Deutsche Redaktion

Vorstoß zur Verfassungsänderung - eine Falle für die Opposition?

22.03.2022 13:14
Eines der führenden Themen in den heutigen Tageszeitungen ist der Vorschlag der Regierung PiS, die Verfassung zu ändern, um zusätzliche Ausgaben für die Aufrüstung und die Enteignung von russischen Oligarchen zu ermöglichen. Unter nicht regierungsnahen Kommentatoren stößt die Idee auf einen kühlen Empfang. Außerdem: Was sagt die Gesellschaft zur Idee einer NATO-Friedensmission? Die Einzelheiten in der Presseschau.
Rząd spotkał się z opozycją ws. pomysłu zmiany konstytucji
Rząd spotkał się z opozycją ws. pomysłu zmiany konstytucjiKPRM

Eines der führenden Themen in den heutigen Tageszeitungen ist der Vorschlag der Regierung PiS, die Verfassung zu ändern, um zusätzliche Ausgaben für die Aufrüstung und die Enteignung von russischen Oligarchen zu ermöglichen.

Gazeta Polska Codziennie: Vermögen von Oligarchen beschlagnahmen

Wie die nationalkonservative, regierungsnahe Gazeta Polska Codziennie schreibt, würde die Vermögen der russischen Oligarchen in Polen derzeit eben vor allem das polnische Grundgesetz schützen. Daher, so die Zeitung, sei dessen Änderung notwendig. Zudem, sei es in einer Situation, in der Russland mit einem Angriff auf EU-Staaten droht, wie Regierungssprecher Piotr Müller erklärte, notwendig, die polnische Armee in Blitztempo darauf vorzubereiten, auf eine eventuelle Attacke zu antworten.  “Daher schlagen wir vor, aus den Fiskalregeln die Finanzierung der Armee auszuschließen. Die polnische Armee muss schnellstmöglich aufgerüstet und modernisiert werden”, zitiert das Blatt Müller. 

Für eine Änderung der Verfassung sei eine Zweidrittelmehrheit sowie mindestens die Hälfte der Abgeordneten und im Senat eine absolute Mehrheit sowie die Anwesenheit von ebenfalls der Hälfte der Senatoren notwendig, schreibt Gazeta Polska Codziennie. 

Rzeczpospolita: Verfassung als Waffe im Kampf um härtere Sanktionen

In nicht-regierungsnahen Medien stößt der Vorstoß indes auf einen kühlen Empfang. Die Idee, so der Tenor der Kommentare, würde den Staat nicht stärken sondern schwächen und diene vermutlich vor allem innenpolitischen Zwecken.

Eine Änderung der Verfassung, erklärt dazu etwa im Interview mit der konservativ-liberalen Rzeczpospolita der ehemalige Ombudsmann für Menschenrechte Prof. Andrzej Zoll, würde mindestens ein paar Monate dauern. Genug Zeit also, damit die von der Beschlagnahmung bedrohten Oligarchen ihre Unternehmen schließen und sie an einen sicheren Ort verlegen. 

Die Idee wiederum, Unternehmen die mit Russland Geschäfte machen, zusätzlich zu besteuern, würde die juristische Ordnung der EU beeinträchtigen. Solche Entscheidungen müssten daher auf EU-Ebene vorgenommen werden, sagt die Steuerberaterin Patrycja Goździowska. Der Ausschluss der Rüstungsausgaben aus den Verschuldungsregeln schließlich würde der Regierungspartei vor allem Straflosigkeit bei der Austeilung der öffentlichen Gelder garantieren, so der Ökonom Sławomir Dudek. Daher sei die Opposition, deren Stimmen für solche Änderungen notwendig wären, skeptisch. Politiker unterschiedlicher Fraktionen seien sich einig, dass Entscheidungen erst nach einer schriftlichen Vorstellung der Vorschläge möglich sein werden, lesen wir in der Rzeczpospolita. 

