TYGODNIK POWSZECHNY: Tusk und Kaczyński spalten das Land, und die Russen jubeln
Der Vertrauensverlust in staatliche Institutionen, das Auseinanderdriften der politischen Lager und die allgegenwärtigen Anschuldigungen, der Gegner sei ein Agent fremder Mächte – all das ist eng mit der persönlichen Rivalität zwischen Donald Tusk und Jarosław Kaczyński verknüpft, analysiert die Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny. Seit Jahren prägen ihre Parteien – die liberale Bürgerplattform (PO) und die nationalkonservative PiS – den politischen Diskurs. Unterstützt von loyalen Medien und Parteiapparaten treiben beide Lager die Polarisierung voran.
Für den Staat, so das Blatt, sei diese Zuspitzung gefährlich. Denn je stärker sich die Lager gegenseitig delegitimieren, desto anfälliger werde das Land für äußere Einflüsse. Russland versuche, diese Bruchlinien zu vertiefen: über Desinformation, verdeckte Netzwerke und das gezielte Schüren von Misstrauen, stellt TP fest.
Besonders sichtbar werde das in der Auseinandersetzung um junge rechte Wähler. Die PiS konkurriere hier mit der radikalen Konföderation, die sich an der amerikanischen Alt-Right orientiere. Dort würden Verschwörungstheorien und ein Kult der Provokation gedeihen – und bemerkenswerterweise bleibe Russland in diesen Narrativen oft außen vor. Die Polen entwaffnen sich selbst, so das Fazit in Tygodnik Powszechny.
GAZETA WYBORCZA: Einberufung auch für Auslands-Polen
Mit einer Gesetzesänderung hat die polnische Regierung Anfang 2025 die Regeln für den Militärdienst deutlich verschärft. Die Gazeta Wyborcza berichtet, dass nun jeder polnische Staatsbürger zwischen 18 und 60 Jahren im Falle eines bewaffneten Konflikts eingezogen werden kann – unabhängig davon, ob er in Polen lebt oder seit Jahren im Ausland.
Früher galt: Wer mindestens zwei Jahre dauerhaft im Ausland lebte und keinen Wohnsitz von mehr als drei Monaten in Polen hatte, war von der Einberufung befreit. Diese Ausnahmeregel ist nun gestrichen. Die Regierung begründet den Schritt mit der wachsenden Bedrohung durch Russland.
Ausgenommen bleiben nur Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht dienen können, Schwangere oder Alleinerziehende sowie Personen, deren Berufe für die staatliche Sicherheit unentbehrlich sind. Auch Doppelstaatsbürger können herangezogen werden. Kritiker warnen, dass damit ein rechtlicher Graubereich entsteht – etwa für im Ausland geborene Polen, die kaum Bezug zu ihrem Herkunftsland haben, urteilt Gazeta Wyborcza.
PORTAL OBRONNY: Kampfbereitschaft der Bevölkerung
Eine aktuelle IBRiS-Umfrage zeigt, dass fast die Hälfte der Befragten nicht bereit wäre, ihr Land im Kriegsfall zu verteidigen. Nur knapp die Hälfte der Polen beantwortete die Frage mit „Ja“. Dr. Weronika Grzebalska von der Polnischen Akademie der Wissenschaften rät jedoch zur Vorsicht. „Erklärungen in Friedenszeiten und tatsächliches Verhalten in einer Krise sind zwei verschiedene Dinge“, betont sie. Schon die Formulierung der Frage könne die Antworten massiv beeinflussen – ebenso der Zeitpunkt innerhalb eines Fragebogens.
Auffällig sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede: 54 Prozent der Männer, aber nur 33 Prozent der Frauen erklärten sich bereit, zu den Waffen zu greifen. Dabei verpflichtet die Verfassung Männer und Frauen gleichermaßen zur Verteidigung des Vaterlandes. „In Polen dominiert weiterhin ein männerzentrierter Sicherheitsdiskurs“, sagt Grzebalska. Militärische Ratgeber, politische Reden – fast alles richte sich an „gesunde Männer“.
Zwar können auch Frauen gesetzlich zum Dienst verpflichtet werden, etwa wenn sie Reserveoffizierinnen sind oder Berufe wie Ärztin oder Übersetzerin ausüben. Doch die Regeln bleiben vage. „Viele Frauen wissen gar nicht, was von ihnen erwartet wird“, so die Soziologin. Länder wie Schweden oder Norwegen seien hier weiter: Dort sei allen Bürgerinnen und Bürgern klar, dass sie Teil der Doktrin der „totalen Verteidigung“ sind.
Auch politische Präferenzen prägen die Ergebnisse: 56 Prozent der PiS-Anhänger, 49 Prozent der KO-Wähler, 44 Prozent der Konföderation und 36 Prozent der Neuen Linken bejahten die Frage nach der Verteidigungsbereitschaft. Historisch seien solche Muster jedoch nicht stabil. „Vor dem Ersten Weltkrieg war die Linke oft kampfbereiter als die Rechte“, erinnert Grzebalska in Portal Obronny.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Streit um Lebenspartnerschaften
Während sicherheitspolitisch Einigkeit gefordert wird, bleibt die Regierung in gesellschaftspolitischen Fragen gespalten. Besonders deutlich zeigt sich das in der Debatte um Lebenspartnerschaften.
Ministerin Katarzyna Kotula hat einen Entwurf eingebracht, den neben der Linken auch die Bürgerplattform (KO) und Polska 2050 unterstützen. Die konservative Bauernpartei PSL hingegen plädiert für ein abgeschwächtes Modell: den „Status der nächsten Person“. Ministerpräsident Donald Tusk kündigte im August an, alle Koalitionspartner seien zu einem gemeinsamen Vorgehen bereit – auch bei der umstrittenen Frage der Abtreibung. Doch er räumte ein, dass die Fortschritte bisher halbherzig seien.
Lebenspartner – egal ob gleich- oder verschiedengeschlechtlich – könnten künftig einen gemeinsamen Namen annehmen, zusammen Steuern zahlen, erben, medizinische Informationen erhalten und den Partner oder die Partnerin bestatten. Um die Bedenken der Bauernpartei PSL zu berücksichtigen, arbeitet Kotula inzwischen an einem „Partnerschaftsvertrag“, der vor einem Notar geschlossen werden könnte statt im Standesamt. Ob dieser Kompromiss genügt, um alle Koalitionsparteien ins Boot zu holen, bleibt offen, schreibt Dziennik/GAzeta Prawna.
Autor: Jakub Kukla