Deutsche Redaktion

Polen streiten über US-Wahlen

10.11.2020 12:36
Die US-Wahlen bleiben ein wichtiges Thema in den Pressekommentaren. Doch verstehen die Polen Amerika eigentlich?
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DoRzeczy: Polen streiten sich über die US-Wahlen

Für das Nachrichtenportal des Wochenmagazins DoRzeczy schreibt Marcin Makowski über die Wahlen in den USA. Polen sei das einzige Land, das sich sogar über die Methode der Wahl des Präsidenten der USA und um Verschwörungstheorien aus dem amerikanischen Twitter streiten könne. Und das alles mit mehr Leidenschaft, bemerkt der Autor, als sogar der republikanische Fernsehkanal FOX News. Makowski wundert das, denn, gehe es nach ihm, handle es sich einfach um Wahlen im Land des wichtigsten und pragmatischsten Verbündeten Polens, und nicht um "Gondors Kampf gegen Mordor".

Polen verstehen Amerika nicht – stellt der Autor fest. Sie sollen starke aber unerwiderte Gefühle für Amerika haben; seine Streitigkeiten, Siege und Niederlagen für eigene Zwecke extrapolieren. Polnische Medien sollen sogar Korrespondenten vor Ort haben, die nicht einmal verbergen könnten, dass sie sich dort "nicht wie bei der Arbeit fühlen, sondern wie im politischen Disneyland". Die Amerikaner, seien sich dessen bewusst, heißt es am Schluss in Makowskis Kommentar, und könnten Polen deshalb alles andrehen, was sie nur möchten. Und wenn es nötig sei, könnten sie Polen anschimpfen oder nette, billige Worte sagen - was ihnen halt zu einem Zeitpunkt am pragmatischsten scheine. Polen verstünden nicht, lautet das Fazit in DoRzeczy, dass Amerika nur diejenigen respektiere, die sich auch selbst respektieren können.


Fakt: Politologe erwartet Erwärmung der US-russischen Beziehungen

Donald Trump sei sehr unbeliebt gewesen in Europa, das jetzt sicherlich sehr auf Joe Biden warte, meint indes der Politologe und Chefredakteur der privaten Denkfabrik Nowa Konfedracja, Bartłomiej Radziejewski, in einem Interview mit dem Boulevardblatt Fakt. Gleichzeitig befürchte er allerdings, dass die europäischen Eliten von Biden enttäuscht sein werden. Europa habe nämlich bisher vom amerikanischen Dach der Sicherheit und den Vorteilen des Freihandels unter der Schirmherrschaft der USA profitiert. Und das ohne dafür die Rechnungen zu bezahlen. Trumps Aufforderung zu größeren Militär- und Handelsausgaben durch Europa sei deshalb ein strukturelles Problem, und keine schlechte Laune von Trump. Zu beobachten bleibe somit, wie West-Europas lang ersehnter Joe Biden die ganze Sache angehen werde. Dies sei auch für Polen sehr wichtig, heißt es anschließend. Aus der Sicht der polnischen Staatsräson sei von entscheidender Bedeutung, ob transatlantische Beziehungen überwunden oder ob diese Krise vertieft werde. Die Erneuerung der engen deutsch-amerikanische Partnerschaft, sei nämlich ein Schlüssel-Garant der polnischen Sicherheit.

Eine weitere wichtige Frage sei, glaubt Radziejewski, wie man China angehen solle. Trump habe Recht, dass Peking die Hauptbedrohung für Amerika darstelle und gestoppt werden müsse. In den USA, überzeugt der Politologe, bestehe hierüber eine parteiübergreifende Vereinbarung. Die Frage bleibe, ob Biden dabei effektiver sein werde als Trump. Davon hänge die Zukunft Amerikas als Supermacht, heißt es weiter, und der gesamten internationalen Ordnung ab.

Polen sei am meisten über Russland besorgt und die amerikanische Neigung, die Beziehungen zu Moskau wieder zu normalisieren. Dieser Druck, glaubt Radziejewski, bestehe in Amerika zwar auf beiden Seiten der politischen Szene, aber auf demokratischer Seite sei er am stärksten. Unabhängig vom Wahlergebnis erwarte der Politologe daher, dass sich US-russische Beziehungen in den kommenden Jahren aufwärmen werden, was keine gute Nachricht für Polen sei.

  

Piotr Siemiński