Deutsche Redaktion

"Vertrauensverlust ist sichtbar"

17.10.2022 09:53
Wenn sich Deutschland seiner Geschichte und der daraus resultierenden Verantwortung bewusst sei, müsste sich die Bundesregierung stärker für die Hilfe für die kämpfenden Ukrainer einsetzen, sagt die diesjährige Viadrina-Preis-Laureatin Róża Thun. Regierungschef Morawiecki sieht in Houellbecq einen Chronisten des langsamen Absterbens Europas. Und: Lewandowski kommentiert die Niederlage seines FC Barcelona gegen Erzrivalen Real Madrid. Die Einzelheiten zu diesen Themen in der Presseschau.
Róża Thun
Róża ThunForum/Michał Dyjuk

RZECZPOSPOLITA: Vertrauensverlust ist sichtbar

Die polnische Politikerin und Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Róża Thun ist mit dem 21. Viadrina-Preis in Frankfurt/Oder ausgezeichnet worden. Das Kuratorium der Viadrina-Preis-Stiftung habe damit Thuns jahrzehntelanges pro-europäisches Engagement und ihre Verdienste um die deutsch-polnische Verständigung gewürdigt, lesen wir in der Tageszeitung Rzeczpospolita. Die Preisverleihung habe im Rahmen der Eröffnung des Akademischen Jahres an der Europauniversität Viadrina stattgefunden. Die Tageszeitung Rzeczpospolita veröffentlicht aus diesem Anlass ein Interview mit der Preisträgerin, in dem es unter anderem um den russischen Angriffskrieg geht. Der Krieg sei eine große Herausforderung für alle, sagt Thun. Wenn sich Deutschland seiner Geschichte und der daraus resultierenden Verantwortung bewusst sei, müsste sich die Regierung stärker für die Hilfe für die kämpfenden Ukrainer einsetzen, meint die Politikerin. Sie wolle zwar nicht behaupten, dass es keine deutsche Hilfe für Kiew gäbe. Einiges sei schon geliefert worden, doch die Ukrainer würden momentan vor allem schwere Waffen brauchen. Man müsste gemeinsam überlegen, wie man die russischen Aggression stoppen könne. Denn dies sei ein Angriff auf unsere Zivilisation, er stelle eine Bedrohung für unsere physische Existenz dar, führt die Politikerin fort. In einem solchen Moment müsse man sich so stark wie möglich um die europäische Einigkeit und Solidarität bemühen. Es sei nicht an der Zeit, heikle Themen hervorzuheben, sagt Thun in Bezug auf die polnischen Reparationsforderungen.

Der Krieg habe auch weitgehende Meinungsunterschiede zwischen Warschau und Berlin offenbart, führt Thun fort. Vor Nord Stream habe doch nicht nur die jetzige aber auch die Vorgängerregierungen in Polen gewarnt. Man habe auf Polen aber nicht gehört. Und nun sehe man noch diese schleppend vorangetriebenen Waffenlieferungen an die Ukraine. Dies sei enttäuschend, stellt die Politikerin fest. Es lasse den Eindruck entstehen, dass Geschäfte für Deutschland wichtiger seien, als die Unabhängigkeit eines Staates und das Leben von dessen Bürgern. Der Vertrauensverlust Berlins sei deshalb deutlich und sie hoffe, dass sich die Haltung der deutschen Politik ändern werde. Wer die Lage in der Ukraine verfolge, der wisse, dass nicht mehr viele Zeit übrig geblieben sei, sagt Róża Thun in der Rzeczpospolita.

Hintergrund: Mit dem Viadrina-Preis würdigt die Universität seit 1999 herausragende Persönlichkeiten und bedeutende Initiativen aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens für ihr Engagement in die Verständigung, Zusammenarbeit und Versöhnung zwischen Deutschland und Polen. In der Vergangenheit wurden unter anderem die polnische Regisseurin Agnieszka Holland, die Initiative Deutschunterricht für AsylbewerberInnen sowie die deutsche Politikerin und ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth mit dem Preis geehrt. Im vergangenen Jahr war das Universitätsorchester Viaphoniker ausgezeichnet worden.

 

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Houellebecq als Chronist des langsamen Absterbens

In seinem Podcast berufe sich der Chef der polnischen Regierung Mateusz Morawiecki auf den neuen Roman des Franzosen Michel Houellebecq, lesen wir in der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Der Roman „Vernichtung“ drehe sich um eine Familiengeschichte mit zwei Brüdern und einer Schwester, einem Vater im Wachkoma und vielen Geliebten drum herum. Alles geschehe vor dem Hintergrund einer Bedrohungskulisse mit terroristischer Gefahr und Klimawandel – von Covid sei allerdings nicht die Rede.

In den Augen des Politikers sei der französische Schriftsteller ein Chronist des sterbenden Europas. Houellebecq beschreibe das langsame Verschwinden der Werte, die die Stärke Europas in der Vergangenheit ausgemacht hätten. Europa sterbe schweigend und hilflos, es vollbringe sich kein Kampf um die Zukunft des Kontinents. In Bezug auf Frankreich habe Morawiecki gesagt, der Islam würde die Franzosen mit seiner Lebendigkeit verzaubern, sie selbst hätten ihm nichts entgegenzustellen, keine Alternative. Aber für ihn und für Millionen andere Polen sei immer noch das Christentum eine Quelle der Stärke, sagt Morawiecki weiter.

Den Marasmus sehe der polnische Regierungschef auch in den europäischen Behörden. In Brüssel herrsche kalter, bürokratischer Automatismus. Eine Reflexion über das Wesen Europas gebe es dort nicht. Zugleich sehe man in Europa in den letzten Jahren eine wachsende Unzufriedenheit über die Richtung der europäischen Politik. Viele Menschen seien damit nicht einverstanden, dass die europäischen Eliten der eigenen Tradition den Rücken kehren und den gesamten Kontinent nach und nach in einem Sumpf versinken lassen, lesen wir in der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna.

 

SUPER EXPRESS: Lewy ohne Tor

Real Madrid habe das 185. Duell mit dem FC Barcelona in der spanischen Liga gewonnen, informiert die Tageszeitung Super Express in ihrem Sportteil. Der FC Barcelona habe sich mit einem 1:3 im spanischen Clásico Real Madrid geschlagen gegeben. Der Klassiker des spanischen Fußballs sei das aktuelle Spitzenspiel der Liga gewesen. Beide Klubs seien bislang unbesiegt gewesen. Jetzt stehe Madrid mit drei Punkten Vorsprung auf Platz eins vor Barça.

In Spanien sei Robert Lewandowski seit dem Wechsel zum FC Barcelona der beste Torjäger. Beim Spitzenspiel gegen den Erzrivalen Real Madrid habe er aber nur eine Großchance bekommen – und habe aus wenigen Metern über das Tor geschossen. Ansonsten sei der polnischer Starspieler eher unsichtbar gewesen. Heute tue es weh, habe Lewandowski nach dem Spiel in sozialen Medien geschrieben. Es sei aber eine Motivation, um morgen noch härter zu arbeiten, berichtet die Tageszeitung Super Express.

Autor: Jakub Kukla