Deutsche Redaktion

"Nicht die EU entscheidet über die Zukunft der Ukraine"

15.09.2022 11:24
Auch wenn die EU für ihre eigenen Verhältnisse viel für die Ukraine getan habe, seien vor allem zwei Nicht-EU-Staaten für die erfolgreiche Abwehr der russischen Invasion verantwortlich, beobachtet die Rzeczpospolita. Und: Verwirklicht sich gerade das schwarze wirtschaftliche Szenario für Polen? Die Einzelheiten in der Presseschau.
Die spektakulre Offensive und die Rckeroberungen der ukrainischen Streitkrfte im Krieg gegen Russland  machen Schlagzeilen.
Die spektakuläre Offensive und die Rückeroberungen der ukrainischen Streitkräfte im Krieg gegen Russland machen Schlagzeilen.штаб ЗСУ / General Staff of the Armed Forces of Ukraine

Rzeczpospolita: Nicht die EU entscheidet über die Zukunft der Ukraine

Die alljährliche Rede von Ursula von der Leyen über die Kondition der EU habe sich nur als Hintergrund für die Nachrichten über die Rolle der USA in der neuesten Offensive der Ukraine im Osten erwiesen, beobachtet in seinem Kommentar für die konservativ-liberale Rzeczpospolita der Publizist Jędrzej Bielecki. In der Rede, so der Autor, habe es nicht an schönen rhetorischen Floskeln gefehlt. Die EU habe in den vergangenen Monaten für ihre eigenen Verhältnisse auch faktisch relativ viel getan. Vor dem Krieg hätten etwa 40 Prozent des in die EU-Staaten importierten Gases aus Russland gestammt. Heute seien es weniger als 10 Prozent. Die Einkäufe von russischem Öl und russischer Kohle seien noch schneller eingeschränkt worden und der EU-Rat habe viele Sanktionspakete auf den Weg bringen können. All dies ändere jedoch nichts daran, dass die Abwehr der russischen Offensive vor allem den USA und Großbritannien zu verdanken sei. Gerade am Tag von von der Leyen´s Ansprache habe die “New York Times” enthüllt, wie fundamental die Unterstützung dieser beiden Staaten für die Ukraine sei. Es habe sich herausgestellt, dass die Amerikaner den Plan der Gegenoffensive vorbereitet und die ukrainische Armee mit den notwendigen Waffen und Geheimdienstinformationen ausgestattet haben. Auch die derzeit laufenden Arbeiten an einem Plan für NATO-Sicherheitsgarantien für die Ukraine würden vor allem von den USA angetrieben. 

All dies, so der Autor, sei Teil der globalen Strategie Washingtons´, die imperialen Ambitionen Moskaus zunichte zu machen, um sich anschließend auf dem wichtigsten Rivalen der USA, also auf China konzentrieren zu können. In der EU seien die Interessen der Mitgliedsstaaten indes weiterhin zu groß, um eine einheitliche Außenpolitik schaffen zu können, sogar angesichts der russischen Invasion in der Ukraine, so Jędrzej Bielecki.

 

Newsweek: Schwarzes Szenario verwirklicht sich

Polen stehen gigantische wirtschaftliche Turbulenzen bevor, alarmiert in der aktuellen Ausgabe, unter Berufung auf Analysen seines Wirtschaftsrates, das linksliberale Wochenblatt Newsweek Polska. Die Skala der Herausforderungen, lesen wir, sei mit dem Wendejahr 1989 vergleichbar, doch die inkompetente Regierung begehe heute kardinale Fehler.

Für die fiskale Situation Polens, so die Zeitung, würden in der normalen ökonomischen Sprache einfach die Worte fehlen. Ein Drittel der Ausgaben sei außerhalb des Staatshaushalts verlegt worden, wo sie nicht vom Parlament kontrolliert werden können. Es gebe keinen Mechanismus, der die fortschreitende Zerstörung der öffentlichen Finanzen durch die Regierung aufhalten könne. Und in der Zentralbank sitze jemand, der offenbar die dramatische Situation nicht verstehe. All das in einer Situation, in der hinter unserer Grenze Krieg herrsche. 

Auch die von der Regierung gerne angeführte energetische Sicherheit Polens sei mehr als fraglich, fährt das Blatt fort. Denn diese stütze sich auf der Ergänzung von Gasreserven mit Lieferungen aus Deutschland und der Slowakei sowie auf der Inbetriebnahme der Baltic Pipe. Ersteres werde im Falle eines endgültigen Lieferstopps durch Nordstream 1 an Deutschland nicht mehr möglich sein. Und auch in Bezug auf die Baltic Pipe seien bis dato immer noch keine langfristigen Verträge unterzeichnet worden. Es sei daher nicht klar, wie teuer das Gas aus Norwegen sein werde. Der sich immer stärker abzeichnende Trend hin zur Rezession gepaart mit einer galoppierenden Inflation sei der ultimative Albtraum von Makroökonomen. Denn in einer solchen Situation sei die Monetärpolitik nicht mehr imstande, die Inflation einzudämmen, schwäche mit ihren Zinssatz-Erhöhungen aber dafür das Wirtschaftswachstum. Ein Szenario, das auch als Stagflation bezeichnet werde. 

Gleichzeitig, so Newsweek, herrsche ein tiefes politisches Chaos in Polen, die Wirtschaftspolitik drifte und der Konflikt der Regierung mit der EU-Kommission blockiere die Auszahlung von Mitteln aus dem Wiederaufbaufonds der EU. Fazit: Vor uns braue sich ein Sturm zusammen, der ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen werde. Die Regierenden seien jedoch so mit den nächsten Wahlen beschäftigt, dass sie Entscheidungen vermeiden, die das Risiko mindern könnten. Im Gegenteil, mit ihren Entscheidungen würden sie die Gefahr weiter vergrößern, so Newsweek.

Autor: Adam de Nisau