Deutsche Redaktion

Merkwürdige Stille in Bezug auf die Ukraine

24.01.2022 10:19
Wie gut ist Polen auf einen eventuellen Konflikt in der Ukraine vorbereitet? Und: Hat der Kreml die Rechnung in Bezug auf die Ukraine ohne den Wirt gemacht? Die angespannte Situation an der ukrainischen Grenze bleibt auch diese Woche ein wichtiges Thema der Pressekommentare und Analysen. 
Biały Dom: jesteśmy po stronie naszych demokratycznie wybranych partnerów na Ukrainie
Biały Dom: jesteśmy po stronie naszych demokratycznie wybranych partnerów na UkrainieBumble Dee/Shutterstock

Rzeczpospolita: Merkwürdige Stille in Bezug auf die Ukraine

Ein unabhängiges Ukraine ist eine Grundbedingung für ein freies und ungefährdetes Warschau. Wieso tut Polen also so wenig für die Sicherheit der Ukraine, fragt in seinem heutigen Autorenkommentar der Publizist der konservativ-liberalen Rzeczpospolita Bogusław Chrabota. Wieso, so der Autor, würde Polen für die gefährdeten Nachbarn nicht öffentlich Hilfe bekunden? Keine militärische Hilfe leisten, nicht einmal Unterstützung defensiver, logistischer oder medizinischer Natur? Es, so Chrabota, gebe Staaten, auch innerhalb der NATO, die dies offen und erhobenen Hauptes tun. Wieso nicht Polen, das noch bis vor kurzem Mitautor der EU-Ostpolitik gewesen sei, der angeblich traditionelle Anwalt der Ukraine. Leider herrsche in dieser Angelegenheit Totenstille. Auch dazu, wie Polen auf einen eventuellen Konflikt und die mit ihm verbundenen humanitären Probleme vorbereitet sei, darunter potentiell hunderttausende von Flüchtlingen, aber auch auf eventuelle Probleme mit der Energieversorgung. Es gebe viele wichtige Fragen zum Konflikt an den Regierungschef. Und dieser habe auch ein Forum, auf dem er auf diese Fragen antworten könne - den Parlamentssaal. Er rufe den Premierminister dazu auf, dieses Forum zu nutzen. Denn fast 70 Prozent der Polen befürchten, dass Polen im Falle eines Konflikts zu dessen Teilnehmer werde. Und fast drei Viertel seien der Meinung, dass wir auf den Konflikt nicht vorbereitet sind. Es sei an der Zeit, Stellung zu beziehen, statt den Kopf im Sand zu verstecken, so Bogusław Chrabota in der Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Wir sprechen mit der Ukraine über Waffenlieferungen

Polen untätig? Nichts dergleichen, sagt im Interview mit dem Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna der Chef des Büros für Nationale Sicherheit Paweł Soloch. Die möglichen Formen der polnischen Unterstützung für die Ukraine seien Ende vergangener Woche Thema der zweitägigen Konsultationen zwischen Staatspräsident Andrzej Duda und seinem ukrainischen Amtskollegen Wołodymyr Zelenskij im polnischen Wisła gewesen. Diese, so Soloch, hätten mit einem eindeutigen Signal über die Unterstützung der euro-atlantischen Aspirationen der Ukraine geendet. Im Falle einer russischen Invasion sei Polen auch für weitere Hilfe im Rahmen der sogenannten Koalition der Willigen in der NATO bereit. Die Ukrainer würden Waffen brauchen und Gespräche zu diesem Thema würden ebenfalls geführt, so Soloch. Über die Details eventueller Waffenlieferungen könne er jedoch derzeit öffentlich nichts verraten. Auch für den Fall einer Flüchtlingswelle aus der Ukraine würden Vorkehrungen getroffen. Entsprechende Analysen seien auch 2014 vorbereitet worden, damals sei es nicht zu Massenmigrationen gekommen. Man dürfe auch die über eine Million in Polen lebenden ukrainischen Bürger nicht vergessen, die ihren Landsleuten potentiell auch Hilfe leisten können, so Paweł Soloch im Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Verfehlte Kalkulationen des Kreml

Wenn die vom britischen Außenministerium veröffentlichte Liste von Politikern, mit denen Russland die Regierung in Kiew ersetzen will, legitim sei, dann zeige sie, dass der Kreml seine Politik gegenüber der Ukraine sehr schlecht kalkuliere, schreibt ebenfalls in Dziennik/Gazeta Prawna der Publizist Zbigniew Parafianowicz. Denn, so der Publizist, bei allen der aufgelisteten Personen handle es sich um Politiker, die sich zuvor schon in den Augen der ukrainischen Gesellschaft kompromittiert hätten und als Verräter beziehungsweise als Verlierer gelten würden. Es, so Parafianowicz, wäre nicht das erste Mal, dass Moskau die Ukraine unterschätzen würde. 2004 habe der Kreml das Potential der orangefarbenen Revolution unterschätzt. 2014 hätte Russland zwar die Krim annektiert, aber es sei nicht imstande gewesen, die Grenzen der Donbass-Region zu überschreiten. Trotz mehrerer Versuche, sei es dem Kreml nicht gelungen, Odessa, Charkow oder Dniepropietrowsk an sich zu reißen. Wenn sie weiter an die realitätsfernen politologischen Theorien über die vermeintliche “Einheit” des ukrainischen und russischen Volks glauben, würden sich die Russen in einen Krieg engagieren, bei dem Afghanistan der 80-er Jahre ein Zuckerschlecken sei. Die Ukraine würde aus ihm wohl in Trümmern hervorgehen. Aber Putin würde mit einem solchen Konflikt viel mehr riskieren - den Machtverlust, so Zbigniew Parafianowicz in Dziennik/Gazeta Prawna.

Autor: Adam de Nisau