Deutsche Redaktion

Reparationen werden erneut zum Thema

14.07.2022 11:48
In einem Jahr gibt es in Polen die Parlamenstwahlen und der Wahlkampf hat schon begonnen. Neben zahlreichen Versprechungen wird auch die anti-deutsche Karte gezogen.
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Rzeczpospolita: Kaczyński ist nicht fähig ein Staatsmann zu sein

Die konservativ-liberale Rzeczpospolita bemerkt, dass der Vorsitzende der Regierungspartei (PiS), Jarosław Kaczyński, bei einem Treffen mit Wählern erneut auf das Thema Reparationen zurückgegriffen habe. Wie er betonte, gehe es nicht nur um Wiedergutmachung oder Schadensersatz, sondern auch um moralische Abfindungen. Es mangele auch nach wie vor an Rechenschaftspflicht für die überwiegende Mehrheit der Nazi-Verbrecher. Dies sei natürlich wahr, schreibt Jędrzej Bielecki im Blatt. Aber es seien Ereignisse von vor drei Generationen. Heute sei Deutschland nicht nur eine standfeste Demokratie, sondern nach Amerika der wichtigste Verbündete Polens. Angesichts des Krieges in der Ukraine sei die Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu Berlin im grundlegenden Interesse Polens. Und genau daran erkenne man einen Staatsmann. Dieser sei nämlich in der Lage, seine eigenen Interessen und die seiner Partei für die höhere Sache des Staates zu opfern. Jarosław Kaczyński sei dazu leider nicht fähig, schreibt der Autor.

Natürlich sollte er versuchen Berlin von seiner Politik der Abhängigkeit von Rohstofflieferungen aus Russland abzubringen, heißt es weiter. Ebenso wie Berlin Warschau davon überzeugen sollte, sein Bündnis mit dem Regime in Budapest, dass Putins Ziele in Europa realisiere, aufzugeben. Vorzugsweise, so der Autor, sollte so was am besten hinter geschlossenen Türen erfolgen. Aber darum gehe es Kaczynski nicht. Ansonsten würde er Deutschland für die Beschränkung des Kaufs von russischem Öl und Gas loben oder sein strammes Rüstungsprogramm. Unterdessen habe der Vorsitzende der Regierungspartei kürzlich öffentlich gesagt, er wüsste nicht, ob Deutschland sich gegen Russland oder gegen Polen aufrüste.

Geht es nach Bielecki verändere solch systematisch getrunkene Gift nach und nach die Denkweise von immer mehr Polen. Schließlich könnte es auch die polnisch-deutsche Aussöhnung in Frage stellen, deren Mangel das Leben vieler Generationen von Polens Vorfahren zerstört hat. Deutschland könnte auch anfangen in der EU fast ausschließlich auf Frankreich zu blicken, falls es keine gemeinsame Sprache mit Polen finde.

Sollte Kaczyńskis Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nicht von dieser Politik abweichen, werde Polen wieder zwischen dem Westen und dem autoritären Russland balancieren müssen. Die endgültige Entscheidung zur Ukraine könnte auch über die Köpfe der Polen hinweg getroffen werden. Leider sei es schwer vorstellbar, dass sich das ändere, solange sich die Machthaber in Warschau nicht wechseln.

 

niezależna.pl: Worauf zielen die Deutschen ab? 

Das regierungsnahe Nachrichtenportal niezależna.pl indes schreibt über Polens westlichen Nachbarn aus einer ganz anderen Sicht. Deutschland sei nämlich mit solch führenden Rüstungsherstellern wie Rheinmetall, Thyssengrupp, Airbus oder Heckler & Koch der viertgrößte Waffenexporteur der Welt. Im Jahr 2021 hätten die Auslandsexporte 9,35 Milliarden Euro überstiegen. In die Ukraine würden deutsche Waffen allerdings trotzdem nicht gehen. Was mehr, Berlin habe die Russen seit Jahren trotz geltendem Embargo aufgerüstet. Waffen im Wert von mehreren hundert Millionen Euro wurden in den Osten geschickt. Exporteure hätten mit historischen Aufträgen geprahlt oder erklärt, die Waffen seien für den zivilen Markt bestimmt. In der Praxis habe sich jedoch herausgestellt, heißt es, dass es um den Krieg mit der Ukraine ging.

