Deutsche Redaktion

"Die USA bluten Russland aus"

15.04.2022 11:30
Die USA verzichten inzwischen auf eine Unterscheidung zwischen defensiven Waffen und offensiven Waffen bei Lieferungen an die Ukraine. Und: Sollte Polen auf die V4 verzichten und sich stattdessen Skandinavien zuwenden? Die Einzelheiten in der Presseschau.
Andrzej Kohut:  Joe Biden nie obawia się ostrej retoryki w stosunku do przywódcy Rosji
Andrzej Kohut: Joe Biden nie obawia się ostrej retoryki w stosunku do przywódcy RosjiLuca Perra/Shutterstock

Rzeczpospolita: Die USA bluten Russland aus

Geht es nach den US-Geheimdiensten, sei Russland mittlerweile so durch den Krieg gegen die Ukraine geschwächt, dass Putin keinen Schlag gegen einen NATO-Staat riskieren wird, was man noch im März befürchtet habe, schreibt in seiner heutigen Analyse der Publizist der konservativ-liberalen Rzeczpospolita Jędrzej Bielecki. Aus diesem Grund, so der Autor, hätten die Amerikaner entschieden, die Waffenlieferungen an die Ukraine auszuweiten. Es verschwinde zudem auch die Unterscheidung zwischen defensiven Waffen, die man sicher liefern könne und offensiven, die Putin potentiell provozieren könnten. “Unsere Unterstützung wird zur Folge haben, dass der Plan Putins, die Kontrolle über die Ukraine zu übernehmen mit einer Niederlage enden wird”, habe in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag US-Präsident Joe Biden dazu gesagt, als er das neueste Paket von MIlitärausrüstung für die Ukrainer im Wert von 800 Millionen Dollar vorstellte, erinnert Bielecki. 

Seit Beginn der russischen Offensive am 24. Februar hätten die USA Waffen im Wert von 2,4 Milliarden Dollar an die Ukraine geliefert, was knapp 60 Prozent des jährlichen Verteidigungsbudgets der Ukraine entspreche. Die USA hätten mittlerweile auch schon ein Drittel der sich in den Magazinen des Pentagons befindenden Panzerabwehrraketen Javelin und ein Viertel der Flugabwehrraketen Stinger der Ukraine übergeben. Unter normalen Umständen, so Bielecki, würden die USA für die Produktion einer solchen Zahl von Raketen drei bis vier Jahre brauchen. Die USA hätten jedoch die Zusammenarbeit mit den acht größten Rüstungskonzernen aufgenommen, um den Produktionszyklus zu beschleunigen. 

Die Ukrainer, so Bielecki würden also immer mehr Waffen mit immer größerer Schlagkraft erhalten, darunter Hubschrauber, Kampfdrohnen, Schiff- und Luftabwehrsysteme, die ihnen einen Vorteil beim Kampf um den Donbass garantieren sollen. Zudem habe Biden auch 30 weitere Staaten dazu überzeugt, sich an dieser Unterstützung zu beteiligen. Erwähnenswert sei hier unter anderem die Slowakei, die im Gegenzug für die amerikanischen Patriot-Raketen, der Ukraine ihr Raketenabwehrsystem S-300 zur Verfügung gestellt habe. Zusätzlich hätten die USA auch entschieden, die Einschränkungen bei der Übermittlung von Geheimdienstinformationen zu russischen Kriegsplänen und Truppenbewegungen aufzuheben. 

All dies sei eine persönliche Entscheidung von US-Präsident Biden. Er habe sie auf der Grundlage von Prozeduren gefällt, die es ihm erlauben, Debatten im Kongress zu umgehen. Der US-Präsident stehe immer noch unter dem Eindruck der Kriegsverbrechen der russischen Truppen in den Vororten Kiews, die er als einen Akt des “Genozids” einstufe. 

Gehe es nach dem Chef des Vereinigten Generalstabs der USA Mark Milley, könnte der Krieg in der Ukraine noch Jahre dauern und für Russland letztendlich zu dem werden, was Vietnam für die USA und Afghanistan für die UDSSR gewesen sei. Zu einem Rückschlag für Generationen, so Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Kurs nach Norden

Die Regierung in Warschau sollte den Krieg in der Ukraine zum Anlass für eine strategische Umorientierung von der Visegrad-Gruppe auf die nordischen Staaten nehmen, schreibt indes der Publizist Piotr Wójcik in der Wochenend-Ausgabe des Wirtschaftsblatts Dziennik/Gazeta Prawna. Der Krieg, so der Autor, führe zumeist zu Revisionen in der Außenpolitik. Die Masken würden fallen und man könne sich überzeugen, wer tatsächlich auf unserer Seite stehe. Ungarn habe in diesem Kontext bewiesen, dass es in Schlüsselfragen rund um die Sicherheit einen radikal anderen Ansatz habe, als Polen. Gleichzeitig könne man erneut deutlich sehen, dass Polen in den wichtigsten Bereichen ähnliche Ansichten hat, wie die Balten und die skandinavischen Staaten, vor allem Finnland und Schweden. Beide Staaten würden eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Ukraine spielen. Sie würden auch seit Jahren großen Skeptizismus in Bezug auf Russland und die Einflüsse des Kremls in Europa aufweisen. Und eine engere Partnerschaft Polens mit Schweden und Finnland würde mit Leichtigkeit den Verlust der engen Beziehungen mit  Budapest ersetzen - einem problematischen, labilen und sogar radikal zynischen Partner, der nicht besonders gut zu der polnischen politischen Kultur passe, die sich in hohem Maße auf Ethik und moralischer Richtigkeit stütze, statt auf kühlem Kalkül von Profiten und Verlusten. 

Auch im Energiebereich, so der Autor, hätte eine solche Partnerschaft großes Potential. So wolle Polen etwa die fossilen Energien zunehmend mit Kernkraft ersetzen, der sich viele EU-Staaten - allen voran Deutschland und Österreich - aber immer noch dogmatisch widersetzen würden. Stockholm habe indes die Einbeziehung von Kernkraft in die Energiestrategie der EU postuliert und Finnland baue systematisch neue AKW´s. Polen werde sicherlich auch einen gemeinsamen Nenner im Bereich der Verschärfung von Sanktionen gegen Russland mit den nordischen Staaten finden. Der Spielraum für Zusammenarbeit sei damit enorm und weitaus größer als mit den auf eigenen Wunsch von Russland abhängigen Ungarn. Bei den Skandinaviern handle es sich um zuverlässige Verbündete, die den polnischen Luftraum patrouillieren und den Transfer von Technologien sowie von Know-How ermöglichen. Ungarn dagegen brauche Polen für… nichts. Von ihnen könne man höchstens lernen, wie man die Wirtschaft oligarchisiert und EU-Fonds veruntreut, worin Budapest ein Spitzenreiter in Europa ist, so Piotr Wójcik in Dziennik/Gazeta Prawna. 

Autor: Adam de Nisau