Deutsche Redaktion

"Faschistische Begründung Russlands für Kriegsverbrechen"

05.04.2022 14:40
Russland weise reflexartig die Verantwortung für bestimmte Verbrechen von sich. Niemand möge schließlich den Anblick von massakrierten Zivilisten oder zerbombten Krankenhäusern. Dies hindere die Russen jedoch nicht daran, Inhalte zu veröffentlichen, die eine ideologische Rechtfertigung für Völkermord beinhalten. Ein solcher Text sei am Sonntag auf der Internetseite der Nachrichtenagentur RIA Novosti erschienen, schreibt Dziennik/Gazeta Prawna. Außerdem kommentieren die Tagesblätter auch das Kopfzerbrechen der polnischen Regierung rund um Orbans Sieg in Ungarn.
W ocenie gościa PR24, deputinizacja Rosji jest możliwa, ale potrwa długo. To skutek bardzo intensywnej propagandy
W ocenie gościa PR24, "deputinizacja" Rosji jest możliwa, ale potrwa długo. To skutek bardzo intensywnej propagandyZhenya Voevodina/ Shutterstock

Dziennik Gazeta Prawna: “Russistische” Träume von der Vernichtung der Ukrainer


Gegen die Vorwürfe des Westens zum Massaker in Butscha wehrt sich Russland, indem es eine Vielzahl widersprüchlicher Versionen zu dem Massenmord an Zivilisten in Umlauf bringt, beobachtet Dziennik Gazeta Prawna. Damit, so das Blatt, wolle Moskau den durchschnittlichen Zuschauer davon überzeugen, dass sich die Wahrheit sowieso nicht feststellen lasse, schreibt Dziennik/Gazeta Prawna. Dieselbe Methode habe der Kreml, wie das Blatt erinnert, auch schon genutzt, um die Wahrheit über den Abschuss des Fluges MH17 im Jahr 2014 über der Ukraine zu verschleiern. Oder die Vernichtung der Geburtsklinik in Mariupol vor einem Monat.

Im Wesentlichen, so das Blatt, sei dies eine Defensivtaktik, zu der der Kreml besonders dann gerne greife, wenn die Verantwortung Moskaus keine Zweifel wecke. Russland weise reflexartig die Verantwortung für bestimmte Verbrechen von sich. Niemand möge schließlich den Anblick von massakrierten Zivilisten oder zerbombten Krankenhäusern. Dies hindere die Russen jedoch nicht daran, Inhalte zu veröffentlichen, die eine ideologische Rechtfertigung für Völkermord beinhalten. Ein solcher Text sei am Sonntag auf der Internetseite der Nachrichtenagentur RIA Novosti erschienen. Der Autor, Timofej Sergejew, habe sich darin gefragt, "was Russland mit der Ukraine tun sollte".

Der Inhalt sei schockierend und erinnere an die ideologische Begründung für die Verbrechen des Dritten Reiches, schreibt Dziennik Gazeta Prawna. Sergejew behaupte darin, dass die Entnazifizierung in einer Reihe von Maßnahmen gegen die "nazifizierte Masse der Bevölkerung" bestehe, die technisch gesehen nicht direkt als Kriegsverbrecher bestraft werden können. Nazis, so der Kreml-Propagandist, die zu Waffen gegriffen hätten, müssten auf dem Schlachtfeld "liquidiert werden". Damit seien alle Soldaten der Streitkräfte und der Territorialverteidigung gemeint. Aber auch die politische Elite und die "passiven Nazis", d.h. "ein bedeutender Teil der Volksmassen, die die Nazi-Macht unterstützten und ihr zunickten", müssten bestraft werden, so Sergejew. Wie Dziennik Gazeta Prawna an dieser Stelle erinnert, hätten Wolodymyr Selenskyj in der Stichwahl 73 Prozent der Wähler unterstützt.

