Deutsche Redaktion

"Richtung: militärische Großmacht"

27.10.2021 13:12
Der Plan der Regierung, die polnische Armee von 120 auf 250 Tausend Soldaten mehr als zu verdoppeln, weckt viele Kontroversen. Und: Polen legalisiert als einziger EU-Staat Push-Backs. Mehr zu diesen Themen in der Presseschau. 
Ćwiczenia żołnierzy na wschodzie Polski
Ćwiczenia żołnierzy na wschodzie PolskiTwitter/MON

Rzeczpospolita: Richtung militärische Großmacht

Leichtere Rekrutierung, höhere Löhne und kontroverse Finanzierungsquellen - mit diesen Mitteln will die Regierung die polnische Armee von 120 auf 250 Tausend Soldaten mehr als verdoppeln, schreibt in der heutigen Ausgabe die konservativ-liberale Rzeczpospolita.  “Es geht darum, die Schlagkraft der Streitkräfte um ein Vielfaches zu erhöhen. Das neue Gesetz über die Verteidigung der Heimat liefert dafür die Grundlage”, zitiert das Blatt zum neuen Regierungsvorstoß Vizepremier und PiS-Chef Jarosław Kaczyński. Das Projekt, das unter anderem die Wiedereinführung eines freiwilligen Grundwehrdienstes, größere Aufstiegsmöglichkeiten und zusätzliche Prämien für langjährigen Dienst vorsehe, wecke schon jetzt Kontroversen. “Ich fürchte, dass wir uns mit dem Ziel einer 250.000 Kopf großen Berufsarmee weit über die ökonomischen Möglichkeiten des Staates aus dem Fenster lehnen”, kommentiert den Plan der Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte Waldemar Skrzypczak. 

Bei einer so großen Armee, beobachtet das Blatt, hätte Polen die drittgrößten Streitkräfte nach den USA und der Türkei in der NATO. Und das würde auch die Notwendigkeit bedeuten, die Fonds für die Ausrüstung auf ein präzedenzloses Niveau anzuheben. Die Regierung wolle, dass die Mittel für die weitreichenden Pläne aus einem neuen Fonds zur Unterstützung der Streitkräfte fließen, der unter anderem durch Anleihen der staatlichen Bank BGK sowie aus Profiten der Nationalbank finanziert werden soll. Geht es indes nach dem Hauptwirtschaftsexperten des Bürgerforums für Entwicklung Sławomir Dudek, würden schon in dem Budget für das kommende Jahr hunderte von Milliarden Złoty fehlen, die in Anleihen und Fonds eben an der BGK versteckt seien. Nun werde ein weiterer Fonds außerhalb der Parlamentskontrolle und außerhalb der Definition von Staatsfinanzen geschaffen, zitiert die Rzeczpospolita Sławomir Dudek. 

Gazeta Wyborcza: Regierung legalisiert Push-Backs

Polen hat als einziger EU-Staat die sofortige Ausweisung von Ausländern, die illegal die Grenze überschritten haben, also sogenannte Push-Backs legalisiert, berichtet in ihrem heutigen Aufmacher die linksliberale Gazeta Wyborcza. “Das Gesetz ist verfassungswidrig und beschneidet bedeutend die Möglichkeit, sich um internationale Hilfe zu wenden”, zitiert das Blatt den Kommentar der stellvertretenden Pressesprecherin des Bürgerrechtsbeauftragten Hanna Machińska nach der Verabschiedung des Dokuments. 

Laut dem neuen Gesetz, erklärt die Zeitung, könne der Grenzschutz nun alle abschieben, die nicht beweisen können, dass sie auf legalem Wege nach Polen eingereist sind. In der Praxis beziehe sich die Novelle auf Migranten, die die polnisch-belarussische Grenze überschritten hätten und zurück nach Belarus abgeschoben werden. Dort würden die belarussischen Behörden die Betroffenen erneut nach Polen schicken. All dies führe zu dramatischen Situationen im Grenzgebiet, aus dem die ausgehungerten und unterkühlten Migranten nicht mehr fliehen können. Manche würden dort sterben. Und das neue Gesetz würde sich sogar auf Kinder beziehen. 

Das ganze Prozedere, so Gazeta Wyborcza, verletze internationales Recht, das alle Staaten, die die Konvention über Menschenrechte unterzeichnet hätten, dazu verpflichte, Asylanträge auch von Personen anzunehmen, die die Grenze illegal überschritten haben. Bis zur Bearbeitung des Antrags habe der Betroffene somit das Recht auf Schutz in dem Staat, in dem er gefasst worden sei, so Gazeta Wyborcza.

Autor: Adam de Nisau