Deutsche Redaktion

"Tusks Gambit"

12.07.2021 12:33
Die Rückkehr des Ex-Premiers und Erzrivalen von PiS-Chef Jarosław Kaczyński, Donald Tusk in die Landespolitik beschäftigt weiterhin die Wochenblätter.
Donald Tusk
Donald TuskPAP/Paweł Supernak

Die Rückkehr des Ex-Premiers und Erzrivalen von PiS-Chef Jarosław Kaczyński, Donald Tusk in die Landespolitik beschäftigt weiterhin die Wochenblätter.

Plus Minus: Es wird unklug

Es scheint so, als ob die öffentliche Debatte nun nur noch dümmer sein wird, schreibt in seinem Kommentar zum Comeback für die Wochenendausgabe der konservativ-liberalen Rzeczpospolita der Historiker und Publizist Piotr Zaremba. In der Rede von Kaczyński, die zugegebenermaßen etwas langatmig gewesen sei, so der Autor in  seiner Diagnose, könne man wenigstens immer noch eine gewisse Vision für die Zukunft des Landes erkennen. Es sei wahr, dass Kaczyński in gewissen Fragen stur auf der Durchsetzung von Lösungen beharre, die nicht realisierbar, beziehungsweise ungerecht seien. Und dass der Vorstoß des PiS-Chefs zur Vetternwirtschaft durch die vielen Kompromisse, mit denen er aufgeweicht worden sei, unglaubwürdig sei. Doch sogar an der Liste der bisher noch nicht realisierten Zielen der PiS sei eine gewisse Richtung zu erkennen. 

Er, so Zaremba, habe keine Zweifel, dass auch der ehemalige Premier und immer noch amtierende Chef der EVP Tusk in gewissen Bereichen wisse, was er wolle. Vor allem in Bereichen, in denen die Richtlinien von den Erwartungen der Europäischen Kommission oder den in der EU dominierenden Trends vorgegeben würden. Generell also in Fragen rund um die Beziehungen mit der EU oder ideologische Standards. Aber er, so der Autor, wolle auch die These riskieren, dass Tusk in vielen Bereichen selbst nicht den blassesten Schimmer habe, was er Polen wirklich wünsche. Seine Kritik an der von der PiS vorgestellten Polnischen Ordnung, in der er unter anderem Verschuldung, Abgaben und Inflation anprangert, sei theoretisch liberaler Natur. Man müsse jedoch im Hinterkopf behalten, dass solche Vorwürfe in allen zwischenparteilichen Debatten fallen. Einst sei es die PiS gewesen, die der Bürgerplattform von Tusk die zunehmende Verschuldung des Landes und Steuererhöhungen vorgeworfen habe. Tusk werde also, was etwa seine Befürwortung für das Familienförderprogramm 500+ zeige, für unterschiedliche Richtungswechsel offen bleiben, auch solche, die weitaus prosozialer seien, als seine ehemalige Politik. Alles, um eine Wiederholung des Jahres 2015 zu verhindern, falls Tusk denn die Macht wiedererlangen sollte. 

Heute, urteilt Zaremba, sei die Initiative in Tusks Händen, er sei die Neuheit und das Maskottchen der Opposition und seine Geschicktheit in der Wortwahl mache in besonders gefährlich für die an Schwung und Richtung verlierende und mit frischen Sünden belastete Regierungspartei. Es sei schwer, diese Regierung zu bemitleiden. Und gleichzeitig… Opportunismus sei eine immanente Eigenschaft jeder Politik. Und der zeitgenössischen insbesondere. Und in Tusk würde er den Erzpriester dieser Haltung sehen. 

