Deutsche Redaktion

Ex-Bundespräsident: Deutschlands Haltung hat Wladimir Putin geholfen

25.02.2024 08:33
Alt-Bundespräsident Joachim Gauck hat die zögerliche Haltung Deutschlands bei der Lieferung von Waffen an die Ukraine kritisiert. Ihm zufolge wolle Berlin dadurch seine Rolle als Vermittler zwischen der Ukraine und Russland nicht gefährden. 
Wsparcie dla Ukrainy. Były prezydent Niemiec krytykuje rząd Scholza: nie rozumiem, dlaczego się wahamy
Wsparcie dla Ukrainy. Były prezydent Niemiec krytykuje rząd Scholza: nie rozumiem, dlaczego się wahamyMarkus Wissmann / Shutterstock

In einem Interview mit dem Spiegel lobte Gauck die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. Sie habe angekündigt, die gesamte Munition ihres Landes an die Ukraine zu liefern, und sei damit ein beispielhaftes Vorbild. „Diese Entschlossenheit vermisse ich in Deutschland. Wir hätten die Taurus-Raketen schon längst liefern müssen. Ich frage, was ist der Grund für diese Verzögerung? Das kann kein Zufall sein", sagte der ehemalige Präsident.

Seiner Ansicht nach wolle die deutsche Regierung ihre Rolle als „zukünftiger Makler, als Vermittler zwischen der Ukraine und Russland" nicht aufs Spiel setzen. „Das würde erklären, warum Deutschland bei der militärischen Unterstützung nicht aufs Ganze geht. Vielleicht braucht es noch Zeit, um zu verstehen, dass Unentschlossenheit für Putin ein Anreiz ist, weiter zu morden", erklärte Gauck.

„Hören wir auf die Warnungen der Polen und Balten"

Auf die Frage nach der Wahrscheinlichkeit eines russischen Angriffs auf ein NATO-Land sagte Gauck, Präsident Wladimir Putin werde von einem „imperialen Wahn" getrieben. Deshalb sei es schwierig, Vorhersagen zu treffen. „Deutschland hat Putin lange Zeit falsch eingeschätzt. Deshalb ist es jetzt besser, auf die Warnungen derjenigen zu hören, die Erfahrungen mit dem russischen Imperialismus haben. Dazu gehören neben Moldawien auch die baltischen Staaten, Finnland, aber auch Polen. (...) Diese Länder glauben, dass man von Putin alles erwarten kann", so der Ex-Bundespräsident. Gauck nach sollte Deutschland auch 2 Prozent seines BIP „ohne buchhalterische Tricks" für die Verteidigung bereitstellen.

„Deutsche Regierung hat Ukraine im Stich gelassen"

Gauck bestätigte die Einschätzung aus seinem Buch „Erschütterungen", die deutsche Regierung unter Angela Merkel habe die Ukraine im Stich gelassen. Ihm nach habe das Minsker Abkommen von 2015 die Illusion gewahrt, Russland sei an Frieden und Entspannung interessiert. Als besonders ärgerlich empfand er den Weiterbau der Gasleitung Nord Stream 2.

„Die Stimmen von Ukrainern, Polen, Balten und Amerikanern, aber auch von Deutschen, die das Projekt kritisch bewerteten, wurden ignoriert. (...) Unsere Haltung hat Putin geholfen, seine neoimperialistische Politik zu realisieren", urteilte Gauck.

Pastor Joachim Gauck leitete nach dem Zusammenbruch der DDR und der Wiedervereinigung Deutschlands die Bundesbehörde für Stasi-Unterlagen. Sie bewahrte die Archive der politischen Polizei der DDR auf und gewährte Zugang zu ihnen. Von 2012 bis 2017 war Gauck Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Nach dieser Amtsperiode verzichtete er darauf, erneut für das höchste Amt im Land zu kandidieren und widmete sich stattdessen journalistischen Tätigkeiten.


Quelle: rp.pl, spiegel.de/ps