Deutsche Redaktion

"Rätsel der Offenen Rentenfonds. Haben wir noch eine Koalition?"

21.04.2021 10:38
Funktioniert die Regierungskoalition überhaupt noch, fragt in seinem heutigen Aufmacher das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna in Bezug auf den überraschenden Rückzieher aus der Abstimmung über ein Prestige-Projekt. Außerdem: Das nationalkonservative Do Rzeczy widmet eine ganze Sonderbeilage der Kritik an der Gender-Ideologie. Und: Der Markt von Luxusgütern boomt.
Politycy Zjednoczonej Prawicy
Politycy Zjednoczonej PrawicyPAP/ARCH Paweł Supernak

Dziennik/Gazeta Prawna: Rätsel der Offenen Rentenfonds. Haben wir noch eine Koalition?

Funktioniert die Regierungskoalition überhaupt noch, fragt in seinem heutigen Aufmacher das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Und macht auf die überraschend von der Tagesordnung der Parlamentssitzung genommene Abstimmung über die Liquidierung der Offenen Rentenfonds, eines der Flaggschiffprojekte von Premierminister Mateusz Morawiecki aufmerksam. Die in dem entsprechenden Gesetzesprojekt enthaltene Administrationsgebühr, lesen wir, sollte eigentlich auch den Staatshaushalt noch in diesem Jahr mit bis zu 22 Milliarden Złoty stützen. Ursprünglich sei die Liquidierung der Fonds für Juni geplant gewesen. Doch nun sei die Abstimmung überraschend von der Tagesordnung genommen worden. 

Der Grund? Inoffiziell heiße es, dass es unter den Abgeordneten der Regierungskoalition weiter Zweifel an dem Projekt gebe. Es sei möglich, dass das steigende Risiko einer verlorenen Abstimmung zum Projekt zu dem Rückzieher geführt hätten. Die endgültige Entscheidung soll PiS-Chef Jarosław Kaczyński getroffen haben. Um den vorher geplanten Juni-Termin einzuhalten, müsste das Parlament nun eine zusätzliche Sitzung einberufen. Doch hinter den Kulissen könne man zunehmend hören, dass es in diesem Jahr keine Änderungen in den Rentenfonds mehr geben werde, so Dziennik/Gazeta Prawna.


Do Rzeczy: LGBT-Ideologie an Hochschulen 

Das nationalkonservative Wochenblatt Do Rzeczy widmet in der aktuellen Ausgabe eine ganze Sonderbeilage der Kritik an der Gender-Ideologie und der Frage, wie man sich vor ihr schützen kann. Wie der Soziologe und Direktor des Zentrums für Sozialwissenschaften der katholischen Juristenorganisation Ordo Iuris, Filip Furman in seinem Beitrag schreibt, würde die Gender-Theorie, ebenso wie der Marxismus, auf einen totalen Umbau der natürlichen Gesellschaftsstruktur abzielen. Denn, so die Annahme beider Theorien, Pathologien in den gesellschaftlichen Verhältnissen seien keine Folge von individuellen Störungen und Eigenschaften, sondern würden aus der jeweiligen Gesellschaftsstruktur resultieren. All dies, so Furman, seien Überzeugungen, die tief in pseudowissenschaftlichen Vorurteilen des XIX. Jahrhunderts verwurzelt seien - ferne Echos des Freudismus und des Glaubens an eine Urgesellschaft des Wohlstands. Dabei seien es eben Struktur, Kultur, die Organisation der Gesellschaft, definierte Rollen und Handlungsrahmen, die Gewalt verhindern und das Funktionieren der Gesellschaft ermöglichen würden. Ohne die mildernde Rolle der Kultur und des in ihr fundierten Rechts, so der Autor, wären wir dazu verdammt, jede neue Relation ständig neu zu definieren. Ständiges Kräftemessen und das Prinzip des Stärkeren würden dann in den Vordergrund rücken. 

Ziel der Linken, lesen wir weiter, sei die Schaffung eines idealen Konsumenten - ohne enge Beziehungen und Identität, dessen Selbstverständnis nur auf seinem materiellen Wohlstand basiere. Daher auch der ständige Kampf gegen Identitäten, wie die Nation, die Religion und vor allem die Familie. Die Angriffe seien symbolischer, aber auch rechtlicher Natur, wie etwa in der Instanbul-Konvention, die in Artikel 12. direkt suggeriere, dass Kultur an sich die Quelle von Stereotypen oder der Idee der Überlegenheit eines Geschlechts gegenüber dem anderen ist. Er wisse nicht, von welcher Kultur die Rede sei, aber bestimmt nicht von der christlichen. Zudem spreche die Konvention nicht über die Gleichheit von Frauen und Männern, sondern von der Gleichheit von Gendern. 

Die Rettung vor dieser gesellschaftlich schädlichen Rhetorik liege in guter Sekundär- und Hochschulbildung. Zudem sollte man auch deutlich vernünftige Postulate artikulieren, die traditionell als links gelten würden: die Verbesserung der Wohnqualität, würdige Arbeitsbedingungen und Entlohnung, die Verbesserung der Situation der jungen Generation auf dem Arbeitsmarkt. Die Tatsache, dass diese Postulate in Polen derzeit fast vollständig von den Konservativen übernommen worden seien, zeuge vom realen Verhältnis der Linken zu den Problemen der Polen, so Filip Furman in Do Rzeczy.


Newsweek: Das Virus und das große Shoppen 

Der polnische Markt von Luxusprodukten und Dienstleistungen hat sich als überraschend resistent gegenüber der Pandemie erwiesen, schreibt das linksliberale Wochenblatt Newsweek. Der Verkauf von Premium-Kleidung und Schuhen sei hierzulande zwar im vergangenen Jahr, ähnlich wie auch anderswo um etwa 20 Prozent zurückgegangen. Dafür seien Ausflüge in die Malediven, nach Kuba, Dominikana, Kenia, Mexiko und Zanzibar, die 2019 noch eine Randerscheinung der organisierten Touristik in Polen gewesen seien, der Hit des vergangenen Winters gewesen und würden in der Pandemie zur Top 10 der am liebsten gekauften Reisen gehören. Diejenigen, die Ruhe schätzen und stärker auf das Virus achten, hätten indes auf Camper gesetzt. Der Verleih von Campern sei 2020 um knapp 50% im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Firmen, die neue Camper verkaufen, zählen auf einen Anstieg des Verkaufs um 200 bis 300 Prozent. Schon jetzt seien die Salons leer, auf exklusive Modelle müsse man sogar ein Jahr warten. Ein weiterer Trend seien Investitionen in teure Uhren, Schmuck oder Alkohol. “Unsere Umsätze sind in der Pandemie leicht zurückgegangen, aber die Nachfrage nach Luxusspirituosen steigt stabil”, so der Chef des Weinhauses (Dom Wina) in Krakau, Paweł Gąsiorek im Gespräch mit Newsweek.  

Autor: Adam de Nisau