Niezależna.pl zufolge militarisiere das vermeintlich pazifistische Deutschland mit Hochdruck politisch instabile Staaten in Afrika, Asien und im Osten. Dadurch bestehe die Gefahr lokaler und internationaler Konflikte. Russland habe unter anderem Schiffe, Gewehre, gepanzerte Fahrzeuge und Hightech-Elemente erhalten. Dadurch habe die russischen Armee ein höheres Niveau erreicht. Das regierungsnahe Nachrichtenportal habe deshalb den Eindruck Deutschland wolle nicht, dass ihr wichtiger Auftraggeber im Krieg scheitere. Dies sei der Grund weshalb Berlin die Ukraine nicht unterstützen wolle, was die Regierung nicht einmal mehr verheimliche.

Polen indes, lesen wir weiter, stehe der Umsetzung des Plans von Berlin und Moskau im Wege, Europa über deutsche Infrastruktur von russischen Energieträgern abhängig zu machen. Ein Plan, so das Online-Portal, der vor unseren Augen auseinander falle. Russland drehe nämlich der EU langsam den Gashahn zu. Berlin hingegen teile das Fell des Bären, bevor dieser noch erlegt wurde und bereite sich auf Aufträge für den Wiederaufbau der Ukraine vor. Putin bereite zur selben Zeit, nachdem er die Kontrolle über den Donbass übernommen habe, eine weitere Offensive. Auch Ramsan Kadyrows tschetschenische Krieger sollen drohen, für den Islam zu kämpfen und direkt bis nach Berlin vorzustoßen. 

DoRzeczy: Der Westen erliegt Putins neuer Erpressung 

Das rechts-konservative Wochenblatt DoRzeczy schreibt über Russlands Entscheidung die Nord Stream 1 für 10 Tage still zulegen. Der offizielle Grund seien Wartungsarbeiten. Wahrscheinlich sei, dass die Russen die Gaslieferungen nach Deutschland nicht wiederherstellen werden, sagt Wojciech Jakóbik, Energieexperte und Chefredakteur des Branchen-Portals BiznesAlert, im Gespräch mit DoRzeczy. Dies entspräche der Logik der Deeskalation durch Eskalation, also das Anheizen der Energiekrise, damit Europa aufhöre, die Ukraine zu unterstützen. Indem die EU zögere das neue EU-Sanktionspaket anzunehmen und Gespräche über den Verzicht auf Gas aus Russland im Rahmen gemeinsamer europäischer Aktionen hinausziehe, zeige sie Putin, dass seine Erpressung funktioniere und ermutige ihn, weiter zu eskalieren. Kanada und Deutschland hätten diese Woche auch Putins Ultimatum nachgegeben und wollen entgegen Sanktionen Turbinen an die russische Gazprom übergeben. Moskau habe gedroht, sollte es diese nicht erhalten, würde die Nord Stream 1 ausgeschaltet werden.

Dem Experten zufolge soll Deutschland aber selbst zugeben, dass die Turbine nicht nötig sei, damit Gas über Nord Stream 1 weiter fließe. Man könnte die Turbine von der Nord Stream 2 oder die ukrainische Route nutzten. Aber Berlin wolle das nicht. Auf diese Weise erliegen westliche Länder leider Putins neuer Erpressung und ermutigen ihn, seine Aggression mit dem Einsatz von Gas fortzusetzen.

Das Problem mit der Turbine sei imaginär, so Jakubik, und die Russen würden einfach einen weiteren Vorwand erfinden, um die Gasversorgung in Europa einzuschränken. Der Höhepunkt der Spielchen des Kremls könnte während der Heizperiode erfolgen, wenn man Gas am dringendsten benötigen werde, überzeugt der Energie-Experte für DoRzeczy.

 

Piotr Siemiński