Deutsche Redaktion

"Zustimmung für allgemeine Wehrpflicht sinkt"

03.10.2022 10:57
Immer weniger Polen sprechen sich für eine Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht aus. Außerdem geht es auch um die Frage, ob Reparationen von deutscher Seite heute mehr ein innenpolitisches, als ein außenpolitisches Thema sind. Und: Polen sollten sich besser auf ein bescheidenes Weihnachten einstellen.
Elżbieta Zielińska z PiS: tak duże fundusze z USA dla Polski na wsparcie militarne to sygnał, że jesteśmy pewnym sojusznikiem
Elżbieta Zielińska z PiS: tak duże fundusze z USA dla Polski na wsparcie militarne to sygnał, że jesteśmy pewnym sojusznikiemShutterstock.com/DarSzach

RZECZPOSPOLITA: Zustimmung für allgemeine Wehrpflicht

Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine taucht in Polen erneut das Thema der Einberufung in den Wehrdienst auf, lesen wir in der Tageszeitung Rzeczpospolita. Es gebe keine Mehrheit, die sich für den Pflichtwehrdienst aussprechen würde, stellt das Blatt fest. Einer neuen Studie sei zu entnehmen, dass 12 Jahre nach der Suspendierung der Wehrpflicht über 36 Prozent der Befragten für die Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht seien. Eine entgegengesetzte Meinung würden etwa 57 Prozent der Befragten vertreten. Gegen die Wehrpflicht würden sich in erster Linie junge Menschen zwischen dem 18 und 29 Lebensjahr aussprechen, also diejenigen, die für eine neunmonatige Schulung in das Militär hätten einberufen werden können. Im Vergleich mit früheren Meinungsumfragen sei die Zustimmung für die Einberufung in der polnischen Gesellschaft gesunken, stellt das Blatt fest. Geht es nach dem Chef des Meinungsforschungsinstituts IBRIS, Marcin Duma, könnten auch die Kriegshandlungen in der Ukraine Einfluss auf die Haltung der Befragten gehabt haben. Die Situation in unserem Nachbarland habe vielen Polen vergegenwärtigt, wie der Krieg tatsächlich aussehe. Viele Menschen hätten nun verstanden, dass es sich nicht um einen Kriegsfilm, sondern um die Wirklichkeit handle.

Der Abgeordnete und ehemalige Berufssoldat Paweł Szramka bewerte die Ergebnisse der neusten Studie indes anders, schreibt die Rzeczpospolita weiter. Viele Polen hätten sich bereits an die Kriegsbilder aus der Ukraine gewöhnt. Der Krieg sei gewöhnlicher geworden, wie einst die Corona-Pandemie. Man sehe seit mehreren Tagen, dass die Ukrainer die Lage mehr oder weniger in der Griff bekommen hätten und dass Russland seine Offensive nicht vorantreiben könne. Der Krieg spiele sich weit von der polnischen Grenze ab und stelle momentan keine reale Gefahr für die polnische Sicherheit dar. Die Angst um die eigene Sicherheit und somit auch die Zustimmung für die Wiedereinführung der Einberufung seien daher gesunken.

Marcin Duma weist schließlich darauf hin, dass eine 36-prozentige Zustimmung für den Pflichtwehrdienst sowieso sehr hoch sei. Noch in der ersten Jahreshälfte habe eine Studie gezeigt, dass im Falle einer russischen Aggression jeder vierte Polen versuchen würde, das Land zu verlassen. Nur jeder Fünfte habe damals gesagt, er würde sich in die Armee einziehen lassen. Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak habe vor Kurzem in einem Interview gesagt, dass es momentan keine Pläne dafür gebe, die vor 12 Jahren abgeschaffte Wehrpflicht wiedereinzuführen, lesen wir in der Tageszeitung Rzeczpospolita.