Das Niveau der öffentlichen Debatte, fährt Zaremba fort, sei in Polen inzwischen so niedrig, dass man schwer von einer weiteren Destruktion sprechen könne. Als erster habe Kaczyński auf die Taktik der absoluten Polarisierung gesetzt. Doch die Ansprache von Tusk und der von ihm ausgerufene Krieg gegen “Symetrismus”, eine Haltung also, bei der man sowohl Opposition als auch Regierungspartei loben und kritisieren dürfe, zeige, dass es fortan nun noch weniger zivilgesellschaftlich und noch unklüger sein werde. Er glaube nicht, dass sich Polen in eine Diktatur verwandle. Nur zu einer immer stärker verletzten und ungeordneten Demokratie. Das schlimmste sei nicht, dass der ehemalige Premierminister Tusk etwas anderes behaupte. Das Schlimmste sei, dass er es selbst nicht glaube. Der Großteil der liberalen Intelligenzia werde ihn für diesen Zynismus loben (da er effektiv ist) oder diesen erst gar nicht bemerken. Er werde all das mit Trauer beobachten, so Piotr Zaremba in Plus Minus. 

 

Polityka: Tusks Gambit

Einer der größten Verlierer der Rückkehr von Tusk in der Bürgerplattform ist der Warschauer Stadtpräsident Rafał Trzaskowski, schreibt in der aktuellen Ausgabe die linksliberale Wochenzeitung Polityka. Ein schwächerer Vorsitzender der PO sei für Trzaskowski bequem gewesen, lesen wir, da er dabei sei, mit der “Bewegung Gemeinsames Polen” parallel zur Partei, deren belastetem Image und konservativem Flügel, sein eigenes politisches Projekt anzustoßen. Solange Tusk nicht aufgetaucht sei, sei die Initiative von Trzaskowski eher gemächlich gewachsen. Der große Kick-off sollte eigentlich bei dem Event “Campus Polen der Zukunft” stattfinden. Nur, dass die Veranstaltung für Ende der Ferien geplant gewesen sei. Tusk habe Trzaskowski mit seinem Comeback die Show gestohlen und die Gründung einer neuen Bewegung, besonders einer mit Wahlambitionen in Frage gestellt. Am Rande gesagt, hätten allein die medialen Spekulationen über eine Rückkehr von Tusk in die Landespolitik dafür gereicht, dass ein Teil der Kommunalpolitiker, die zuvor an dem Projekt von Trzaskowski interessiert gewesen seien, sich von ihm distanziert haben. Denn Tusk, so das Blatt, sei schließlich eine etablierte politische Marke. 

Der Warschauer Stadtpräsident, lesen wir weiter, sei in den letzten Tagen sehr aktiv geworden: er habe erneut seine Bewegung “inauguriert”, sich in den Medien und auf Warschaus Straßen gezeigt. Und sogar auf Rat eines seiner engsten Mitarbeiter sogar entschieden, dass er mit Tusk um den Parteivorsitz kämpfen wolle. Er habe versucht Borys Budka zu überzeugen, das Parteisteuer nicht vor den internen Wahlen abzugeben. Nur, so Polityka, dass Tusk ein harter Spieler sei. Er würde zu den Wahlen gehen, im Wahlkampf aber keinen Stein auf dem anderen lassen. Und Tusk habe das, wie einer der Spitzenpolitiker der Partei dem Blatt verrät, Trzaskowski klargemacht. Daher habe der warschauer Stadtpräsident während des Landesrats der Partei auch eine eher unsichere Mine gemacht und sich sofort nach dessen Schluss, unter dem Vorwand einer Impfung, vor den Journalisten aus dem Staub gemacht. 

Tusk so das Blatt, zähle nun darauf, dass die Emotionen bald fallen werden. Er deklariere auch, mit Trzaskowski zusammenarbeiten zu wollen und respektiere die Tatsache, dass dieser der aktuell populärste Politiker im Lande sei. Trzaskowski, so die Zeitung, werde also Vize-Chef der PO bleiben, sein Mitarbeiter werde aber sicherlich den Posten des Fraktionschefs verlieren. Da Tusk nicht im Parlament sei, brauche er umso mehr die Kontrolle über die Fraktion. Auch die Rolle der einstigen engsten Mitarbeiter von Tusk, wie Ewa Kopacz oder Ex-Außenminister Radosław Sikorski, werde wachsen, so Polityka. 

Autor: Adam de Nisau