Deutsche Redaktion

"Den Papst verstehen"

06.05.2022 10:04
Wieso scheut Papst Franziskus vor einer klaren Kritik am Kreml zurück? Reist Steinmeier nun doch nach Kiew? Und: Wie kommt es, dass Polen auf den Lieferstopp aus Russland relativ gelassen reagieren konnte? Die Einzelheiten in der Presseschau.
Papież: Viktor Orban powiedział mi, że wojna skończy się 9 maja
Papież: Viktor Orban powiedział mi, że wojna skończy się 9 majaPAP/EPA/VATICAN MEDIA HANDOUT

RZECZPOSPOLITA: Den Papst verstehen

In seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita geht der Publizist Jerzy Haszczyński auf die Haltung der Papstes zu dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ein. Die milde Haltung des Kirchenoberhaupts gegenüber Putin löse unter den Katholiken Unmut aus und stoße auf Unverständnis. Zurecht, urteilt der Publizist, denn dieser Krieg sei kein komplizierter Konflikt. Es sei offensichtlich wer Täter und wer Opfer seien. Dies wolle Papst Franziskus aber nicht sehen, mehr noch, er versuche, den Täter zu rechtfertigen, indem er behaupte, dass das Bellen der NATO im Osten den russischen Machthaber zu seinen blutigen Taten bewogen haben konnte.

Die Erklärung für das Verhalten des Papstes sehe der Publizist in der politischen Lage im Nahen Osten. Franziskus habe vor Jahren einen Pakt mit Putin geschlossen: nicht persönlich, nicht auf Papier, dennoch könne man von einer Vereinbarung sprechen, lesen wir in der Rzeczpospolita. Und zwar betrachte Papst Franziskus den russischen Präsidenten als einen Verbündeten, der sich für die im Nahen Osten leidenden Christen einsetze. Kein Regierungschef eines westeuropäischen Staates habe sich für einen solchen Schritt entschlossen. Zugleich trage der Westen eine große Schuld dafür, dass das Leben der Christen im Osten immer schwieriger und gefährlicher werde. Noch vor 70 Jahren habe im Irak eine 10-prozentige christliche Minderheit gelebt, vor einem Vierteljahrhundert seien es nur noch 5 Prozent gewesen, heute sei es nur 1 Prozent.

Vor kurzem schien es, erinnert der Autor, dass es auch in Syrien bald keine Christen mehr geben werde, weil sie entweder das Land verlassen oder einfach getötet werden. Russland habe seine Truppen in das Land geschickt und dem Diktator Assad geholfen, an der Macht zu bleiben. Damit habe Moskau den Christen in Syrien das Leben gerettet – sie würden zwar den Diktator nicht unterstützen, aber Assads Ziel sei es nicht, die Christen auszurotten. In diesem Kontext scheine Russland ein Christenretter zu sein, auch wenn das wiederum auch nicht das eigentliche Ziel Putins gewesen sei. Ein Pakt sei ein Pakt, Franziskus sei Putin dankbar, deshalb verschone er den russischen Politiker in öffentlichen Reden.

Eine kleine Zahl von Christen lebe weiterhin in Syrien, eine kleine Gruppe im Irak. Im Vergleich mit der Gefahr, dass die letzten Spuren des Christentums nach zwei Tausend Jahren aus dem Nahen Osten einfach verschwinden könnten, scheine sich der Krieg in Osteuropa doch in einer anderen Dimension abzuspielen, schreibt Jerzy Haszczyński. Er wolle Papst Franziskus nicht rechtfertigen, lesen wir abschließend, sondern er versuche ihn einfach zu verstehen.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Reist Steinmeier doch nach Kiew?

Auch die polnischen Medien machen auf die Entspannung in den ukrainisch-deutschen Beziehungen aufmerksam. Wie die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna erinnert, habe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag eine Dreiviertelstunde mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Der ukrainische Politiker habe die Staatsspitze, also Steinmeier, und die gesamte Bundesregierung herzlich nach Kiew eingeladen. In dem Telefongespräch drückte Bundespräsident Steinmeier Selenskyj seine Solidarität und Respekt für den mutigen Kampf gegen die russischen Aggressoren aus. Die beiden Seiten seien übereingekommen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich auf die zukünftige Zusammenarbeit zu konzentrieren. Inzwischen ist bekannt, dass Außenministerin Annalena Baerbock in Kürze nach Kiew fahren wird.

Die deutsch-ukrainischen Beziehungen seien in der letzten Wochen von einer Absage an Bundespräsident Steinmeier belastet worden, erinnert das Blatt. Der deutsche Politiker habe geplant, nach seiner Warschau-Reise gemeinsam mit dem polnischen Staatsoberhaupt Andrzej Duda die ukrainische Hauptstadt Kiew zu besuchen. Die ukrainische Seite habe damals erwidert, Frank-Walter Steinmeier sei wegen seines enormen Engagements in die Entwicklung der deutschen Beziehungen zu Russland in der Ukraine momentan nicht erwünscht, erinnert Dziennik/Gazeta Prawna.

GAZETA POLSKA CODZIENNIE: Keine große Überraschung  

Die Tageszeitung Gazeta Polska Codziennie freut sich über lobende Worte der schweizerischen Weltwoche und erklärt wie es sein könne, dass Polen nicht in Panik geraten ist, nachdem Russland den Gashahn zugedreht hat. Wie das Blatt betont, sei dies für viele Länder ein Schock gewesen, nicht aber für Polen: die Regierung habe schon seit Jahren davor gewarnt, dass Putin die Gaslieferungen nach Europa als Waffe einsetzen könnte.

Noch vor zehn Jahren sei auch Polen vollständig von den russischen Gaslieferungen abhängig gewesen. Doch die aktuelle Regierung habe den Versuch unternommen, sich aus dieser Abhängigkeit zu lösen. Vor sieben Jahren habe sie das Flüssiggas-Terminal in Świnoujście in Betrieb genommen. Das wichtigste polnische Projekt sei aber die sogenannte Baltic Pipe, eine Erdgasleitung, die von Norwegen über Dänemark durch die Ostsee bis nach Polen reicht. Im Oktober dieses Jahres, genau zu Beginn der kritischen Wintersaison, soll die Pipeline in Betrieb genommen werden. Mit ihr können bis zu 10 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Polen gepumpt werden, was der Hälfte des polnischen Bedarfs entspricht, lesen wir in GPC.

Autor: Jakub Kukla