Rzeczpospolita: Ziel ist die Opposition, nicht die Oligarchen

Dem Vorschlag sind auch alle drei Kommentare auf der zweiten Seite der Zeitung gewidmet. Der Vorstoß der Regierungspartei sei aus seiner Sicht vor allem eine Falle für die Opposition, schreibt in seiner Stellungnahme Michał Szułdrzyński. Denn wenn die Opposition für die Novellierung stimme, gebe sie der Regierungspartei weitaus mehr Spielraum in der Verwaltung von öffentlichen Geldern als bisher. Wenn sie indes dagegen stimme, könne man sich schon jetzt die Headlines im Staatsfernsehen vorstellen, frei nach dem Motto “Opposition vereitelt die Enteignung von russischen Oligarchen”, oder “Opposition will keine Erhöhung der Rüstungsausgaben”, usw. Um so weitgehenden Änderungen zuzustimmen, müsste die Opposition wenigstens in minimalem Maße daran glauben, dass es der Regierung um mehr geht, als nur darum, ihre politischen Gegner auszutricksen. Bisher habe sich die PiS aber nur wenig um die Verfassung geschert, wenn sie ihre Ideen umsetzen wollte, wie etwa das Beispiel der Justizreform zeige. Daher der Verdacht, dass es vor allem um PR geht. Und PR ist kein ausreichender Grund, die Verfassung zu ändern, so Michał Szułdrzyński. 

Tomasz Pietryga macht in seinem Kommentar darauf aufmerksam, dass Polen auch auf den Strafkodex oder auf EU-Vorschriften zurückgreifen kann, um gegen russische Oligarchen vorzugehen. Eigentum sei laut der Haager Konvention heilig, auch im Krieg. Daher seien präzise Mittel notwendig und keine ad hoc Aktionen, mit denen Polen selbst gegen Völkerrecht verstoßen, aber auch die Enteignung von polnischen Unternehmern in Russland riskieren würde. Es gebe beispielsweise Vorschriften aus der Zeit nach dem II. Weltkrieg, die klare Kriterien für eine Enteignung von Bürgern des feindlichen Staates benennen. Auf diese könne man zurückgreifen. Die Finanzierung eines Kriegs, die Verletzung von Völkerrecht ließen sich zudem auch durch die Vorschriften des Strafkodex oder EU-Regelungen zur Bekämpfung von Terrorismus ahnden. Kurz gesagt: auf die Konfrontation mit Putin müsse man sich politisch und juristisch gut vorbereiten, so dass man sich dabei nicht selbst ins Knie schießt, so Pietryga. 

Piotr Skwirowski schließlich warnt vor dem von der Regierung vorgeschlagenen Ausschluss der Rüstungsausgaben aus den Verschuldungsregeln. Das würde nicht nur grünes Licht für die unbegrenzte Verschuldung des Staates bedeuten. Dort, wo die gesellschaftliche und parlamentarische Kontrolle über die Ausgabe von öffentlichen Geldern durch die Regierung ende, ende auch die Demokratie. Und der Krieg sei keine Rechtfertigung dafür, den Staat zu schwächen, so Piotr Skwirowski.

Dziennik/Gazeta Prawna: Mehrheit der Polen für Friedensmission

53 Prozent der Polen befürworten die Idee einer Friedensmission der NATO, beziehungsweise der UNO in der Ukraine, berichtet in der aktuellen Ausgabe das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna unter Berufung auf eine aktuelle Umfrage von United Surveys. Fast 60 Prozent (59 Prozent) der Befragten, so das Blatt, seien der Meinung, dass falls eine solche Initiative entstehen sollte, auch polnische Soldaten an ihr beteiligt sein sollten. Gegen eine solche Mission sind 26,1 Prozent der Befragten. 20,7 Prozent haben zu dem Thema keine Meinung.

Die Regierung will für den Vorschlag von Vizepremier und PiS-Chef Jarosław Kaczyński diese Woche während der Gipfel der NATO und des Europäischen Rats werben, erinnert Dziennik/Gazeta Prawna. 

Autor: Adam de Nisau