Deutsche Redaktion

Kommentar: Amerikas Druck auf die Ukraine – ein Friedensplan, der keiner ist

23.11.2025 12:00
Die diplomatische Maschinerie rund um den Krieg in der Ukraine läuft seit Mitte vergangener Woche auf Hochtouren. Kiew sieht sich in der schwierigsten Lage seit dem Beginn der russischen Invasion – und das ausgerechnet im Moment, in dem Washington einen angeblichen „Friedensplan“ präsentiert, der diesen Namen kaum verdient. Ein Kommentar von Osteuropaexperte Tadeusz Iwański.
Prezydent Ukrainy Wołodymyr Zełenski
Prezydent Ukrainy Wołodymyr ZełenskiStevens Tomas/ABACA/Abaca/East News

Der von US-Medien veröffentlichte 28-Punkte-Katalog liest sich wie eine Liste russischer Maximalforderungen. Man verlangt von der Ukraine unter anderem die Abgabe weiterhin verteidigter Gebiete im Donezker Raum, darunter stark befestigte Städte wie Kramatorsk und Slowjansk. Die Streitkräfte sollen auf 600.000 Soldaten reduziert, die NATO-Perspektive per Verfassung beerdigt und Russisch zur zweiten Amtssprache erhoben werden.

Dass dazwischen auch ein paar für Kiew potenziell positive Elemente auftauchen – etwa amerikanische Sicherheitsgarantien oder Gelder aus eingefrorenen russischen Vermögen –, wirkt eher wie Feigenblätter. Formulierungen bleiben vage, der europäische Rückhalt unklar. Das gesamte Dokument wirkt hastig zusammengestellt, unpräzise und stellenweise fast schon dilettantisch – etwa beim Punkt, der pauschal „alle nationalsozialistischen Ideologien“ verbieten will.

Die mutmaßlichen Hauptautoren passen ins Bild: Putins Berater Kirill Dmitrijew und Trumps Emissär Steve Witkoff sollen maßgeblich beteiligt gewesen sein. Obwohl der Plan angeblich mit hochrangigen US-Beamten konsultiert wurde und sogar der ukrainische Sicherheitsratssekretär Einblick gehabt haben soll, ist entscheidend: Donald Trump hat ihn abgesegnet.

Wie sehr Washington die Schrauben anzieht, zeigen Berichte westlicher Korrespondenten über ein Treffen des US-Heeressekretärs Dan Discroll mit NATO-Botschaftern. Demnach verlangen die USA eine schnelle, nahezu bedingungslose Zustimmung Kiews – und zwar vor Thanksgiving. Verhandeln dürfe man höchstens noch über Details. Discroll soll sogar erklärt haben, man müsse dieses „Problem endlich lösen“, weil die Ukraine den Krieg militärisch ohnehin nicht gewinnen könne.

Selenskyjs ungewöhnlich düstere Ansprache am Freitagabend bestätigt den Ernst der Lage. Der Präsident sprach offen von einer „sehr schwierigen Wahl“: Entweder man akzeptiere die 28 Punkte – oder riskiere den Verlust eines entscheidenden Partners und eine extrem harte Winterperiode ohne ausreichende Unterstützung. Gleichzeitig rief er zur inneren Geschlossenheit auf und setzte eine ukrainische Delegation für Gespräche mit Amerikanern und Russen ein. Offenkundig versucht Selenskyj, die Gesellschaft auf schmerzhafte Entscheidungen vorzubereiten – oder zumindest zu testen, ob massive Proteste drohen, falls Kiew einem unvorteilhaften Deal zustimmen müsste.

Russland hingegen beobachtet das alles mit kaum verhohlenem Wohlwollen. Erst am Freitagabend ließ Putin verlautbaren, der Kreml habe den Plan „zur Kenntnis genommen“ und sei zu Gesprächen bereit. Übersetzt heißt das: Moskau wird den militärischen Druck erhöhen und versuchen, die 28 Punkte zu noch günstigeren Bedingungen umzuschreiben. Denn selbst dieser US-Entwurf erfüllt nicht alle russischen Forderungen – vor allem nicht den Wunsch nach umfassender politischer Kontrolle über die gesamte Ukraine.

Vor amerikanischen Sicherheitsgarantien für Kiew schreckt Moskau ohnehin zurück – das allein zeigt, wie unrealistisch ein von Russland akzeptierter „Kompromiss“ wäre.

So sitzt die Ukraine nun in der Falle zweier Druckfronten: der diplomatischen aus Washington und der militärischen aus Moskau. Selbst eine intensivierte Kooperation mit Europa könnte diese Lage nur schwer ausbalancieren. Die kommenden Tage dürften entscheidend sein – nicht nur für die Ukraine, sondern für die gesamte europäische Sicherheitsordnung.


Tadeusz Iwański ist Leiter des Teams Belarus, Ukraine und Moldau am Zentrum für Oststudien und arbeitete 2006–2011 beim Polnischen Radio für das Ausland.

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