Deutsche Redaktion

"Spiele um den höchsten Einsatz"

25.11.2021 12:26
Die regierende Koalition müsse heute ihre außen- und europapolitische Angehensweise ändern, weil die existenzielle Sicherheit Polens dies erfordere, schreibt am Donnerstag die konservative Rzeczpospolita. 
Presseschau
PresseschauShutterstock.com

Rzeczpospolita: Spiele um den höchsten Einsatz

Am Mittwoch habe Oppositionsführer Donald Tusk den Regierungschef Mateusz Morawiecki dafür kritisiert, dass er nicht in Warschau sei, wo eine echte Pandemiegefahr bestehen soll. In Bezug auf die Auslandsmission von Ministerpräsident Morawiecki, habe der ehemalige EU-Ratschef Donald Tusk jedoch Unrecht. Die Instabilität im Osten, die Krise an der Grenze zu Belarus, die Konzentration russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine seien nämlich existenzielle Probleme für den polnischen Staat, überzeugt das Blatt. Sie seien weder mehr noch weniger wichtig als die vierte Welle der Pandemie.

Wie die Tageszeitung erinnert, tue Morawiecki das Gleiche wie Tusk im Jahr 2014, als er nach der russischen Aggression gegen die Ukraine durch die europäischen Hauptstädte reiste, um angesichts einer Bedrohung nicht nur für Polen, sondern für die gesamte Region europäische Solidarität aufzubauen. Auf jeden Fall, fährt das Blatt fort, verfolge Morawiecki mehrere Ziele gleichzeitig. Erstens versuche er zu zeigen, dass die Migrationskrise nicht nur ein Problem für Polen, Litauen oder Lettland sei, sondern eine Bedrohung für die gesamte EU. Zweitens appelliere er an die Einheit und Solidarität Mittel- und Westeuropas, denn nur zusammen könne man die Pläne für eine erneute russische Aggression gegen die Ukraine aufhalten, vor welcher der amerikanische Geheimdienst warnen soll. Die Amerikaner, heißt es weiter, hätten zu dem ein klares Signal gegeben, dass sie Europa unterstützen würden. Die Voraussetzung sei aber die Solidarität der gesamten Region. Sie würden sich nur dann engagieren, wenn alle Länder an der Ostflanke und die wichtigsten EU-Länder sich dazu ebenfalls verpflichten.

Morawieckis diplomatische Offensive habe auch ein internes Ziel, so das Blatt. Er wolle beweisen, dass Polen keine einsame Insel sei. Dass die Sicherheit des Landes nicht allein von Polen abhänge, sondern von seinen Verbündeten, dass sie mit der Sicherheit der baltischen und Visegrad-Staaten verbunden sei, und von der Solidarität des gesamten Westens, der EU und der USA abhänge.

Polens Beziehungen zu seinen westlichen Verbündeten, stellt die Tageszeitung abschließend fest, seien aber in letzter Zeit nicht die besten gewesen. Heute müsse man sie deshalb wiederherstellen und bestimmte unnötige Streitigkeiten beilegen. Ein so erfahrener Politiker wie Donald Tusk sollte das verstehen, lautet das Fazit in der Rzeczpospolita.



DGP: Zahl der Flüchtlinge ist groß und wird weiter steigen 

Die Dziennik/ Gazeta Prawna indes, hat ein Gespräch mit Léa El-Azzi, einer libanesischen Journalistin, die für die Tageszeitung Al-Akhbar arbeitet, durchgeführt. Wie die Journalistin behaupte, sollen arabischsprachige Medien die Migrationskrise an der Grenze zu Polen nur sehr oberflächlich beschreiben. Schmuggelunternehmen hingegen sollen gegen Geld ein Happy End in Belarus versprechen. Und dieses Narrativ, so El Azzi, setze sich bei den Nahost-Bewohnern durch.

Sie überzeugt auch, dass es sehr viele Flüchtlinge gebe und in naher Zukunft noch mehr hinzukommen würden. In letzter Zeit, lesen wir, sei die Zahl der Flugzeuge der belarussischen Fluggesellschaft, die vom Libanon nach Minsk fliegen, auf ein Rekordniveau gestiegen. Unter den Migranten gebe es aber relativ wenige libanesische Staatsbürger, erklärt die Journalistin. Vor allem Syrer sollen durch den Libanon fliehen und in den letzten Monaten massenweise zu Transitzwecken im Land erschienen sein. Für sie sei es einfacher, über Beirut nach Belarus zu gelangen. Obwohl es illegal sei, erfahren wir, die libanesisch-syrische Grenze zu überqueren, sollen dies Hunderte Syrer jeden Tag trotzdem ohne größere Probleme schaffen.

Unter den Menschen, die aus dem Nahen Osten zuwandern, heißt es weiter in der Zeitung, soll es auch solche geben, für die es gar nicht vorrangig darum gehe, nach Deutschland oder in andere westeuropäische Länder zu gelangen. Für sie sei der Verbleib in Polen oder Weißrussland ein durchaus akzeptables Szenario. Sie würden jedoch wissen, welche Haltung diese beiden Länder gegenüber Anhängern des Islam hätten. Daher glaubt Lea El Azzi im Gespräch mit der Tageszeitung, dass vor allem Christen in Betracht ziehen könnten, sich im östlichen Teil Europas ein neues Leben aufzubauen.


Piotr Siemiński