Deutsche Redaktion

"Ziel: Weitere Hilfe des Westens für die Ukraine"

21.03.2022 13:32
Polen wolle bei beiden anstehenden EU- und NATO-Gipfeln für die von Vizepremier Jarosław Kaczyński vorgeschlagene Friedensmission der NATO beziehungsweise eines noch weiteren internationalen Bündnisses werben, schreibt Dziennik/Gazeta Prawna. Außerdem: Wieso will die Regierung in Warschau Hilfe von Seiten der EU bei der Umverteilung der Flüchtlinge vermeiden? Und: Was hat die russische Invasion mit Polens Haltung zum Euro zu tun? Die Einzelheiten in der Presseschau.
Ministrowie obrony państw NATO spotkali się ostatnio na nadzwyczajnej naradzie.
Ministrowie obrony państw NATO spotkali się ostatnio na nadzwyczajnej naradzie.PAP/EPA/STEPHANIE LECOCQ

Rzeczpospolita: Allergie gegen Umverteilung

Polens Grenze haben mittlerweile über 2 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine überschritten. Die meisten von ihnen sind in Polen geblieben und sowohl Volontäre als auch die Kommunen alarmieren, dass es immer schwieriger wird, Unterkunft, Verpflegung und Medikamente zu organisieren. Wieso haben sich also weder Polen, noch Ungarn oder Rumänien an die EU-Kommission um Hilfe bei der Umverteilung von Flüchtlingen gewendet? Und zwar obwohl viele Staaten bereit wären, die Flüchtenden bei sich aufzunehmen, fragt in ihrem heutigen Aufmacher die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Die Antwort: Sie, so das Blatt, würden keinen Präzedenzfall schaffen wollen, durch den die Relokation dauerhaft in die Migrationspolitik der EU aufgenommen werden könnte. “Während der Migrationskrise 2015-2016 haben sie alle lautstark gegen Flüchtlingsquoten protestiert. Und in den letzten Jahren auch eine Einführung des Begriffs Umverteilung in die EU-Migrationspolitik bekämpft”, sagt im Gespräch mit dem Blatt die Expertin des Think Tanks European Policy Centre, Marie De Somer. Geht es nach der Expertin, würden die Regierungen der betroffenen Staaten fürchten, dass die Verlegung von Flüchtlingen in andere Staaten, wenn sie diese einmal beantragen, zu einem Standardverfahren in der EU wird und sie künftig Flüchtlinge aus anderen Ländern, darunter auch aus Afrika bei sich werden aufnehmen müssen. Brüssel sei sich des Problems bewusst und habe daher ein Sicherheitsventil eingeführt. So würden Ukrainer, die in Polen Schutz beantragen, später auch in andere EU-Staaten reisen und den Status dort erhalten können. “Sowohl Polen, als auch Brüssel zählen wohl darauf, dass die Ukrainer selbst, ohne Umverteilung, in andere Staaten weiterreisen werden. Aber für viele von ihnen, vor allem die weniger mobilen, muss das nicht so einfach sein”, zitiert die Expertin des EPC die Rzeczposolita. 

Es sei höchst bedauernswert, dass die Regierung in Warschau mit ihrer Allergie gegen den Begriff Relokation offenbar ihrer eigenen Propaganda und Vorurteilen gegenüber dunkelhäutigen Migranten zum Opfer fällt. Und damit den ukrainischen Müttern und Kindern das Recht darauf nimmt, die Umverteilungsmechanismen der EU zu nutzen, schreibt in ihrer Stellungnahme zu dem Thema die Publizistin Zuzanna Dąbrowska. Zudem scheine die Regierungspartei alles tun zu wollen, um der EU nichts verdanken zu müssen. Daher schreie sie, dass die EU die Mittel aus dem Wiederaufbaufonds eingefroren hat, wolle aber gleichzeitig die Ressourcen nicht nutzen, die man für humanitäre Zwecke schon jetzt nutzen könnte. Denn was wäre, wenn die Wählerschaft plötzlich erkennen würde, dass wir die EU brauchen? Wer würde dann die Wahlen gewinnen, ironisiert in ihrer Stellungnahme Zuzanna Dąbrowska. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Ziel: Weitere Hilfe des Westens für die Ukraine

Die nächsten wichtigen Entscheidungen in Bezug auf Sanktionen gegen Russland würden vermutlich am Donnerstag, dem 24. März während des NATO-Sondergipfels in Brüssel und des zeitgleich startenden zweitägigen Gipfels des Europäischen Rats fallen, schreibt das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Polen wolle bei beiden Gipfeln für die von Vizepremier Jarosław Kaczyński vorgeschlagene Friedensmission der NATO beziehungsweise eines noch weiteren internationalen Bündnisses werben. Der Vorschlag der polnischen Regierung sei, wie das Blatt erinnert, relativ kühl aufgenommen worden, da nicht klar sei, wie eine solche Mission eigentlich aussehen könnte, damit sie nicht zu einer weiteren Eskalation des Konflikts führt. Wie ein Mitarbeiter von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki im Gespräch mit dem Blatt erklärt, gehe es der Regierung in Warschau nicht darum, dass eine solche Mission sofort in der Ukraine zum Einsatz kommen müsste. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass ein Moment kommen werde, in dem dies möglich sein werde. Ein anderer Interviewpartner aus Regierungskreisen sieht in dem Vorschlag auch einen Weg, Druck auf die westlichen Partner auszuüben, so dass diese gezwungen sind, ihre eigenen Gegenvorschläge vorzustellen. Wie schließlich Ex-Nato-Generalsekretär Anders Fogg Rasmussen in einem neulichen Interview für den Radiosender RMF FM beobachtete, sollte man sich auch darum bemühen, Putin in Ungewissheit zu künftigen Entscheidungen der NATO zu belassen, so dass Russland in dem Konflikt nicht beliebig mit der Angst des Westens in Bezug auf eine eventuelle Eskalation spielen könne, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna.

Gazeta Wyborcza: Der Euro als Waffe gegen Russland

Der Publizist der linksliberalen Gazeta Wyborcza Witold Gadomski appelliert in der aktuellen Ausgabe der Zeitung an die Regierenden, schnellstmöglich eine Roadmap für den Beitritt zur Eurozone vorzubereiten. Wer außerhalb der Währungsunion bleibe, bleibe auch an den Peripherien der EU. Und das könne sich Polen, angesichts der russischen Aggression auf die Ukraine nicht leisten. Die drei baltischen Staaten, die am stärksten durch Russland gefährdet seien, erinnert Gadomski, seien nicht ohne Grund auch als erste Staaten unserer Region der Eurozone beigetreten. Außer der Regierung Morawiecki und der Regierung von Viktor Orban würden auch alle anderen neuen EU-Mitgliedsstaaten in absehbarer Zukunft einen Beitritt zur Eurozone planen. Dabei sei die engere Zusammenarbeit im Rahmen der EU im Bereich der Verteidigungspolitik und der Internationalen Politik auch in Polens Interesse. Und als Satellitenstaat am Rande der Union würde Warschau auf diese Bereiche keinen nennenswerten Einfluss haben. Daher würde er sich eine  eindeutige Deklaration der Regierung wünschen, dass auch Polen der Währungsunion beitreten will und damit einen zunächst symbolischen und anschließend auch, durch die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs, einen realen Bruch mit der für Polen schädlichen Politik des ständigen Konflikts mit Brüssel, so Witold Gadomski in der Gazeta Wyborcza. 

Autor: Adam de Nisau