Deutsche Redaktion

"Wenn Le Pen gewinnt, wird Putins Traum wahr"

14.04.2022 14:26
Die neuesten Aussagen von Le Pen über einen Austritt aus den militärischen Strukturen der Nato beschäftigen auch die polnische Presse. Außerdem geht es um die Folgen eines eventuellen NATO-Beitritts Schwedens und Finnlands. Und: Historiker Tadeusz Wolsza zieht Parallelen zwischen dem Massaker von Katyń und der heutigen Situation der Ukraine.
Dr Grzegorz Gil: nie mam przekonania, czy to jest wynik, który pozwala obozowi Marine Le Pen myśleć optymistycznie o drugiej turze wyborów.
Dr Grzegorz Gil: nie mam przekonania, czy to jest wynik, który pozwala obozowi Marine Le Pen myśleć optymistycznie o drugiej turze wyborów.Shutterstock/Frederic Legrand - COMEO

Rzeczposplita: Wenn Le Pen gewinnt, wird Putins Traum wahr

Die neuesten Aussagen von Le Pen über einen Austritt aus den militärischen Strukturen der Nato beschäftigen auch die polnische Presse. Auch Macron habe 2019 von einem “Hirntod” der NATO gesprochen, erinnert der Publizist der Rzeczpospolita Jędrzej Bielecki. Doch inzwischen, so der Autor, habe Macron seine Ansichten in Bezug auf den Pakt radikal geändert. Unter seiner Führung habe Frankreich die Ostflanke des Bündnisses gestärkt und Joe Biden beim Aufbau einer einheitlichen Front des Westens gegen Russland unterstützt.
Die Chefin der Front National wolle Frankreich jedoch offenbar weiterhin allen Ernstes aus der NATO herausführen, da die USA Paris ihrer Meinung nach in Kriege verstricken würden, die nicht im Interesse der Franzosen seien. Gleichzeitig wolle Le Pen auch die Zusammenarbeit mit Russland verstärken, insbesondere wenn es um die "Sicherheitsarchitektur Europas" gehe.

Mit Le Pen als Frankreichs Präsidentin könnte also Moskaus alter Traum von einer Teilung der NATO in zwei Zonen wahr werden. Denn wie der Autor erinnert, würden weder Österreich noch die Schweiz dem Bündnis angehören. Nach einem Ausstieg Frankreichs aus der NATO würden Die italienischen und spanischen Streitkräfte also den direkten Kontakt zu den deutschen oder britischen Streitkräften verlieren. Die 53-jährige habe ihr Programm gegenüber 2017, als sie von einem Verzicht auf die Eurozone und die EU gesprochen habe, zwar abgemildert. Heute hätte sie jedoch wahrscheinlich immer noch dasselbe vor, würde dies aber nicht mehr offen zugeben. Schließlich habe sie nur aufgrund des Kriegs Wahlflyer mit einem gemeinsamen Foto mit Putin vernichten lassen. Und ihr aktueller Wahlkampf sei aus einem 10-Millionen-Dollar-Darlehen von einer ungarischen Bank mit Beziehungen zu Russland finanziert worden, erinnert Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita.


Rzeczpospolita: Die Allianz wird in den Norden vorrücken

Ein Beitritt Finnlands und Schwedens zur NATO würde das Gleichgewicht der Mächte im Ostseeraum und in der Arktis verändern, beobachtet indes der Redaktionskollege von Bielecki aus der Rzeczpospolita, Andrzej Łomanowski. Wie der Autor erinnert, könnte Finnland im Falle eines grünes Lichts von Seiten der politischen Führung des Landes spätestens im Juni der NATO beitreten. Auch Schweden, das sogar in beiden Weltkriegen neutral geblieben sei, erwäge wegen Putins Wahnsinn ebenfalls den NATO-Beitritt. Im Falle einer Erweiterung des Pakts um die skandinavischen Staaten würde der Ostseeraum fast vollständig von der NATO kontrolliert werden. Mit Ausnahme zweier kleiner russischer Enklaven in Kaliningrad und St. Petersburg. Bei einem Konflikt zwischen der NATO und Russland, würde die russische Flotte dort sofort blockiert werden. Das NATO-Land Norwegen und Finnland würden zudem fast direkt an den Stützpunkt einer anderen russischen Flotte angrenzen, und zwar der Nordflotte in Murmansk. Die russischen Generäle, so Łomanowski, hätten jetzt deshalb große Kopfschmerzen mit der Lösung der Probleme, die ihnen ihr eigener Staatspräsident beschert habe.

Das in einem Bündnis vereinte Skandinavien würde auch zum Spielfeld für einen Konflikt zwischen dem Westen und Russland um die Aufteilung der natürlichen Ressourcen in der schmelzenden Arktis werden. Auch die vier NATO-Staaten USA, Kanada, Dänemark und Norwegen seien unmittelbar an diesen Ressourcen interessiert. All dies bedeute, dass sich die Aufmerksamkeit der Allianz nach Norden verlagern werde. Besonders bei einem eventuellen Sieg Le Pens, der den Pakt im Süden des Kontinents bedeutend schwächen würde, so Andrzej Łomanowski abschließend in der Rzeczpospolita.

Polskie Radio 24: Polen fühlten sich betrogen, so wie die Ukrainer heute

In einem Interview mit dem Polnischen Rundfunk zieht der Historiker Tadeusz Wolsza Parallelen zwischen dem Massaker von Katyń von vor über 80 Jahren und den aktuellen Ereignissen in der Ukraine. Am 13. April begeht Polen den Tag des Gedenkens an die Opfer des Massakers, bei dem NKWD-Funktionäre im Frühling 1940 auf Befehl der sowjetischen Behörden und Stalins insgesamt 22 000 Bürger der Zweiten Polnischen Republik ermordet hatten.

Wie Wolsza erinnert, seien die Polen allein gewesen, als sie 1940 mit der Suche nach den verschollenen Polen begannen. Erst die Deutschen hätten die Gräber 1943 entdeckt und die Aufklärung in Gang gesetzt. Die Welt aber, so der Historiker, haben ihnen nicht glauben wollen, dass das Verbrechen von den Sowjets begangen worden war. Die Briten und Amerikaner, lesen wir, seien sich ziemlich sicher gewesen, dass hinter dem Massaker der NKWD stand, verkündeten aber öffentlich das Gegenteil. Sie seien vielmehr an guten Beziehungen zu Stalin interessiert gewesen, der über eine Streitmacht verfügte, die im Kampf gegen Deutschland nützlich sein konnte. Jeder sowjetische Soldat an der Ostfront habe für die Alliierten weniger Verluste an der Westfront bedeutet. Die Polen hätten sich durch die Verlogenheit des Westens betrogen gefühlt, so Professor Tadeusz Wolsza.

Heute, so der Historiker, befinde sich die Ukraine in der gleichen Situation. Die Welt sei wieder einmal gespalten. Einige würden an russische Verbrechen in der Ukraine glauben und öffentlich darüber sprechen. Es gebe aber auch Politiker, die sich der Massaker bewusst seien, sich aber vor einer Verschärfung von Sanktionen drücken würden. In gewisser Weise überlassen diese die Ukraine ihrem Schicksal, so Tadeusz Wolsza im Gespräch mit Polskie Radio 24.

Autor: Piotr Siemiński