PLUS MINUS: Außenpolitik als Innenpolitik

In der neuen Ausgabe der Wochenzeitschrift Plus Minus greift der Publizist Michał Szułdrzyński noch einmal die Reparationsfrage auf. In seinem Feuilleton überlegt der Publizist, ob das Problem nicht mit den Komplexen des Chefs der Regierungspartei und seines Umfelds verbunden sei. Manche Politiker der Regierungspartei würde den Westen einfach nicht kennen. Sie würden sich selten dorthin begeben, sie würden diesen Teil der Welt nicht verstehen, deshalb seien sie nicht imstande, mit den Politikern aus Westeuropa effektiv zu kommunizieren. Man stelle also solche Themen, wie die Reparationen in erster Linie für den innenpolitischen Bedarf vor, lesen wir.

Je mehr Zeit seit der Veröffentlichung des Berichts über die deutschen Kriegsverbrechen in Polen vergehe, desto tiefer werde das Gefühl, dass dieses Thema kein abgeschlossenes Kapitel in den deutsch-polnischen Beziehungen sei. Wichtig sei, dass diese Meinung auch immer häufiger von Kritikern der Regierungspartei vertreten werde. Diese Veränderung sei aber nicht der Rezeption des Berichts zu verdanken. Die PiS-Partei habe das Thema zwar erneut aufgegriffen, doch das Problem an sich sei nicht neu. Schon 2004 habe es eine einstimmige Erklärung aller politischer Kräfte im damaligen Parlament zu den Reparationen gegeben.

Problematisch seien jetzt aber die Intentionen, führt der Publizist fort. Die Kriegsentschädigungen seien zu einer innenpolitischen Angelegenheit geworden. Es sei jedoch unvorstellbar, dass Deutschland Polen irgendwelche Entschädigungen zahlen werde, nur weil es der Regierung in Warschau gelungen sei, seine Wählerschaft von der Richtigkeit dieser Forderungen zu überzeugen, schreibt Szułdrzyński. Es helfe aber dafür, die Frustration eines Teils der Bevölkerung zu mildern und die kritische Einstellung gegenüber Deutschland aufrechtzuerhalten. Um das Problem tatsächlich zu lösen, müsste man es anders behandeln und nach Gleichdenkenden in den USA, in Frankreich und in erster Linie in Deutschland suchen, um mit ihrer Unterstützung die Regierung in Berlin zum Umdenken zu bewegen. Allem Anschein nach sei dies aber nicht das Ziel, lesen wir in der Wochenzeitschrift Plus Minus.\

SUPER EXPRESS: Bescheidenes Weihnachten

Die Überteuerung mache den Polen zu schaffen, stellt die Tageszeitung Super Express in der heutigen Ausgabe fest. Nach Angaben des Hauptstatistikamtes habe die Inflationsrate im September über 17 Prozent betragen. Damit sei der Höchststand aber noch nicht erreicht, lesen wir weiter. Die Lage werde immer dramatischer, denn so teuer sei es in Polen seit 1997 nicht mehr gewesen. Damals sei aber die komplizierte wirtschaftliche Lage mit der Überwindung der postkommunistischen Probleme in der Wirtschaft verbunden gewesen.

Die Inflation bekomme man nicht nur in den Lebensmittelgeschäften zu spüren – teurer werde eigentlich alles, schreibt das Blatt. Die steigenden Preise würden den Wirtschaftsexperten Marek Zuber beunruhigen. Die Lage in Polen würde sich entscheidend von der Situation in anderen Ländern unterscheiden, sagt er. Während die Preise weltweit vor allem im April in die Höhe geschossen seien, würden sie in Polen kontinuierlich steigen. Er könne sich vorstellen, dass die Inflationsrate noch in diesem Jahr 20 Prozent erreichen werde. Sicher sei es zwar nicht, man sollte sich aber auf ein bescheidenes Weihnachten gefasst machen, sagt Marek Zuber im Blatt Super Express.

Autor: Jakub Kukla