Deutsche Redaktion

Direkt aus Erbil: Russischer Imperialismus und der Informationskrieg im Nahen Osten

04.11.2025 13:46
Im Nahen Osten wird Imperialismus und Kolonialismus mit dem Westen assoziiert, vor allem mit England, Frankreich und den USA. Vor einigen Jahren führte Russland jedoch einen neuen Begriff ein, den sogenannten „kollektiven Westen", um verschiedene tatsächliche und imaginäre Schuld einzelner Staaten auf alle demokratischen Länder auszudehnen, schreibt Witold Repetowicz in seinem Bericht aus Erbil.
Dr. Witold Repetowicz (geb. 1975) ist Nahost-Experte, Geopolitik-Analyst und Kriegskorrespondent. Er arbeitet als Assistenzprofessor an der Warschauer Akademie fr Kriegswissenschaften und ist Experte der Casimir-Pulaski-Stiftung.
Dr. Witold Repetowicz (geb. 1975) ist Nahost-Experte, Geopolitik-Analyst und Kriegskorrespondent. Er arbeitet als Assistenzprofessor an der Warschauer Akademie für Kriegswissenschaften und ist Experte der Casimir-Pulaski-Stiftung. PR24/AK

Kürzlich erschien in einem libanesischen Nachrichtenportal, das mit der Hisbollah verbunden ist, ein kurioser Artikel, der nahelegte, dass die Systemtransformation in Mitteleuropa vor 35 Jahren eine CIA-Operation war und die Gesellschaften dieser Länder heute unterdrückt würden. Das Ziel dieser Falschmeldung war klar: den Libanesen die Demokratie zu vermiesen und in ihnen die Überzeugung zu erzeugen, dass Freiheit eine Fiktion sei und prodemokratische Aktivitäten nur eine Tarnung für Imperialismus.

"Russische Desinformation ist enorm"

Seit drei Wochen befinde ich mich im Nahen Osten, zunächst in Beirut, dann in Bagdad und derzeit in der Hauptstadt der Region Kurdistan im Irak, in Erbil. Das Ziel meiner Reise ist es, der russischen Desinformation in dieser Region entgegenzuwirken. Und diese ist enorm! Sie betrifft vor allem den Krieg in der Ukraine, die Palästinafrage, Probleme im Zusammenhang mit Massenmigration sowie die Panikmache vor Imperialismus und die Verhöhnung der Demokratie. Russland präsentiert sich im sogenannten Globalen Süden, ähnlich wie einst die Sowjetunion, als antiimperiale und antikoloniale Kraft, obwohl es in Wirklichkeit ein koloniales Imperium war und ist.

Im Nahen Osten wird Imperialismus und Kolonialismus mit dem Westen assoziiert, vor allem mit England, Frankreich und den USA. Vor einigen Jahren führte Russland jedoch einen neuen Begriff ein, den sogenannten „kollektiven Westen", um verschiedene tatsächliche und imaginäre Schuld einzelner Staaten auf alle demokratischen Länder auszudehnen. Auf diese Weise wird Polen mitverantwortlich für den Kolonialismus oder die Situation im Gazastreifen gemacht, obwohl es damit nichts zu tun hat.

Manche zucken darüber mit den Schultern und sagen, sie sollen dort denken, was sie wollen, was geht uns das an. Aber das ist ein Fehler. Die Weltordnung ist zunehmend durch gegenseitige Abhängigkeiten gekennzeichnet, und Polen wird als zwanziggrößte Volkswirtschaft der Welt diese Verflechtungen immer stärker spüren. Außerdem, wenn es wirklich keine Bedeutung hätte, würde Russland keine Maßnahmen ergreifen, die unser Image in Ländern des Nahen Ostens wie dem Libanon, Ägypten oder dem Irak schädigen.

Entsprechende Gegenmaßnahmen werden vom Außenministerium und den Stiftungen Info Ops Polska und Kazimierz Pułaski ergriffen.

Russland war und ist immer noch ein koloniales Imperium, und seine „antiimperiale" Erzählung ist eine typische Manipulationstechnik, die sogenannte Täter-Opfer-Umkehr. Die Teilungen Polens waren im Wesentlichen ein Akt des Kolonialismus, sodass Polen seine Erfahrungen in diesem Bereich aus der Position eines Opfers der Handlungen seiner Nachbarn teilen kann und nicht als Mitschuldiger an historischen Ungerechtigkeiten, die anderen vom Kolonialismus unterworfenen Gesellschaften zugefügt wurden.

Deutsch-polnische Beziehungen als Vorbild

Am wichtigsten ist jedoch, die Vergangenheit überwinden zu können, wenn dies dem Aufbau einer besseren Zukunft dient. Polen hat dies in Bezug auf seine Beziehungen zu Deutschland getan, aber dies war nur möglich, weil Deutschland ein demokratischer Staat ist und seine imperialen Ambitionen aufgegeben hat. Deshalb können wir trotz enormer Ungerechtigkeiten in der Vergangenheit heute Freunde und Verbündete sein. Wenn Russland dasselbe täte, könnten wir auch das uns zugefügte koloniale Übel vergessen und gute Beziehungen aufbauen. Das Problem ist, dass Russland seine imperiale Politik nicht aufgeben und ein normaler, demokratischer Staat werden will, mit dem man zusammenarbeiten könnte. Stattdessen führt es einen kolonialen Krieg gegen die Ukraine. Und darin liegt die Essenz des Problems und nicht in der von Russland imaginierten polnischen „Russophobie". Libanesische Studenten, denen ich dies erzählte, nahmen diese Argumentation mit tiefem Verständnis auf und baten um mehr solcher Vorträge.

Die polnischen Erfahrungen schaffen unsere Glaubwürdigkeit bei der Entlarvung der verlogenen russischen Manipulationen, die gegen den Westen gerichtet sind. Der Kreml will die Demokratie in den Augen der nahöstlichen Gesellschaften diskreditieren, weil sie für ihn wie eine Seuche ist und er nicht will, dass sie sich ausbreitet. Deshalb versucht er, sie mit Kolonialismus und Imperialismus zu verbinden, was in Zeiten des russischen Krieges gegen die Ukraine ein düsterer Witz ist. Das darf man nicht zulassen.

Witold Repetowicz aus Erbil

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