Zudem sei, laut Sergejew, für eine “Umerziehung” der Gesellschaft in der Ukraine auch die Kontrollübernahme durch Russland für “mindestens eine Generation” notwendig. Nationalsozialismus, so der Propagandist, definiere er dabei als "Streben nach Unabhängigkeit und einem europäischen Entwicklungsweg". Denn wie er selbst zugebe, habe die Ukraine weder eine nationalsozialistische Hauptpartei, noch einen Führer.
Dennoch stelle der "Ukro-Nazismus", wie ihn der Russe nenne, eine größere Bedrohung für die Welt und für Russland dar als "die deutsche Nazi-Version mit Hitler". Der Begriff "Ukraine" selbst sollte abgeschafft werden. Stattdessen sollte von Klein-Russland und Neu-Russland gesprochen werden. Die "Bandera-Führer", zitiert das Blatt Sergejew weiter, sollten liquidiert werden. Der "soziale Schlamm", heißt es, der sie aktiv und passiv unterstützt habe, sollte "die Härten des Krieges erleben und diese Erfahrung als historische Lektion und Wiedergutmachung der Schuld verinnerlichen".
Am Tag der Aufdeckung des Verbrechens in Butscha, betont Dziennik/Gazeta Prawna zum Abschluss, habe Russlands staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti damit einen offen faschistischen Text veröffentlicht. Darin sei die Ausrottung der Elite, die Teilung der Ukraine und ihre brutale Besatzung begründet worden, die mindestens 25 Jahre dauern und zur Liquidierung des ukrainischen Volkes führen solle. Vor diesem Hintergrund sei es schwierig, die pathetisch klingenden Behauptungen der Ukrainer zu bestreiten, dass sie für das Überleben ihrer Nation gegen die "Ruschisten" kämpfen. Dass die Russen auch den Buchstaben Z verwenden würden, der funktionell dem Hakenkreuz ähnele. Was sich anfangs für manche vielleicht etwas übertrieben angehört habe, sei jetzt zu einer grauenvollen Realität geworden, so Dziennik/Gazeta Prawna.

Dziennik.pl: Lohnt es sich für Polen, für Orban zu sterben?

Durch die Politik Orbans habe sich "das kleine Ungarn" zu einem bedeutenden Problem für mehrere der wichtigsten Kräfte im westlichen Teil der Welt entwickelt, schreibt nach dem vierten Wahlsieg des Chefs der nationalkonservativen Fidesz-Partei der Publizist von Dziennik/Gazeta Prawna, Andrzej Krajewski. Das Problem, so der Autor, wäre natürlich nicht so groß, wäre da nicht die imperiale Expansion von Putins Russland. Doch heute habe Ungarn eine strategische Bedeutung. Ungarn sei eine natürliche Brücke, die Serbien und den gesamten Balkan mit Transkarpatien, Transnistrien, der Schwarzmeerküste und der Krim verbinde. Einem Gebiet, heißt es, an dem Russland am meisten interessiert sei. Dort habe Moskau nämlich den stärksten Einfluss und die größte Zahl von Anhängern. Gleichzeitig, so das Blatt, sei Ungarn durch Orban zu einem wichtigen Abnehmer und Umverteiler von russischem Gas geworden. Seit der Verlegung des Hauptsitzes der Internationalen Investitionsbank von Moskau nach Budapest im Jahr 2019 habe sich Budapest auch zu einem wichtigen Banken- und Kapitalzentrum für den Kreml entwickelt.

