Deutsche Redaktion

"Ungewöhnliche politische Lage"

08.04.2022 09:43
Politische Themen, die noch vor Kurzem die Gemüter der polnischen Öffentlichkeit erhitzten, sind angesichts des Kriegs in der Ukraine plötzlich weit in den Hintergrund gerückt. Die polnische Presse kommentiert die Spannungen zwischen Ukraines Botschafter in Deutschland und der Bundesregierung. Und: Der ehemalige N ationaltrainer der polnischen Volleyballer hat einen neuen Job. Einzelheiten in der Presseschau.
Posłowie na sali plenarnej Sejmu
Posłowie na sali plenarnej SejmuPAP/Radek Pietruszka

RZECZPOSPOLITA: Ungewöhnliche politische Lage

Der Ausbruch des Krieges habe die polnische Parteipolitik sichtlich verändert, stellt in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita der Publizist Michał Kolanko fest. Noch vor dem 24. Februar, also vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine habe man sich in Polen vor allem mit der Kondition des Regierungslagers beschäftigt. Ob die PiS-Partei immer noch über die parlamentarische Mehrheit verfüge, welche Gesetze sie mit dieser Mehrheit verabschieden könnte und welche nicht - diese und ähnliche Fragen hätten monatelang politische Kommentatoren und die Politiker selbst tagtäglich beschäftigt. Jede weitere Abstimmung im Parlament habe man als eine Schlacht auf Leben und Tod gedeutet. Und diese Schlachten hätten die Gemüter der Öffentlichkeit erhitzt.

Plötzlich seien diese Spannungen zweitrangig geworden, lesen wir weiter in der Rzeczpospolita. Mehrere Gesetze, die sich auf die Kriegssituation beziehen, habe die Regierung mit Unterstützung der oppositionellen Gruppierungen problemlos in die Wege geleitet. Die Mehrheit sei auf einmal kein Thema mehr. Zugleich treffe sich Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki mit den Kommunalpolitikern, darunter mit bisherigen verbissenen politischen Gegner, wie dem Warschauer Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski zu Gesprächen. Der Premier lobe die Zusammenarbeit der Regierung mit den Kommunen in Bezug auf die Hilfe für Migranten aus der Ukraine. Und der Oppositionspolitiker Trzaskowski breche mit dem Schema einer totalen Kritik des Regierungslagers und ernte damit lobende Worte von einem Teil seiner Parteikollegen.

Es sei inzwischen klar, dass der Krieg nicht von einem Tag auf den anderen zu Ende gehen werde. Sogar die Hoffnung auf einen raschen Waffenstillstand sei extrem gering. Dies könnte wiederum bedeuten, dass manche heiklen politischen Themen in den kommenden Monaten überhaupt nicht aufgegriffen würden. Zwar habe man den innenpolitischen Kampf in Polen nicht gänzlich stillgelegt. Oppositionspolitiker Donald Tusk reise weiterhin durch das Land, kritisiere die Regierung und stelle eigene politische Vorschläge vor. Aber in der Politik habe sich ein tiefgreifender Wandel vollbracht. Es sei nicht ausgeschlossen, dass dieser, für den politischen Alltag in Polen eher ungewöhnliche Zustand, bis zum Wahlkampf im kommenden Jahr anhalten werde, prophezeit Michał Kolanko in der Tageszeitung Rzeczpospolita.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Verschiedene Perspektiven

Die Presse in Polen verfolgt die Äußerungen deutscher Politiker zu den Kriegshandlungen der Russen in der Ukraine mit großer Aufmerksamkeit. Die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna nimmt daher auch die neuliche Aussage von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht sowie die schnelle und klare Antwort des ukrainischen Botschafters in Deutschland Andrij Melnyk unter die Lupe. Die Behauptung der Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, laut der Deutschland sehr wohl im Geheimen Militärhilfe leisten würde, wies Melnyk mehr oder weniger explizit als Lüge zurück. Der Diplomat äußerte seine Meinung in einer Fernsehdiskussion, lesen wir und habe dabei auch seine Vorwürfe gegen die deutsche Politik erneuert. Wie es scheine, sei Zurückhaltung nicht seine Sache. Anders als es Ministerin Lambrecht vorzustellen versuchte, habe Melnyk darauf hingewiesen, dass Nichts von der ukrainischen Wunschliste von deutscher Seite erfüllt worden sei. Andrij Melnyk wiederholte somit seine Positionen, die man von ihm bereits zuvor in deutschen Medien hören konnte, lesen wir in der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna.

SUPER EXPRESS: Heynen ist im Vereinssport wieder da

Die Tageszeitung Super Express beschäftigt sich in ihrem Sportteil mit der Zukunft von Vital Heynen. Wieso? Weil der Belgier zu den besten Trainern der Welt gehöre und er auch zahlreiche Erfolge mit polnischen Sportlern erreicht habe, lesen wir. Nun sei sein Comeback in den Vereinssport Tatsache geworden. Vor wenigen Tagen habe der türkische Nilüfer Belediyespor in den sozialen Medien mitgeteilt, dass der Vertrag mit Vital Heynen fast vollständig vereinbart sei. Gestern hätten beiden Seiten die Unterzeichnung des Vertrags bekanntgegeben.

Zuvor habe Vital Heynen, wie das Blatt erinnet, in der polnischen Nationalmannschaft gearbeitet, mit der er die Weltmeisterschaft, Silber- und Bronzemedaillen der League of Nards, zwei Bronzemedaillen der Europameisterschaft und Silber im Weltcup gewann. Kurz, nachdem sich der Belgier von der Männermannschaft getrennt hatte, wurde über eine Übernahme der polnischen Frauen-Nationalmannschaft spekuliert. Viele Sportfans hätten sich sicherlich gewünscht, dass der Belgier in Polen bleibt. Einen neuen Vertrag mit Heynen habe man letztendlich aber nicht unterschrieben. Beide Seiten seien zu dem Schluss gekommen, dass eine gewisse Etappe zu Ende gegangen sei und man nun getrennte Wege gehen sollte. Vital Heynen habe zuerst die deutsche Frauen-Volleyballmannschaft übernommen. Nun werde er auch die türkischen Sportler trainieren, so Super Express.

Autor: Jakub Kukla