irgendwie seien die Politiker in der letzten Phase des Wahlkampfes seltsamerweise in der Lage gewesen, sich auf die Zunge zu beißen. Słowik bezweifle deshalb, dass sie diese Fähigkeit plötzlich verloren hätten.

Einige Politiker würden sogar auch schon Journalisten beschuldigen, sie wollten eine Regierung zur Rechenschaft ziehen, die es noch gar nicht einmal gebe. Nur gehe es hier nicht darum, sie zur Rechenschaft zu ziehen, sondern darum, schreibt Patryk Słowik abschließend auf WP, dass einige Leute versuchen, sich nach der Wahl aus dem herauszureden, was sie noch vor ein paar Tagen versprochen hätten.

 

Piotr Siemiński