Orbans enge Beziehungen zum Kreml, lesen wir weiter, stünden auch im Einklang mit seiner Politik innerhalb der Europäischen Union. Das Hauptelement dieser Politik sei die Unterstützung von Anführern und Parteien, die sich für die Distanzierung ihrer Länder von der EU einsetzen. Darüber hinaus untergrabe Budapest seit Jahren den Vertrag von Trianon aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Es bestreite den derzeitigen Verlauf der Grenzen auf dem Alten Kontinent. Insbesondere habe Ungarn versucht, die territoriale Integrität Rumäniens und der Ukraine zu schwächen. In ruhigeren Zeiten, schreibt Krajewski, wäre die lange Liste von Viktor Orbans Errungenschaften vielleicht von den Mächtigen der westlichen Welt heruntergespielt worden. Die strategische Lage Ungarns bedeute jedoch, dass der Westen angesichts des drohenden Langzeitkonflikts mit Russland die Anwesenheit eines trojanischen Pferdes an einem der wichtigsten Punkte der EU nicht länger tolerieren könne.
Orban, so Krajewski, habe sein Land mit gerade einmal 9 Millionen Einwohnern zwischen Hammer und Amboss geschoben - auf der einen Seite Russland, auf der anderen die USA und die EU. Die pragmatischste Frage, die man sich deshalb in Warschau stellen müsse, sei: Wozu braucht Polen Ungarn noch? Die Nähe zu Ungarn werde für Warschau immer mehr zu einer Belastung. Abgesehen vom Spiel mit Brüssel werde Budapest von Warschau nur in der Sphäre der psychologischen Abhängigkeit vom ungarischen Regierungschef und bei der Erinnerung an schöne Momente der gemeinsamen Geschichte gebraucht. Aufgrund seiner pro-russischen Politik heute, gebe es daher keinen legitimen Grund für Orban zu sterben, betont Andrzej Krajewski.

Rzeczposplita: Schlechte Prognose für die PiS aus Budapest

Die Art und Weise, wie Viktor Orban in Ungarn die Wahlen gewonnen hat, und die Worte, mit denen er seinen Sieg erklärte, seien keine gute Nachricht für Polens Regierungspartei, schreibt Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita. Ungarns Ministerpräsident, lesen wir, sei in gewisser Weise zum Aussätzigen geworden. Eine Rückkehr zu engen Beziehungen zu ihm könnte für die PiS sehr teuer werden. An dem Tag, an dem die Fotos zum Völkermord an ukrainischen Zivilisten in Butscha, Irpin und Hostomel auftauchten, so der Autor, habe Orbán in seiner Siegesrede erklärt, er habe die Linke, die Medien, Brüssel und den ukrainischen Präsidenten besiegt.

Je mehr die PiS Russland und Putin jetzt also kritisiere, desto schwieriger werde es sein, mit Orbán zum normalen Geschäft zurückzukehren. Ministerpräsident Morawiecki, erinnert das Blatt, habe das Kreml-Regime während einer Konferenz am Montag mehrfach als faschistisch bezeichnet. Auch von Jarosław Kaczyński sei der Kreml in einem neulichen Interview für das regierungsnahe Wochenmagazin „Sieci“ nicht geschont. Wie der PiS-Chef unter anderem einräumte, habe Putin dem Westen durch seinen Angriff auf die Ukraine den Krieg erklärt. Für Viktor Orban habe sich unterdessen aber Wolodymyr Selenskyj als Feind entpuppt. Auf wessen Seite stehe Orban also, fragt der Autor.

Kaczyński selbst, heißt es weiter, habe in seinem Interview darauf hingewiesen, dass Orbán zumindest ehrlich sei, weil er in manchen Dingen Polen treu bleibe. In anderen (zum Beispiel in Sachen Energie) stelle er seine Beziehungen zu Russland offen dar. Dem Autor nach stelle sich deshalb die Frage, wessen Interessen Ungarns Regierungschef tatsächlich verfolge. Falls er sich vor allem für die ungarische Souveränität einsetze – wofür Polens Justizminister Zbigniew Ziobro ihn am Montag gelobt habe – unterstütze er nicht gleichzeitig auch das russische Szenario, die EU von innen aufzubrechen? Ungarn werde nicht nur immer abhängiger von Russland, lesen wir, sondern baue auch eine leichte Version des Putinismus in Ungarn auf. Orban übernehme Medien und installiere eine korrupte Oligarchie. In Ungarn gebe es zwar freie Wahlen, schreibt Szułdrzyński am Schluss, aber gerade wegen des medialen und wirtschaftlichen Umfelds könne man sie nicht als "ganz fair" bezeichnen.

Autor: Piotr Siemiński